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# taz.de -- Die Wahrheit: Stopp dem Schwapp!
> Die Entschleunis kommen! Die Resonanz-Katastrophe des getragenen Kaffees
> und das faszinierende neue Mittel gegen das Überschwappen.
Bild: Samt Deckel werden die Becher nach dem Überschwappen achtlos in die Land…
Warum das koffeinhaltige Heißgetränk unter dem Signet „to go“ aus einem
Becher mit einem Deckel getrunken wird, wissen die wenigsten. Besagter
Deckel ist nämlich nicht etwa dazu da, den Kaffee heiß zu halten, sondern
ihn im Becher zu halten. Denn frisch eingeschenkter Kaffee ist immer
brühheiß und überhaupt nicht trinkbar. Das weiß jeder, und jeder verbrennt
sich doch jedes Mal wieder den Mund.
Doch schlimmer als der Verbrühfaktor ist der Schwappfaktor. Den lernt
derjenige rasch kennen, der den Kaffee ungedeckelt davonträgt: Der Körper
des Kaffeetrinkers schwingt nämlich im Rhythmus seiner Beine. Die
Schwingungsfrequenz beträgt dabei zwischen 2,6 und 4,3 Hertz. Das
entspricht etwa ein bis drei Überschwapp im höheren Besudelbereich. Denn
der heiße Kaffee schwingt immer mit und schaukelt sich mit jedem Schritt
höher und schwappt schließlich über. Das nennt der Physiker
„Resonanz-Katastrophe“ und der besudelte Laie dämliches
Kack-Mist-Kaffee-Überschwappen. Mithin ist der Plastikdeckel in erster
Linie Sudelschutz und dient nur nebenbei der Wärmedämmung.
Menschlich verständlich und pfiffig für den Verbraucher ist das alles, aber
leider auch mit hohem Sudelfaktor auf Kosten der Umwelt erkauft. 1,3
Milliarden Einwegbecher zählte das Umweltbundesamt jüngst in Deutschland,
die Verbraucherzentrale sah sogar gleich 6,4 Milliarden Becher im Müll und
am Wegesrand. Entsprechend viele Deckel flogen in die Umwelt. Darüber macht
sich die hektische Laufkundschaft der Kaffeetrinker wohl weniger Gedanken
als über die seltsame dreieckige Nasenmulde im Deckel.
## Schwappschutz fürs Klima
Doch es gibt Hoffnung, denn immer mehr Kaffee-Afficionados singen die
Becherhymne: „Jeder Zecher trinkt aus dem mitgebrachten Becher!“ Allerdings
reicht das noch nicht, der beste Schwappschutz für Klima und Umwelt heißt
Entschleunigung. Denn wer nicht herumläuft beim Trinken, braucht keinen
Deckel auf seiner Tasse und muss sich keine Gedanken über die Entsorgung
der Wegwerfbecher machen. Und so hat sich jetzt in den hippen Vierteln
unserer neumodischen Großstädte eine ganz besondere Spezies herausgebildet:
Die Entschleunis kommen!
Entschleunis sind faszinierende junge Menschen, die sich am wöchentlichen
Black Coffee Friday zu entspannten Demonstrationen in stationären
Kaffeehäusern zusammenfinden. Man glaubt es kaum, aber dort wird
verblüffenderweise im Sitzen (!) Kaffee getrunken, den ein leibhaftiger
Mensch persönlich mit ruhiger Miene an den unbewegten Tisch bringt. Die
Demonstranten schlagen demonstrativ die Beine übereinander und lehnen sich
ostentativ zurück. Jeder Anschein der Gehetztheit wird sorgfältig
vermieden, hektische Bewegungen und nervende Klingeltöne sind in diesen
stillen Kreisen verpönt.
Ganz selbstverständlich wird dort Kaffee zum Hiertrinken bestellt, und
Entschleunis benutzen tatsächlich die ausgewiesenen Toiletten, anstatt
hastig in Hauseingänge zu pinkeln. Auch gilt es in den unglaublich ruhigen
Kaffeehäusern als stille Übereinkunft, leise in geheimnisvoll knisternden
Zeitschriften zu blättern. Man tippt nicht etwa angeberisch auf Displays
ein, sondern pflegt entweder ein gutes Gespräch oder schweigt besser noch
entspannt.
Bezahlt wird dort nicht etwa mit dem schnöden iPhone, sondern mit ehrlich
klimpernden Bargeld, das den Entschleunigten bekanntlich lacht. Und das
Beste: Vor Verbrühungen muss sich niemand in den entschleunigten
Kaffeekaschemmen fürchten, so langsam, wie das tiefenentspannte Personal
die Getränke an den Tisch bringt! Denn sie haben noch alle Tassen im
Schrank.
19 Jun 2019
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Coffee to go
Kaffeebecher
Cafés
Namen
Garten
Hass
Justiz
Fett
Gehirn
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