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# taz.de -- Masern-Impfungen in der Kritik: Wehe, wenn die Impfpflicht ruft
> Ab März müssen Leiter*innen von Kindergärten kontrollieren, ob
> Erzieher*innen und Kinder gegen Masern geimpft sind. In Bremen regt sich
> Widerstand.
Bild: Nur ein kleiner Pieks?
BREMEN taz | In welcher Form plant der Bremer Senat die Umsetzung des
Masern-Schutzgesetzes? Das wollen die Grünen in der Fragestunde der
Bürgerschaft am Mittwoch wissen. Denn der Bundestag hat das [1][Gesetz zwar
vor drei Wochen beschlossen] – doch wie es vor Ort umgesetzt werden soll,
ist offen. Am 20. Dezember wird sich der Bundesrat deswegen mit dem Thema
befassen.
Für Andrea Kröger bedeutet das, dass sie noch hoffen kann, das Gesetz nicht
vollstrecken zu müssen. Sie leitet die vier Bremer Waldorf-Kindergärten und
müsste ab März kontrollieren, ob Kinder und Mitarbeiter*innen in ihren
Einrichtungen gegen Masern geimpft sind. So sieht es das Gesetz vor. Wer
keinen Impfschutz nachweisen kann, darf weder Kindergarten noch Schule
besuchen.
Auch das Personal in Gemeinschaftseinrichtungen, Arztpraxen und Kliniken
muss gegen Masern geimpft sein. Kröger ist der Ansicht, dass nicht sie und
ihre Kolleg*innen, sondern die Gesundheitsämter die Kontrolle übernehmen
müssen.
Das will auch die Bremer Senatorin für Kinder und Bildung, Claudia Bogedan
(SPD), die aber von der Bundesregierung gern gewusst hätte, wer die Kosten
übernimmt. Und was passiert, wenn Berufsverbote ausgesprochen werden müssen
für Lehrer*innen, die sich nicht gegen Masern impfen lassen wollen. Bremen
gehört zu den Bundesländern, die sich im Bundesrat quer legen wollen gegen
das Gesetz – wobei die Bundesregierung der Ansicht ist, der Bundesrat sei
nicht zustimmungspflichtig.
Wenn die Bundesländer nicht erfolgreich sind mit ihrer Intervention,
riskiert eine Leiterin wie Andrea Kröger Bußgelder in Höhe von 2.500 Euro,
wenn sie ein nicht geimpftes Kind oder eine Erzieherin in ihre Einrichtung
lässt. Dabei muss sie davon ausgehen, dass der Anteil sowohl von
Mitarbeiter*innen als auch von Eltern, die einer Masern-Impfung mindestens
skeptisch gegenüberstehen, in ihren Häusern überdurchschnittlich hoch ist.
Anhänger*innen der Anthroposophie, zu der auch Waldorf-Schulen und
-Kindergärten gehören, halten Masern-Impfungen von Einjährigen – so sieht
es die Impfempfehlung der ständigen Impfkommision vor – für zu früh. Eine
Minderheit lehnt sie gänzlich ab.
„Die Kinder sind bei uns sehr unterschiedlich geimpft“, sagt Kröger. Zudem
würden viele Eltern die Notwendigkeit einer Masern-Impfung sehen, weil die
Mütter heutzutage selbst keine Masern-Erkrankung durchgemacht haben und
daher keinen Schutz vor Ansteckung an ihre Neugeborenen weitergeben können.
Grundsätzlich findet Kröger, dass die Impfentscheidung den Eltern
überlassen werden müsse. Und vor allem will sie nicht als
Kindergartenleiterin in die Rolle der Kontrollinstanz gedrängt werden.
Genau so sieht es der Geschäftsführer des Landesverbandes evangelischer
Kindertagesstätten, Carsten Schlepper, der auch der Bundesvereinigung
Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder vorsitzt. „Es geht gar nicht,
dass wir gleich am Anfang so kontrollierend in Kontakt mit den Eltern
treten müssen“, sagt Schlepper. „Wir wollen ihnen doch erst einmal die
Gelegenheit eines gegenseitigen Kennenlernens geben – stattdessen müssen
wir fragen, ob ihr Kind gegen Masern geimpft ist und sie im Zweifelsfall
rausschicken und sagen, dass wir ihre Daten an die Gesundheitsbehörden
weitergeben.“
Schlepper geht davon aus, dass Impflücken vor allem in den Stadtteilen mit
einem hohen Anteil von Migrant*innen auftreten, wenn diese das deutsche
Vorsorgesystem noch nicht verstanden haben. „Jetzt versuchen Sie mal
jemand, der noch nicht viel Deutsch spricht, am ersten Kita-Tag die
Impfpflicht und die Konsequenzen zu erklären.“
Schlepper fordert, dass die Kontrolle der Impfungen vom Gesundheitsamt
vorgenommen wird – analog zu den Schuleingangsuntersuchungen. „Ich erwarte
von der Bremer Politik, dass sie das von uns fern hält.“
Auch von der Impfpflicht hält er nicht viel. Sehr viel sinnvoller sei es,
dafür zu sorgen, dass die kinderärztlichen Erinnerungssysteme für
Vorsorgeuntersuchungen funktionieren. Und Ärzt*innen genug Zeit für
Beratungen eingeräumt würden. „Es kann nicht sein, dass wir für die
allgemeine Gesundheitsvorsorge eingespannt werden.“
10 Dec 2019
## LINKS
[1] /Jens-Spahn-will-Masern-bekaempfen/!5638315
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Masern
Impfung
Waldorfpädagogik
Bundesverfassungsgericht
IG
Bremen
Masern
Aufklärung
Masern
Gesundheitspolitik
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