| # taz.de -- CDU und Rechte in Sachsen-Anhalt: Nach rechts gekippt | |
| > Die Affäre Möritz zeigt: Der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt ist der | |
| > Bundespartei entglitten. Wie der gesamte Osten. | |
| Bild: Hakenkreuze gehen nicht, heißt es aus der CDU-Zentrale. Sonnen gehen off… | |
| Man muss die CDU nicht mögen und nicht wählen. Aber dass diese Partei zur | |
| unsicheren Variabel der parlamentarischen Demokratie wird, sollte man ihr | |
| und dem Land nicht wünschen. Wenn die CDU nicht mehr weiß, wofür sie steht | |
| – und wofür ausdrücklich nicht -, gerät die politische Tektonik ins Wanken. | |
| Eine CDU-Führung, die sich nicht klar gegen rechts abgrenzt, kann nach | |
| Hause gehen. Sie wird nicht mehr gebraucht, um die Mitte der Gesellschaft | |
| zu repräsentieren. | |
| Als Anfang dieser Woche der Streit um einen bestens vernetzten | |
| Rechtsausleger im [1][Landesverband Sachsen-Anhalt] hochkochte, meinte man | |
| noch, das sei eine klare Sache. Spätestens am Montagmittag würde sich der | |
| Generalsekretär an die Öffentlichkeit wenden und erklären, was die CDU mit | |
| Nazis zu schaffen hat: Nichts. Kürzlich hatte Annegret Kramp-Karrenbauer ja | |
| beim Parteitag an den ermordeten Parteifreund Walter Lübcke erinnert und | |
| über die Rechten gesagt: „Das sind die Brandstifter, und wir dürfen nie die | |
| Biedermänner sein, die ihnen auch noch die Streichhölzer geben.“ | |
| Am Ende dieser Woche steht zu befürchten, dass Teile der CDU nicht nur die | |
| Streichhölzer weiterreichen. [2][Robert Möritz] musste erst selbst | |
| austreten – seine Parteifreunde hätten ihm eine „zweite Chance“ eingerä… | |
| Soweit ist es gekommen bei der CDU. Die Kreis- und Landesverbände können | |
| das, weil die Führung dieser Partei zwar dauernd mit großer Geste beteuert, | |
| so was von gegen Nazis zu sein. | |
| „Ohne Wenn und Aber: Hakenkreuze gehen gar nicht“, hat | |
| CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff gesagt, als verstehe sich das nicht | |
| von selbst. Und Annegret Kramp-Karrenbauer beteuerte: „Wir gehen gegen jede | |
| Form von Rechtsextremismus entschlossen und kompromisslos vor.“ Wie, sagte | |
| sie nicht. Floskeln dieser Art sind folgenlos für Parteifreund [3][Möritz | |
| und seine Getreuen]. Es sind Wortstanzen, die Faschismus zur Privatmeinung | |
| verzwergen und praktizierten Extremismus zur akzeptierten Vereinstätigkeit. | |
| Der Landesverband Sachsen-Anhalt ist der Bundespartei entglitten. Wie | |
| eigentlich der ganze Osten. Im Konrad-Adenauer-Haus kann man nichts dafür, | |
| wenn in Sachsen-Anhalt der Landesparteitag beschließt, die CDU sei | |
| unterhalb einer Koalition bereit für eine Zusammenarbeit mit der AfD. Wenn | |
| zwei Vizefraktionschefs eine „Denkschrift“ veröffentlichen, in der es | |
| heißt: „Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu | |
| versöhnen.“ Aber die Bundespartei muss entschlossen Haltung zeigen und darf | |
| sich nicht aus Angst vor dem Koalitionsbruch wegducken. | |
| Der ganze Vorgang illustriert, wie zerfasert die Verbindung der Bundes-CDU | |
| in den Osten ist. Wer in dieser Partei unterwegs ist, trifft häufig auf | |
| Augenrollen und Ratlosigkeit, wenn es um Brandenburg, Sachsen, | |
| Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen oder Sachsen-Anhalt geht. Allein das | |
| Saarland hat dreimal mehr CDU-Mitglieder als Brandenburg – so muss man sich | |
| auch die Kräfteverhältnisse und Interessenlagen in der Partei vorstellen. | |
| Dreißig Jahre hat man die kleinen Landesverbände mitgetragen. Sie haben | |
| sich tragen lassen. In die Verantwortung kamen ihre Vertreter nie, sieht | |
| man einmal von der Ostdeutschen Merkel ab. Aber die Ost-CDU richtete sich | |
| in ihrer Zweitklassigkeit ein und freute sich über Westbesuch, der | |
| pünktlich zu den Landtagswahlen einschwebte. Und wenn so ein | |
| Mini-Landesverband wie in Sachsen-Anhalt demokratiefeindliches Zeug | |
| beschloss, wurde irgendwas von breit aufgestellter Volkspartei erzählt. | |
| Dieses Machtprinzip kommt nun an sein Ende. CDU-ler zu sein bedeutet seit | |
| dem Erstarken der AfD nicht länger, automatisch bei den politischen | |
| Gewinnern zu sein. Parteifreunde, die in diesen politisch unübersichtlichen | |
| Zeiten nach rechts kippen, müssen wieder auf die Werte der Partei | |
| verpflichtet werden. Das ist jetzt Aufgabe der ganzen Partei, vor allem | |
| ihrer Führung. Es wäre ein Dienst am ganzen Land. | |
| 20 Dec 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Moeritz-Skandal-in-Sachsen-Anhalt/!5646311 | |
| [2] /Parteiausstieg-von-Robert-Moeritz/!5651895 | |
| [3] /Koalitionskrise-in-Sachsen-Anhalt/!5650697 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
| ## TAGS | |
| CDU | |
| Sachsen-Anhalt | |
| Schwerpunkt Ostdeutschland | |
| Bauernfrühstück | |
| Rechtsradikalismus | |
| Schwerpunkt Neonazis | |
| Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk | |
| Schwerpunkt Neonazis | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| 2020 bringt noch ein Ost-West-Jubiläum: Wessis, es geht wieder los | |
| Sie haben dieses Jahr genug über den Osten gehört? Ich muss sie | |
| enttäuschen, 2020 rollen wir das alles nochmal auf. Zum Glück! | |
| Rassistische Gewalt gegen Kinder: Völlig enthemmt | |
| Jeden zweiten Tag wird in Deutschland ein Kind rassistisch angegriffen. | |
| Beratungsstellen gegen rechts sind entsetzt – aber nicht überrascht. | |
| Parteiausstieg von Robert Möritz: Er will keine zweite Chance | |
| Die CDU in Sachsen-Anhalt wollte Robert Möritz die Möglichkeit geben, seine | |
| rechte Vergangenheit hinter sich zu lassen. Nun ist er ausgetreten. | |
| Uniter-Mitgliedschaft von Robert Möritz: Ein obskurer Verein | |
| Wegen eines CDUlers in Sachsen-Anhalt ist Uniter in die Schlagzeilen | |
| geraten. Was ist das für ein Verein? Und was haben Freimaurer damit zu tun? | |
| Nazi-Kontakte des CDU-Mannes Möritz: CDU bröckelt am rechten Rand | |
| In Sachsen-Anhalt geht der Streit um die rechte Vergangenheit des | |
| CDU-Politikers Robert Möritz weiter. Jetzt äußert sich erstmals die | |
| Bundespartei. |