# taz.de -- Landkreisvertreter über Schulden: „Der Bund ist nicht zuständig… | |
> Finanzminister Scholz will die Kommunen entschulden. Er solle lieber Geld | |
> für Infrastruktur freigeben, sagt Hans-Günter Henneke. | |
Bild: Wohngebiet mit leerstehenden Schrottimmobilien im Gelsenkirchener Stadtte… | |
taz: Herr Henneke, Finanzminister Olaf Scholz plant, [1][rund 2.500 | |
Kommunen mit Bundesmitteln zu entschulden]. Sie sind dagegen. Warum? | |
Hans-Günter Henneke: Wir als Deutscher Landkreistag sind dafür, dass | |
Maßnahmen für gleichwertige Lebensverhältnisse auf der Grundlage eigener | |
Zuständigkeiten realisiert werden. Das bedeutet, der Bund muss Geld in die | |
Hand nehmen, etwa für den Breitbandausbau, zur Strukturförderung und für | |
ländliche Infrastrukturen. So hat es die vom Innenministerium federführend | |
betreute Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse in diesem Jahr | |
beschlossen, und genau das sollte jetzt umgesetzt werden. | |
Was ist dagegen zu sagen, dass Olaf Scholz klammen Kommunen helfen möchte? | |
Der Bundesfinanzminister hat im Kabinettsbeschluss vom 10. Juli | |
festgehalten, dass er für die von der Kommission beschlossenen Vorhaben | |
kein Geld gibt, sondern dass jedes Ressort Umschichtungen vornehmen soll. | |
Umso überraschender, dass Olaf Scholz scheinbar doch Geld hat, und zwar um | |
Kommunen zu entschulden. | |
Was sagen Sie Kommunen, die wegen Überschuldung Sportstätten schließen | |
müssen und Angebote für ihre Bürger einstampfen? | |
Es geht doch nicht um Neidkomplexe oder „warme Kinderjacken“. Es geht um | |
verschiedene Bedarfe. Es ist völlig abwegig, Bilder in die Welt zu setzen, | |
die suggerieren: hier die Reichen auf dem Lande und da die armen Städter, | |
die alle zehn Kilometer ein weltmeisterschaftstaugliches Fußballstadion | |
haben, aber unter ihrer Schuldenlast darben. Der Bund ist außerdem für die | |
Altschuldentilgung schlicht nicht zuständig. | |
In Städten und Regionen mit hohen Schulden leben laut Leipzigs | |
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) 10 Millionen Menschen. Soll der | |
Bund die hängen lassen? | |
Hängen gelassen haben die – vor allem westdeutschen – Kommunen die | |
jeweiligen Länder. Schauen Sie nach NRW, wo der langjährige Finanzminister | |
und heutige SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans die Kommunen in | |
Kassenkredite gestürzt hat, aber selbst keinen verfassungsgemäßen | |
Landeshaushalt zustande gebracht hat. Es kann nicht angehen, dass der eine | |
Kandidat für den SPD-Vorsitz die Kommunen in die Schulden getrieben hat | |
und der andere ihnen nun die Schulden erlassen möchte. | |
Sie sehen als Hintergrund dieses Themas also die Machtkämpfe innerhalb der | |
SPD? | |
Darüber steht mir kein Urteil zu. Aber es ist doch so: Es gibt zu diesem | |
Thema keine Verlautbarung der Bundesregierung. Sondern permanent Äußerungen | |
des Finanzministers. Jenes Ministers also, der alle anderen Ressorts kurz | |
hält – nun aber eigenes Geld in die Hand nehmen möchte. Das ist ein | |
Widerspruch. | |
Sie sprachen von Fußballstadien, ich nenne mal die geschlossenen | |
Schwimmbäder. Diese Not in den Kommunen ist doch real. | |
Die Schulden sind da, das bestreitet niemand. Sollen sie beseitigt werden? | |
Ja. Durch wen? Meine Antwort: Durch die Länder. Ich bin auch dafür, | |
Schwimmbäder zu unterhalten, aber in einem vernünftigen Ausmaß. Allerdings | |
darf das kein Totschlagargument sein. Es geht doch um die Grundversorgung | |
großer Landstriche – und dazu gehört das Schwimmbad nicht. Gleichwertigkeit | |
bedeutet, dass wir zuallererst in unsere Zukunft investieren, und das meint | |
Breitbandnetz, 5G, Wirtschaft, Verkehr und Bildung. Da müssen wir | |
priorisieren. | |
Die Gleichwertigkeitskommission ist beim Innenministerium angesiedelt, das | |
Geld beim Finanzministerium. Horst Seehofer und Olaf Scholz gehören | |
verschiedenen Parteien an. Ist das der eigentliche Kern der Debatte? | |
Ich möchte nicht parteipolitisch argumentieren. Aber wenn man abgleicht, | |
wer wofür zuständig ist: Frau Klöckner von der CDU für den ländlichen | |
Bereich, für die Gesundheit Herr Spahn von der CDU, für Digitalisierung | |
Herr Scheuer mit CSU-Parteibuch und Herr Altmaier, CDU. Das heißt: All den | |
Ressorts, die Geld für das Land – nicht für Parteien – in die Hand nehmen | |
müssten, sagt der Bundesfinanzminister: Das müsst ihr aus dem eigenen | |
Haushalt erwirtschaften. Ich habe aber Geld für die Respektrente und für | |
kommunale Altschulden. Das wundert dann doch. | |
Sie als Vertreter des Landkreistages sind gegen Olaf Scholz ’ Vorschlag, | |
der Städtetag und der Städte- und Gemeindebund sind dafür. Wenn nicht mal | |
Sie sich einig sind – ist das Thema nur ein weihnachtliches | |
Politstrohfeuer? | |
Das will ich hoffen. In der Tat rechne ich mit einem schnell abgebrannten | |
Tischfeuerwerk. | |
23 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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