| # taz.de -- Gemeinfreiheit und Urheberschaft: Vergessene Schöpfung | |
| > Am Anfang jeden Jahres werden die Werke längst verstorbener Autor*innen | |
| > und Künstler*innen gemeinfrei. Viele von ihnen sind längst vergessen. | |
| Bild: Nicht vergessen, aber seit 1. Januar gemeinfrei: Urheberrechtsexperte Ric… | |
| 70 Jahre dauert es nach dem Tod einer Urheberin, bis ihr Werk ohne Gebühren | |
| kopiert, aufgeführt oder anderweitig verwertet werden darf. Für die | |
| Nachkommen besonders großer oder erfolgreicher Geister ist das eine sieben | |
| Jahrzehnte lang funktionierende Gelddruckmaschine. Die weniger bekannten | |
| Urheber*innen hingegen stürzt dasselbe System oft in die Obskurität. | |
| Welcher Verlag und welches Theater verhandelt schon mühevoll mit | |
| irgendwelchen Nachkommen, um die Kunst halb- bis ganz vergessener Toter der | |
| Öffentlichkeit zugänglich zu machen. | |
| Zu den wenigen tiefer ins Kulturgedächtnis eingegrabenen Autor*innen, die | |
| ab diesem Jahr gemeinfrei sind, gehört der Schriftsteller Klaus Mann. Der | |
| Sohn Thomas Manns war nach dem Krieg angewidert von der Verdrängung der | |
| Schuld für Zerstörung und Massenmord in Deutschland nicht heimisch geworden | |
| und setzte seinem Leben in Cannes ein Ende. | |
| Im Westen Deutschlands musste man noch bis Mitte der 1980er Jahre auf eine | |
| Ausgabe seines bekanntesten Werkes warten. „Mephisto“ war verboten, nicht | |
| aus Urheberrechtsgründen, sondern zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des | |
| darin nur wenig verschleiert dargestellten Schauspielers Gustav Gründgens. | |
| Dessen Kollaboration mit den Nazis war halt Privatsache. | |
| „Kollaboration“ heißt auch ein Stück des britischen Dramatikers Ronald | |
| Harwood. Darin wird der Disput zwischen dem Schriftsteller Stefan Zweig und | |
| dem Komponisten Richard Strauss referiert. Auch dabei ging es um die Nazis. | |
| Strauss, der wie Mann 1949 gestorben ist, hatte sich mit denen arrangiert, | |
| bisweilen aber jüdische Kolleg*innen in Schutz genommen – nicht aus | |
| Menschenfreundlichkeit, sondern wegen ihrer schöpferischen Leistungen. Die | |
| auf Betreiben des Komponisten 1933 gegründete Vorgängerorganisation der | |
| GEMA überwies jedoch keine Tantiemen an Juden und Jüdinnen. | |
| Strauss’ Ruf schadete seine Ambivalenz zur Nazizeit kaum, weder vor noch | |
| nach dem Kriegsende. Noch zu Lebzeiten wurde der greise Musiker, der | |
| zunächst wegen seiner hohen Stellung als Hauptschuldiger des Naziregimes | |
| kategorisiert war, rehabilitiert. Zu seinem Erbe gehört neben den nun | |
| gemeinfreien Kompositionen auch die unsägliche buchhalterische Trennung von | |
| E- und U-Musik. | |
| 2 Jan 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniél Kretschmar | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Urheberrecht | |
| Literatur | |
| Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg | |
| Antisemitismus | |
| Simone de Beauvoir | |
| Schwerpunkt Urheberrecht | |
| zeitgenössische Kunst | |
| Geburtstag | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tristan Garcias Roman „Das Siebte“: Das erste Leben ist das beste | |
| Der französische Philosoph und Autor betrachtet die praktischen Folgen der | |
| Unsterblichkeit. Und stellt ein interessantes Gedankenexperiment an. | |
| Musik und Digitalisierung: Wer kassiert für die Musik? | |
| Beim Berliner Diskurs-Festival „Right the Right“ im Haus der Kulturen der | |
| Welt ging es in Panels, Vorträgen und Konzerten um das Thema Urheberrecht. | |
| Daten in Musik übersetzt: Der Sound der Überwachung | |
| Jasmine Guffond bringt Datenströme zum Klingen. Die australische | |
| Soundkünstlerin tritt in Berlin mit Arbeiten zum Thema Urheberrecht auf. | |
| „Happy Birthday“-Song wird kostenlos: Ein Klassiker zum Nulltarif | |
| Jahrelang gab es Streit um die „Happy Birthday“-Lizenz. Jetzt wird das Lied | |
| gemeinfrei. Dabei gibt es mittlerweile einige Alternativen. |