| # taz.de -- Prozess wegen G20-Jahrestag: Von der Park- auf die Anklagebank | |
| > Am zweiten Jahrestag des G20-Gipfels in Hamburg sind drei Menschen mit | |
| > Brandsätzen festgenommen worden. Nun wird ihnen der Prozess gemacht. | |
| Bild: Vor Prozessbeginn demonstrierten Unterstützer*innen am Untersuchungsgef�… | |
| Hamburg taz | Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch, der Andrang ist groß. | |
| Zu dem Gerichtssaal, in dem der Prozess gegen die „Drei von der Parkbank“ | |
| am Mittwoch in Hamburg begonnen hat, gelangt man als Zuschauer*in nur durch | |
| den Sicherheitseingang des Strafjustizgebäudes. Die zahlreich erschienenen | |
| Unterstützer*innen der Angeklagten müssen ihre Schuhe und Gürtel ausziehen | |
| und Taschen abgeben. Im Saal trennt eine Glasscheibe Zuschauer*innen und | |
| Angeklagte. | |
| Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten die [1][Verabredung zu | |
| gemeinschaftlicher Brandstiftung] in drei Fällen und schwere Brandstiftung | |
| in einem Fall vor. Die beiden männlichen Angeklagten Felix R. und Ingmar S. | |
| sitzen seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft, die dritte Person, | |
| eine junge Frau, ist unter Auflagen frei. Eine vierte, unbekannte Person | |
| verdächtigen die Ermittler*innen, in die Pläne involviert gewesen zu sein. | |
| Von dieser Person fehlt offenbar aber jede Spur. | |
| Laut der Generalstaatsanwaltschaft, die das Verfahren an sich gezogen hat, | |
| soll sich das Trio am zweiten Jahrestag des G20-Gipfels, also in der Nacht | |
| vom 7. auf den 8. Juli 2019, gegen Mitternacht [2][in einem Park in | |
| Hamburg-Eimsbüttel getroffen] und auf die vierte Person gewartet haben, um | |
| von dort aus zu den vier mutmaßlichen Zielen der Brandanschläge | |
| aufzubrechen. Diese stehen alle in Verbindung mit der Hamburger | |
| Wohnungspolitik und Immobilienbranche: das Wohnhaus der | |
| Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeld (SPD), ein Maklerbüro der | |
| Immobilienfirma Grossmann & Berger, ein Geschäftsraum des Wohnungskonzerns | |
| Vonovia und ein Auto desselben Konzerns. Diese Adressen sollen auf einem | |
| Zettel gestanden haben, den einer der Angeklagten bei sich trug. | |
| Zum Brand kam es jedoch nicht. Nach einer halben Stunde, in der die drei | |
| auf einer Parkbank saßen und nichts passierte, nahmen fünf | |
| Zivilpolizist*innen das Trio fest. Die Fahnder fanden laut Aussage der | |
| Staatsanwaltschaft bei allen Wechselbekleidung und Feuerzeuge, aber keine | |
| Zigaretten. Einer der Festgenommenen, Felix R., soll vier Brandsätze in | |
| einer Reisetasche dabei gehabt haben. | |
| ## Angeblich auffälliges Verhalten | |
| Wie die Polizei darauf gekommen war, das Trio zu kontrollieren, war | |
| zunächst nicht ganz klar gewesen. Die drei hätten sich auffällig verhalten, | |
| hatte es in der offiziellen Sprachregelung der Polizei geheißen. Da das | |
| aber sehr unwahrscheinlich ist – wie auffällig verhält man sich wohl nachts | |
| in einem Park, wenn man Brandsätze dabei hat? Und wie wahrscheinlich ist | |
| es, dass dann gerade fünf Polizist*innen vorbei schlendern? – war es | |
| schnell ein offenes Geheimnis, dass die drei, oder einer oder zwei von | |
| ihnen, im Vorfeld des zweiten G20-Jahrestags observiert worden waren. Auf | |
| taz-Anfragen weigerten sich aber sowohl die Polizei als auch die | |
| Innenbehörde, das zuzugeben. | |
| Mit Verlesung der Anklage ist es nun nicht mehr zu leugnen. Detailliert | |
| beschreibt der Oberstaatsanwalt den Tagesverlauf des Beschuldigten R.: Er | |
| habe Brandstoff für drei Brandsätze beschafft und Halbliter-PET-Flaschen | |
| mit einer Lunte, Kabelbindern und Streichhölzern versehen. Dann sei er mit | |
| dem Fahrrad zur nächsten Shell-Tankstelle gefahren, wo er einen Kanister | |
| mit Benzin befüllte. Anschließend soll er zu einer Kleingartensiedlung | |
| geradelt sein, wo er den Inhalt des Kanisters in eine PET-Flasche umfüllte. | |
| Dann soll er zurück zur Wohnung gekehrt sein, die er später zusammen mit S. | |
| Richtung der Grünanlage verließ. | |
| ## Angeklagten drohen Haftstrafen | |
| Für die Angeklagten sieht es nicht besonders gut aus – das erwartete | |
| Strafmaß liegt laut Staatsanwaltschaft bei mindestens einem und höchstens | |
| 15 Jahren Haft. Zugute kommen könnte den Angeklagten, dass sie nicht | |
| vorbestraft sind. Die insgesamt sechs Anwält*innen der Betroffenen halten | |
| sich derweil bedeckt und äußern sich nicht gegenüber der Presse. Ob sie zu | |
| sechst bleiben, ist noch nicht ausgemacht. | |
| Weil das Verfahren so umfangreich wird – 28 Termine sind bis April | |
| angesetzt, danach können weitere folgen – hatte die Verteidigung beantragt, | |
| jedem Angeklagten eine*n zweiten Verteidiger*in zur Seite zu stellen. Die | |
| Richterin hatte zugestimmt. Der Generalstaatsanwaltschaft passt das aber | |
| nicht, sie hat Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. | |
| Der nächste Termin soll am 16. Januar stattfinden. Die linke Szene | |
| Deutschlands überhäuft die „Drei von der Parkbank“ derweil mit | |
| [3][Solidaritätsbekundungen]. Am Vorabend des Prozesses waren 400 Personen | |
| zur Untersuchungshaftanstalt gezogen. Ein Lautsprecherwagen spielte „[4][We | |
| are your friends]“, Gefangene standen an den Fenstern, einer tanzte. „Vom | |
| Prozess versprechen wir uns nicht viel“, sagte eine Rednerin an die zwei | |
| Inhaftierten von der Parkbank addressiert. „Aber wir freuen uns, dass wir | |
| jetzt 28 Tage zusammen verbringen können.“ | |
| 8 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Festnahme-am-G20-Jahrestag-in-Hamburg/!5640463 | |
| [2] /Razzia-in-Hamburger-Hausprojekt/!5630205 | |
| [3] https://parkbanksolidarity.blackblogs.org/ | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=nr90nbqxuZk | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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