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# taz.de -- Impfen und Informationspflicht: Für ein konstruktives Arztgespräch
> Diskussion über das Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn zur
> Impfpflicht: Gefordert wird weitere Patientenaufklärung.
Bild: Nur ein kleiner Pieks: Vorher muss der Patient aufgeklärt werden
Hamburg taz | Eltern sollen im kommenden Jahr verpflichtet werden, ihre
Kinder zweimal gegen Masern impfen zu lassen. Das jedenfalls will
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erreichen. [1][Sein
Gesetzentwurf,] den der Bundestag wohl im Herbst beraten wird, setzt nicht
nur auf Überzeugung, sondern auch auf Ausgrenzungen und Sanktionen: Ohne
nachgewiesene Masernimpfung künftig kein Kitaplatz; außerdem ein Bußgeld
von bis zu 2.500 Euro für Eltern, die ihren Nachwuchs vor Aufnahme in die
Schule nicht gegen die ansteckende Krankheit haben impfen lassen.
Spahns Plan ist rechtlich fragwürdig. Denn ein Impfzwang würde das
fundamentale Prinzip aushöhlen, wonach ein ärztlicher Eingriff nur dann
zulässig ist, wenn der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter zuvor
vollständig darüber informiert wurde und freiwillig zugestimmt hat. „Die
impfende Ärzteschaft“, erklärt auch die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA), „ist somit zu einem Aufklärungsgespräch vor einer
Impfung verpflichtet.“
Dass diese Rechtspflicht in der Praxis nicht immer ernst genommen wird,
deutet auch [2][eine dicke Studie der BZgA zum Infektionsschutz an
(pdf-Datei).] Sie beschreibt „Einstellungen, Wissen und Verhalten von
Erwachsenen und Eltern gegenüber Impfungen“ – ausgewertet auf Basis einer
telefonischen „Repräsentativbefragung“ unter 5.012 BürgerInnen, ausgefüh…
2016.
„In der Wahrnehmung der Eltern erfolgte allerdings ein Aufklärungsgespräch
durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt nur bei 74 Prozent
der Befragten vor der letzten Impfung ihres Kindes“, bilanziert die BZgA
und fügt hinzu: „Seltener als Eltern mit Kleinkindern erinnern sich Eltern
von Kindern im Schulalter, eine solche Beratung erhalten zu haben.“
Weiteren [3][Aufklärungsbedarf benennt das Deutsche Netzwerk
Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) in einer Stellungnahme (pdf-Datei),] die
sich für eine „differenzierte Bewertung von Impfungen“ ausspricht und
„Zwangsmaßnahmen“ ablehnt. Es gebe Impfungen, deren Nutzen „unbestritten…
sei, zum Beispiel die Polio- und Pockenimpfungen. Aber auch solche „mit
unklarem Nutzen“, etwa gegen invasive Meningokokkeninfektionen. Und
außerdem manche gegen „zwar lästige, aber nicht lebensbedrohliche
Erkrankungen“ wie Windpocken, [4][erläutern die ProfessorInnen Ingrid
Mühlhauser und Andreas Sönnichsen vom DNEbM im KVH-Journal (6/2019) der
Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (pdf-Datei).] Notwendig seien
„evidenzbasierte Entscheidungshilfen“, wobei „differenziert zu jeder
einzelnen Impfung aufzuklären“ sei – inklusive „Offenlegung von
Unsicherheiten und ungeklärten Fragen“, empfehlen Mühlhauser und
Sönnichsen.
## Missverständliche Informationen
Die verfügbaren Infos der BZgA zu Impfungen bewerten die beiden
MedizinprofessorInnen, gemessen an den DNEbM-Kriterien, als „nicht
ausreichend“. Auf der Website der BZgA seien zwar „Ansätze für gute
Materialien zu finden“, andere hätten aber „eher den Charakter von
Kampagnen mit den typischen Mängeln unvollständiger, überredender und
missverständlicher Informationen“.
Kritisch sieht das DNEbM auch Empfehlungen zur Impfberatung, [5][wie sie
das Deutsche Ärzteblatt im März unter der Überschrift „Professionelle
Gesprächsführung – wenn Reden Gold wert ist“ veröffentlicht hat.] Der
Aufsatz beschreibt zunächst „Gründe für Impfmüdigkeit“ und präsentiert
anschließend eine Art Leitfaden für „ein konstruktives Arztgespräch“, das
in mehreren Schritten „zu einer positiven Impfentscheidung führen“ könne.
Schritt vier solle „Effektivität von Impfungen als Schutz vor der
Erkrankung vermitteln“, schreiben die AutorInnen, darunter Cornelia Betsch,
Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation.
Was Ärzte tun und sagen sollen, erläutern sie wie folgt: „Wenn Sie über das
Risiko durch die Erkrankung aufgeklärt haben, ist es wichtig, eine
effektive Gegenmaßnahme zu präsentieren – dies stärkt die
Handlungsbereitschaft. Daher sollte nun betont werden, dass die Impfung die
Erkrankung sehr effektiv und sehr sicher verhindert.“ Bezogen auf die
Grippeimpfung, geben Mühlhauser und Sönnichsen zu bedenken, „wäre eine
solche Aussage falsch“.
8 Aug 2019
## LINKS
[1] /Spahns-Entwurf-zur-Masern-Impfpflicht/!5589546
[2] https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/infektionsschutzstudi…
[3] https://www.ebm-netzwerk.de/pdf/stellungnahmen/stn-impfen-20190502.pdf
[4] https://www.ebm-netzwerk.de/was-wir-tun/publikationen/kvh/kvh-1906.pdf
[5] https://www.aerzteblatt.de/archiv/206062/Impfberatung-in-der-Praxis-Profess…
## AUTOREN
Klaus-Peter Görlitzer
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