# taz.de -- Serie: Was macht eigentlich …?: Der Taxisoziallotse | |
> Klaus Meier ist einer von tausend Erwerbslosen, die vom Solidarischen | |
> Grundeinkommen des Senats profitieren. Den neuen Job hat er selbst | |
> kreiert. | |
Bild: Soziallotse Klaus Meier am Taxistand in der Canovastrasse | |
BERLIN taz | Im Sommer startete der Senat ein Berliner Sonderprojekt: Das | |
Solidarische Grundeinkommen (SGE) will Erwerbslosen eine Stelle im | |
öffentlichen Dienst oder bei einem freien Träger finanzieren. | |
Fahrgasthelfer*in oder Quartiersläufer*in zum Beispiel. Im Gegensatz zu | |
ähnlichen Ideen aus der Vergangenheit versprach der Senat allen, die nach | |
fünf Jahren nicht in eine reguläre Stelle oder in eine andere Förderung | |
übernommen werden können, eine Stelle in einer Senatsverwaltung anzubieten. | |
Das vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) angeregte Vorhaben | |
wurde breit kritisiert. Zum einen wegen des irreführenden Namens. Es | |
handelt sich bei dem Programm nicht um ein Grundeinkommen, sondern um | |
Bezahlung für geleistete Arbeit. Das SGE ist daher eher eine | |
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Außerdem sei es wegen des geringen Budgets ein | |
Tropfen auf den heißen Stein, sagt zum Beispiel Armutsforscher Christoph | |
Butterwegge. | |
Für Klaus Meier hat der Tropfen gereicht. [1][Er fasste im Sommer einen | |
Plan]: Meier wollte das SGE nutzen, um die eigens von ihm kreierte Position | |
als „Taxisoziallotse“ zu finanzieren. Ein Beruf, den es seiner Meinung nach | |
unbedingt geben sollte: Schließlich werden immer mehr Taxifahrer | |
ausgebeutet, und viele Taxiunternehmen gehen pleite. Meier findet: Sie | |
brauchen nicht nur gewerkschaftliche Hilfe, sondern auch eine Alternative | |
zu diesem aus seiner Sicht aussterbenden Gewerbe. Eine Art | |
„Aussteigerprogramm für Taxifahrer“ also. Viele ehemalige Fahrer bräuchten | |
Unterstützung dabei, sich durch das verwirrende Sozialsystem zu arbeiten | |
und das zu bekommen, was ihnen an Leistungen zusteht. | |
Das Sozialsystem kennt Meier mittlerweile ziemlich gut. Er war selbst zwei | |
Jahre lang erwerbslos. Wenn man mit ihm spricht, sollte man ein Gesetzbuch | |
zur Hand haben, so viele Artikel und Paragrafen lässt er nebenbei fallen. | |
Vor seiner Erwerbslosigkeit war er lange Jahre Taxifahrer, er kennt also | |
auch den Alltag der Kollegen. 2017 musste er wegen einer Krankheit | |
aufhören, in dem Beruf zu arbeiten. | |
## „Völlig neue Kiste“ | |
Für sein Vorhaben grub sich Meier durch die gesetzlichen Bestimmungen und | |
die Anforderungen für das SGE. Bis er verstand, wo die „Schnittstellen“, | |
wie er es nennt, zwischen seinem Vorhaben und dem SGE liegen. Er fand | |
schließlich einen Träger, der sein Interesse an einem Taxisoziallotsen der | |
Senatsverwaltung gegenüber mitteilte. Interessenbekundungsverfahren hieß | |
dieser verwaltungsmäßige Vorgang. Im Oktober wartete Meier auf einen | |
Bescheid, ob die Stelle gefördert wird oder nicht (taz berichtete). | |
Mittlerweile ist klar: Meiers Plan ging auf: Er bekam Ende Oktober den | |
Bescheid, dass seine Stelle gefördert werde. Jetzt arbeitet er seit bald | |
zwei Monaten beim Berliner Arbeitslosenzentrum (BALZ). Das BALZ berät | |
Erwerbslose und Geringverdienende und setzt sich für ihre Rechte ein. Im | |
Moment hospitiert Meier bei den Berater*innen, hört und schaut ihnen | |
bei der Arbeit zu. Aus dem Gelernten stellt er dann sein eigenes | |
Beratungsangebot für Taxifahrer zusammen. | |
„Das wird eine völlig neue Kiste“, sagt Meier. Ihm schwebt ein mobiles | |
Beratungsangebot vor: An Taxiständen zum Beispiel möchte er die | |
Fahrer*innen abfangen und auf seine Dienste aufmerksam machen. Daran | |
sind, so Meier, die Gewerkschaften in den letzten Jahren gescheitert. Die | |
Fahrer*innen verbringen den ganzen Tag alleine in ihren Autos und haben | |
kaum Gelegenheit, sich zu vernetzen, hat er beobachtet. Außerdem fühlten | |
sich viele wie kleine Unternehmer, obwohl sie nach Strich und Faden | |
ausgebeutet würden, berichtet er. Deswegen fühlen sie sich von den | |
Gewerkschaften nicht angesprochen. | |
## Helfer durchs Dickicht im Sozialsystem | |
Meier hat ein sehr beschränktes sozialpolitisches Instrument für seine | |
eigenen Visionen und Ideen nutzen können. Und multipliziert den Effekt des | |
SGE: Es hilft nicht nur ihm, sondern auch allen Taxifahrer*innen, die | |
sich durch seine Hilfe emanzipatorischer durch das Sozialsystem bewegen. | |
Dennoch: Abgesehen von dem kleinen Budget, das jetzt schon für die nächsten | |
fünf Jahre aufgebraucht ist, sind es die vielen bürokratischen Hürden des | |
SGE, die es den meisten Menschen unmöglich machen, es so eigenwillig zu | |
nutzen, wie Meier es tut. | |
„Es ist ein unglaublich großer bürokratischer Aufwand“, sagt Meier heute | |
über den Antragsprozess, „man muss sich wirklich gut auskennen mit dem | |
Sozialsystem, man muss wissen, wie solche Anträge verfasst sein sollten.“ | |
Die Sozialverwaltung veröffentlichte inzwischen eine Liste der freien | |
Träger, die vom SGE-Fördertopf profitieren. Darunter sind neben der BVG und | |
der AWO viele Kindertagesstätten und einige Kirchengemeinden sowie | |
Stadtteilhäuser. 1.000 geförderte Stellen von 113 Arbeitgeber*innen | |
sind es insgesamt, die an dem Förderprogramm teilnehmen können. Das ist | |
weniger als die Hälfte der Arbeitgeber*innen, die ursprünglich am | |
Interessenbekundungsverfahren teilgenommen hatten. | |
Die Nachfrage ist deutlich höher, als der Fördertopf groß ist. Die | |
Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) teilte | |
mit, dass Mitte Dezember bereits 48 Arbeitsverhältnisse im SGE bestehen. | |
Sie schreibt außerdem: „Das Pilotprojekt SGE kann aus Sicht der SenIAS | |
sowohl national als auch international Impulse für die weitere Entwicklung | |
von Instrumenten der Beschäftigungspolitik geben.“ | |
Bisher gibt es aber noch keine Nachahmer in anderen Bundesländern. Eine | |
erste wissenschaftliche Auswertung des SGE wird es 2022 geben. Dann wird | |
auch klar, ob das SGE nach den dann abgelaufenen fünf Jahren verlängert | |
wird. | |
27 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anina Ritscher | |
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