# taz.de -- Ermittlungen wegen Ibiza-Video: Keine Anklage gegen Journalisten | |
> Von der Pressefreiheit gedeckt: Die Staatsanwaltschaft stellt | |
> Ermittlungen wegen der Veröffentlichung der Videos ein, die Österreichs | |
> Regierung kippten. | |
Bild: Durfte von „Spiegel“ und „SZ“ gezeigt werden: das Ibiza-Video mit… | |
FREIBURG taz | Die Staatsanwaltschaft München hat das Ermittlungsverfahren | |
wegen Veröffentlichung des so genannten Ibiza-Videos eingestellt. Die | |
Ermittlungen liefen gegen zwei Chefredakteure und drei weitere Journalisten | |
der Süddeutschen Zeitung. Diese hätten sich nicht strafbar gemacht, so die | |
Staatsanwaltschaft. | |
Das [1][Ibiza-Video] zeigte, wie die FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache | |
und Johann Gudenus sich im Vorfeld der österreichischen Parlamentswahl 2017 | |
in einer Villa auf Ibiza mit einer vermeintlichen russischen | |
Oligarchen-Nichte über mögliche Deals unterhalten. Wenn die Frau ihnen | |
finanziell im Wahlkampf helfe, wollten ihr die FPÖ-Politiker im Falle einer | |
Regierungsbeteiligung lukrative Aufträge zuschanzen. | |
Die Aufnahmen der skandalösen Gespräche wurden erst im Mai 2019 | |
auszugsweise veröffentlicht, unter anderem von der Süddeutschen Zeitung. | |
Sie führten schnell zum [2][Zerbrechen der österreichischen | |
ÖVP/FPÖ-Regierung]. Strache trat als FPÖ-Vorsitzender zurück, seine | |
Mitgliedschaft ist suspendiert. | |
Gegen die Veröffentlichung des Videos gingen bei der Staatsanwaltschaft | |
München I insgesamt acht [3][Strafanzeigen] ein, wobei eine von | |
Heinz-Christian Strache selbst stammte. Die Staatsanwaltschaft hat die | |
Anzeigen vor allem rechtlich geprüft. | |
## „Verletzung des hchstpersönlchen Lebensbereichs“? | |
In Betracht kam für die Staatsanwälte zum einen eine Strafbarkeit wegen | |
„Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“. | |
Dieser Paragraph 201a war 2004 als Spanner-Paragraph ins Strafgesetzbuch | |
eingeführt worden. Er stellt unter anderm das Anfertigen oder | |
Zugänglichmachen von Bildaufnahmen einer Person unter Strafe, wenn diese | |
sich in einer „Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten | |
Raum“ befindet. | |
Das gleiche gilt seit 2015 für das Zugänglichmachen von Bildaufnahmen, die | |
geeignet sind, „dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden“. | |
Es drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren. | |
Allerdings gibt es in Paragraph 201a eine ausdrückliche Ausnahme für die | |
„Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens“. Dann überwiegen | |
„berechtigte Interessen“. Diese Ausnahme ist nach Prüfung der Staatsanwäl… | |
anzuwenden, weil nicht die gesamten mehrstündigen Videoaufnahmen | |
veröffentlicht wurden, bei denen auch über Privates gesprochen wurde. Die | |
SZ veröffentlichte nur eine Zusammenstellung von wenigen Minuten, bei denen | |
ausschließlich über österreichische Innenpolitik verhandelt wurde. | |
Als zweite Strafnorm wurde die „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ | |
geprüft. Danach ist das „unbefugte“ Aufnehmen der nicht-öffentlich | |
gesprochenen Worte eines anderen strafbar, ebenso die Weitergabe einer | |
solchen Aufnahme an Dritte. Es drohen laut Paragraph 201 Strafgesetzbuch | |
Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Dieses strafrechtliche | |
Verbot besteht bereits seit 1967. | |
## Pressefreiheit deckt Zugänglichmachtung der Aufnahmen | |
Die Staatsanwaltschaft kam nun aber zum Schluss, dass die Zugänglichmachung | |
der Ibiza-Tonaufnahmen nicht unbefugt erfolgte, sondern von der | |
Pressefreiheit gedeckt war. In diesem Einzelfall überwog laut | |
Staatsanwaltschaft das „überragende Interesse an der Berichterstattung über | |
die thematisierten Missstände von erheblichem Gewicht“ die Interessen von | |
Strache und den anderen abgehörten Personen. | |
Ob schon die Anfertigung der Tonaufnahmen zulässig war, musste die | |
Staatsanwaltschaft nicht prüfen, weil die SZ-Journalisten damit nichts zu | |
tun hatten. Auch hier käme es darauf an, ob es sich „unbefugte“ Aufnahmen | |
handelt. | |
Die Hamburger Staatsanwaltschaften hatte die Veröffentlichung des Videos | |
durch den Spiegel schon im August als straflos eingestuft. Damals wurde die | |
Öffentlichkeit aber nicht informiert. Die Hamburger Entscheidung war erst | |
im Oktober aus österreichischen Ermittlungsakten bekannt geworden. | |
6 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=Px50vJqZtQo | |
[2] /FPOe-Minister-treten-zurueck/!5597258 | |
[3] /Nach-Veroeffentlichung-von-Ibiza-Video/!5600984 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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