# taz.de -- ARD-Film über deutsche Polizisten ab 68: Die Bullen, die… | |
> Eine ARD-Doku lässt Ex-Polizisten über die 60er und 70er sprechen. Eine | |
> Zeit, als die Feindbilder klar waren – und der uniformierte Mann ein | |
> Schwein. | |
Bild: In den 60ern wurden Polizisten als Quasi-Soldaten ausgebildet | |
Mit einer rhetorischen Frage geht sie los, Thomas Schneiders Dokumentation | |
über „Die Bullen“. „Prügelnde Polizisten gegen eine rebellische Jugend. | |
Eine Zeit, die wir zu kennen glauben. Die [1][Achtundsechziger]. Aber | |
kennen wir sie wirklich?“ | |
Was wir nicht kennen, meint er, ist die andere Perspektive, die der | |
Polizisten: „Der Film bricht bewusst mit einer in jenen Jahren etablierten | |
Sichtweise, die Polizisten zumeist nur als anonyme Masse wahrnimmt.“ Um das | |
endlich zu ändern, lässt Schneider also drei Pensionäre erzählen, wie das | |
damals so war, als sie in den 1960er und 1970er Jahren bei der Polizei | |
angefangen hatten. | |
„Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ – die einst gegen die Revolutionä… | |
von 1848 ausgegebene Devise schien da noch immer zu gelten. Nur gab es | |
inzwischen ein Grundgesetz, das den Einsatz von Soldaten gegen Bürger | |
verbot – nicht aber offenbar die Ausbildung von Polizisten zu | |
Quasi-Soldaten: „Wir wurden auch an den verschiedenen Waffen noch | |
ausgebildet wie Maschinengewehr, Handgranaten und am Panzerabwehrrohr“, | |
sagt Hartmut Molitor, Schneiders erster Protagonist, von einer Zeit, in der | |
die Feindbilder klar waren. | |
Der umtriebige Berliner Polizeipräsident ab 1969, Klaus Hübner, erkannte | |
damals die Macht der Wortes und stellte ein [2][„Diskussionskommando“] auf. | |
Den Demonstranten hat er damit offenbar gehörige Angst eingejagt – wie die | |
von Schneider eingeschnittene Reaktion belegt: „Genossen, das heißt für | |
uns: Wir werden im kommenden Semester sicherstellen, dass sich kein Student | |
mehr mit den ‚Psycho-Bullen‘ auf Diskussionen einlässt.“ | |
## Auch nur Menschen | |
Und dann kommt das Zitat von Ulrike Meinhof: „Wir sagen, der Typ in der | |
Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch und so haben wir uns mit ihm | |
auseinanderzusetzen“, und später: „Natürlich kann geschossen werden.“ U… | |
es wurde geschossen, mit tödlicher Konsequenz, zum Beispiel schoss Werner | |
Sauber, Mitglied der „Bewegung 2. Juni“ auf den Polizisten Walter Pauli, | |
1975 in Köln. Und die Polizisten schossen auf Sauber. | |
Polizisten sind auch nur Menschen, heute wissen wir das. Damals wussten es | |
nicht einmal die Polizisten selbst – psychologische Hilfe war nicht | |
vorgesehen. Wie also haben Walter Paulis Kollegen dessen Tod verarbeitet? | |
„Irgendwann gab’s eine Flasche Bier und noch ’ne Flasche Bier und dann auf | |
einmal stand der Kasten da und dann kam die Flasche Schnaps noch dazu“, | |
berichtet ein Polizist, der die Schießerei am Funk miterlebt hatte. Es | |
handelt sich um einen ehemaligen Kollegen von Udo Behrendes, dem zweiten | |
Protagonisten im Film, der auch deshalb im Film ist, weil er seine Anfänge | |
als Polizist mit der Super-8-Kamera festgehalten hat. | |
Den dritten Protagonisten, Martin Textor, kann man kennen: „Berlin verliert | |
einen seiner besten Bullen!“, textete die Welt anlässlich dessen | |
Pensionierung 2005. Textor wurde bei den Olympischen Spielen 1972 in | |
München Zeuge der Geiselnahme und Ermordung israelischer Sportler durch | |
palästinensische Terroristen. Der bundesweite Aufbau von Spezialeinheiten | |
war die Folge, Textor war von Anfang an dabei – und am Ende seiner Karriere | |
Chef aller Berliner Spezialkräfte. | |
„Der Himmel war voller Steine“, sagt der ehemalige Grünen-Politiker und | |
Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland: „In dieser Zeit, als die Autonomen | |
ihre Hoch-Zeit hatten.“ | |
Was Wieland, Textor und die anderen Ehemaligen eint, die hier zu Wort | |
kommen, ist, dass sie alle betont reflektiert auf eine Zeit zurückblicken, | |
die allerdings sehr lange her ist. „Die Polizei hat einen weiten Weg | |
zurückgelegt“, schließt Thomas Schneider seinen Film – dessen Narrativ | |
keinen Hinweis etwa auf den [3][G20-Gipfel in Hamburg 2017] erlaubt. Auf | |
die Polizeiübergriffe und Angriffe auf Polizeibeamte vor gerade einmal zwei | |
Jahren. | |
16 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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