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# taz.de -- Apokalyptische Visionen in Österreich: Das Untergangsgen der FPÖ
> In Österreich kann man in Echtzeit beobachten, wie sich eine ganze Partei
> zerlegt: Die rechte FPÖ. Ein unglaubliches Schauspiel in mehreren Akten.
Bild: Auch hier wohnt ein Spaltpilz – und es ist nicht die „21“
Wien taz | Kürzlich fand sich in der Zeit der Satz, in der SPD wirke etwas,
„worunter offenbar nur linke Parteien leiden“: ein fatales
Selbstzerstörungsgen. Dem muss hier widersprochen werden. Nicht in Bezug
auf die SPD. Sondern in Bezug auf die Ausschließlichkeit. So ein fatales
Selbstzerstörungsgen ist keineswegs der Sozialdemokratie vorbehalten. Wenn
es dazu eines Anschauungsmaterials bedarf, wende man den Blick nach
Österreich.
Hier kann man in Echtzeit beobachten, wie eine ganz rechte Partei sich
zerlegt. Die FPÖ: eine Vivisektion, eine Zergliederung am lebendigen Leib.
Ein unglaubliches Schauspiel. Eine Partei, die 2017 mit fast 26 Prozent der
Stimmen in die Regierung einzog. Die Vizekanzler und Innenminister stellte.
Und die Geschlossenheit als ihre oberste Maxime propagierte.
Und dann kam Ibiza. Die Mutter aller Videos. Wo man dem damals zukünftigen
österreichischen Vizekanzler zuschauen konnte, wie er im Ruderleiberl
einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte die Filetstücke der
Republik anbot. Dies aber hat die Partei keineswegs gespalten. Danach gab
es den geschlossenen Rücktritt der FPÖ-Fraktion.
Das fatale Selbstzerstörungsgen wurde erst später wirksam. Durch das, was
erst danach langsam, in täglich steigenden Dosen an die Öffentlichkeit kam.
Man könnte auch sagen: dass all diese Dinge überhaupt an die Öffentlichkeit
kamen, war bereits ein Symptom dieser Selbstzerstörung. Denn plötzlich
wurde publik, dass sein persönlicher Sicherheitsmann Strache jahrelang
bespitzelt und belastendes Material gesammelt hatte. Auch nicht gerade ein
Ausweis der vielbeschworenen Einheit. Und der Mann packte aus.
Er schilderte, wie der ehemalige Parteiobmann sich in der Parteikasse
bediente. Ein ganzes System von dem, was die verbliebene Partei später als
„Rechnungs-Waschmaschine“ bezeichnen wird. Private Ausgaben seien durch
fingierte Belege der Partei in Rechnung gestellt worden.
Die Nachrichten, wofür alles Spesen berechnet wurden, wurden von Tag zu Tag
wilder. Handtaschen, Mietzuschüsse für die Luxusvilla, Whirlpool-Reinigung,
Spielsucht (Strache soll nach dem Computerspiel „Clash of Clans“
(ausgerechnet!) süchtig sein und monatlich bis zu 3.000 Euro aus der
Parteikasse verspielt haben.). Erst da – und nicht etwa nach „Ibiza“ – …
das Wort „parteischädigend“ auf. Erst als es um die eigenen Parteifinanzen
und um herbe Wahlverluste in der Folge ging. Erst da wurde Strache von
seiner Partei zum Sündenbock erklärt.
Wie viel stimmt, müssen die Gerichte klären. Politisch ist die Klärung
längst erfolgt. Es ist fast unheimlich, dass jemand, der selbst so oft
Sündenböcke ausgemacht und denunziert hat, nun selbst einer wird. Auf
offener Bühne vollzog sich eine unglaubliche Verkehrung: [1][vom Subjekt,
das die Einheit der Partei garantiert hat,] zu jenem „Ding“, das aus der
Gruppe ausgeschieden werden muss, damit sie überlebt.
## „Pension Enzian“
Was aber liegt dieser immer wiederkehrenden Selbstzerstörung (die letzte
Spaltung war 2005) zugrunde? [2][Sinnbild dafür ist die „Pension Enzian“ in
Osttirol.] Diese hatte die FPÖ still und heimlich gekauft – als Rückzugsort
der Parteispitze für den Tag X – den Tag der Katastrophe, des Bürgerkriegs.
Vorsichtshalber wurden deshalb in der „Pension Enzian“ auch Goldbarren
gelagert. Das aber heißt nichts anderes als: Sie gehen ihren eigenen
Untergangsszenarien auf den Leim. Sie glauben selbst an ihre
apokalyptischen Visionen! Ein Glaube, der so weit geht, sich im Kauf einer
Pension zu materialisieren.
Wenn man aber denkt, das System steht nicht mehr lang; wenn man so
überzeugt davon ist, das alles gehe demnächst unter – dann funktionieren
keine moralischen Normen mehr. Der Glaube an den Untergang und die
moralische Enthemmung fallen zusammen. Daher rührt der Spaltpilz, den so
eine Partei in die Gesellschaft schleudert. Und der immer wieder als
Bumerang auf sie zurückfällt.
26 Dec 2019
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## AUTOREN
Isolde Charim
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