| # taz.de -- Die Wahrheit: Geplünderte Schmökergräber | |
| > Auf der Jagd nach Schmutz und Schund hat sich in den letzten Jahrzehnten | |
| > einiges angesammelt. Ein Rückblick in ein düsteres Jahrhundert des | |
| > Unrats. | |
| Bild: Super-Goof trotzt allen Comic-Feinden | |
| Berlin taz | Schund im Wandel der Zeit. Was heute für manche Politiker wie | |
| den Innenminister Horst Seehofer zum Beispiel Games sind, waren früher | |
| Comics. Blicken wir deshalb einmal ein halbes Jahrhundert zurück – in eine | |
| düstere Zeit des Unrats. | |
| Helga, Horst und Fritz liefen wie der Blitz zu Buchhändler Köhl in | |
| Köln-Rodenkirchen. Bei ihm sollte es für fünf Schmutz- und Schundhefte ein | |
| „gutes Jugendheft“ wie die Rasselbande geben! Kein Wunder, dass die drei | |
| „wie mit Siebenmeilenstiefeln“ zum guten Buchhändler Köhl liefen. „Frit… | |
| Mutter konnte gar nicht so schnell fragen, was geschehen sei“, berichtet | |
| das Magazin Rasselbande in Heft 3/55. | |
| Der Umtausch fünf zu eins schien den Kindern ein guter Tausch, zudem „sich | |
| rasch herumgesprochen hatte, dass die guten Jugendhefte noch viel | |
| spannender sind als die Schmöker.“ Das behauptete zumindest die | |
| Rasselbande. | |
| Und als der gute Herr Köhl seine Umtauschaktion in einer Kölner Schule | |
| vorstellte, konnten die Lehrer in fünf Klassen 600 Schundhefte zum Tausch | |
| einsammeln! In ihrer Begeisterung vergaßen Helga, Fritz und Horst ganz | |
| Herrn Köhl zu fragen, was mit ihren Heftchen geschehen sollte. Würden sie | |
| in einem „Freudenfeuer“ (Kreisjugendpfleger Gutjähr aus Itzehoe) aufgehen | |
| oder am Ende des St.-Martin-Zuges in die lodernde Glut geworfen werden wie | |
| 1958 in Aachen? Das lockere Motto der Comic-Kritiker lautete ja seinerzeit | |
| „Was an Schmutz und Schund ich hab, hinein damit ins Schmökergrab!“ | |
| ## Affenkultur auf Scheiterhaufen | |
| Im Kampf gegen die „amerikanische Affenkultur“ (Walter Ulbricht) wollte | |
| auch die DDR nicht zurückstehen und verheizte 1955 in Pankow am | |
| internationalen Kindertag imperialistische Comics und andere Schmöker. Aber | |
| was geschah nun wirklich mit den hierzulande eingesammelten Comics? So | |
| scheiterte in Frankfurt am Main die „Aktion Scheiterhaufen“ an den | |
| Protesten der Freunde Entenhausens, und die öffentliche Comic-Verbrennung | |
| in Bietigheim wurde vom dortigen Enz- und Metterboten kritisch als „makaber | |
| anmutendes Bild“ beschrieben. Die Schmökergrab-Begeisterung schwand also | |
| zusehends. Wohin also mit den Bergen eingesammelter Comics, wenn man sie | |
| nicht mehr verbrennen mochte? | |
| Man munkelte danach vom sogenannten „Unschädlichmachen“ in stillgelegten | |
| Steinbrüchen und davon, dass die Schmökergrabware vergraben wurde wie der | |
| Schatz von Käpt’n Flint. Leider wurde weit und breit noch kein vergrabener | |
| Comic-Schatz gehoben, weder von Sam Hawkins noch von Schiffskoch John | |
| Silver. Aber soll nicht im tiefen Hunsrück seinerzeit nächtens eine Gruppe | |
| vermummter Gestalten eine tiefe Grube ausgehoben haben? Was bergen die | |
| Sauerländer Grotten, was die Gruben der Eifel? Wurden irgendwo klandestine | |
| Schmöker-Grabräuber gefasst? Die Comicsammler-Szene hüllt sich in Schweigen | |
| … | |
| Weiß der gute Buchhändler Köhl etwa mehr? „Kein Kommentar“, knurrt Köhl… | |
| schlägt die Tür zu seinem großzügig dimensionierten Bungalow zu, vor dem | |
| ein tiefergelegter Sportwagen steht. Sollte er wirklich seinen Reichtum den | |
| gebunkerten Comic-Schätzen der fünfziger Jahre verdanken, wie man sich in | |
| Rodenkirchen zuraunt? Im Comic-Bunker Köhls sollen gerüchteweise etwa 400 | |
| Hefte der ersten Micky Maus von 1951 gelagert worden sein. Der Sammlerwert | |
| liegt – laut Wikipedia – in sehr gutem Zustand immerhin bei 12.000 Euro. | |
| Pro Heft selbstverständlich. Doch der reichste Bürger Rodenkirchens | |
| schweigt beredt … | |
| Und was ist aus der guten Jugendzeitschrift Rasselbande geworden? Sie ging | |
| 1966 in der kurzlebigen Zeitschrift Wir auf. Was hätte Kater Karlo dazu | |
| gesagt? „Har, har!“ natürlich. | |
| 19 Nov 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Kriki | |
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