# taz.de -- Die Wahrheit: Grüner Hass ist krass | |
> Unsere Flora treibt böse Blüten: Tief verwurzelt bei Pflanzen ist die | |
> abgrundtiefe Abneigung gegen konkurrierende Gewächse. | |
Bild: Gepfefferte Entschärfung: Renitente Paprika von Spezialkräften wegen Ha… | |
Die Pflanze an sich gilt als sympathisch und erfreut Auge und Gemüt. Doch | |
leider ist das Bild von der schönen und guten Pflanze so irreführend wie | |
eine Trugdolde. Denn im Pflanzenreich herrschen Neid und Missgunst. Das | |
fängt bei den kleinen Pflanzen an. Jeder Kleingärtner weiß: Alles, was der | |
Salbei will, / in seiner Nähe keinen Dill. | |
Die großen Pflanzen sind leider nicht viel besser, die Schwarze Walnuss und | |
die knorrige Kiefer sind sich in herzlicher Abneigung zugetan, und | |
Schneiderhan berichtet bereits 1927 sogar davon, dass die skrupellose | |
Walnuss sogar Apfelbäume abtötet! | |
Schon der „Kärtnerische Landwirtschafts-Calender“ von 1831 geißelt die | |
„halsstarrige Abneigung der Pflanzen untereinander“. Und leider ist diese | |
Abneigung nicht geringer geworden: Rosen sind immer noch untereinander | |
unverträglich, und unser feines Gemüsebeet ist in Wirklichkeit ein | |
regelrechtes Gemüseschlachtfeld! | |
Da heißt es jeder gegen jeden: Der nachtragende Fenchel hasst die | |
Buschbohnen, der Blumenkohl die Erbse und die Paprika wiederum den Fenchel! | |
Der Hass der Gemüse untereinander ist ohne jeglichen Sinn und Verstand. Die | |
rote Möhre hasst die Rote Bete, die wiederum den grünen Spinat ablehnt. An | |
der Farbe kann es also nicht liegen. | |
## Kartoffelhass der Zwiebel | |
Immer wieder fällt in der einschlägigen Gartenliteratur der böse Vorwurf | |
der Fremdenfeindlichkeit bei Pflanzen, aber im Grunde hassen einfach alle | |
Pflanzen alle anderen Pflanzen! Die mit Abstand beliebteste Pflanze aller | |
Deutschen ist natürlich die gute, alte Kartoffel. Doch mit dieser möchte | |
kein anderes Gemüse zusammenstehen, weder die sonst so gutmütige Erbse noch | |
Gurke, Kohl oder Rote Bete. Sellerie und Tomaten schon gar nicht. Und was | |
ist das größte Übel? Der Kartoffelhass der Zwiebel! | |
Nur der unbedarfte Fenchel und der redliche Rettich sind der Kartoffel gut. | |
Und noch einer: der ungeliebte Außenseiter Spinat, den der junge Mensch ja | |
gern an die Tapete spuckt. | |
Die neumodische Zucchini hasst wiederum unsere Kartoffel von ganzem Herzen, | |
und die Endivie will vom eingeschnappten Sellerie nichts wissen. Ein | |
Karussell des Pflanzenhasses ohne Aussicht auf Versöhnung. Der Hass auf | |
andere wurzelt nämlich in einem tiefsitzenden Selbsthass der verwickelten | |
Pflanzen. Und wer sich selbst hasst, kann fremde Pflanzen nicht lieben. | |
So berichtet der alte „Kärtnerische Calender“ abgestoßen von den „sich | |
selbst hassenden Pflanzen“, die partout nicht auf einem Boden wachsen | |
wollen, auf dem Ihresgleichen gewurzelt haben. „Erbsen, Klee, Leim und | |
Weizen stehen (im Selbsthass) obenan.“ Selbst „Kartoffeln lassen sich nicht | |
ganz von der Schuld freisprechen“, schimpft der Kärtner. | |
## Feindseligste Pflanzen | |
Besonders nachtragend ist die Erbse, man sagt, sie wolle nicht vor dem | |
neunten Jahre auf demselben Boden wiederkommen. Andere Pflanzen hassen sich | |
nur drei bis sechs Jahre. Und wer benennt die feindseligsten Pflanzen im | |
ganzen Land? Das gute alte „Realienbuch“ von 1921: „Die unverschämtesten | |
Burschen aber sind Klappertopf und Augentrost. Bohren sie doch ihre | |
Saugwurzeln in die Wurzeln der Kornhalme und saugen sie aus!“ | |
Ja, die Pflanzenwelt ist eine Natternhöhle. Wie formulierte es Professor | |
Nijo aus Antwerpen nach seinen Versuchen, das weiche Wollgras mit anderen | |
Pflanzen zu vergesellschaften? „Tatsächlich war es eine Frage von Leben und | |
Tod, welches das Wollgras hatte.“ Es wollte leben und biss nicht ins Gras. | |
Wie schwer ist doch das Überleben in einer Welt, in der sich noch nicht mal | |
die Pflanzen untereinander grün sind! | |
17 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Kriki | |
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