# taz.de -- Angela Winkler stellt Buch vor: Gelassene Rückschau | |
> Die Schauspielerin Angela Winkler hat ein Buch mit ihren | |
> autobiografischen Skizzen vorgelegt, am Sonntag liest sie daraus in der | |
> Akademie der Künste. | |
Bild: Ein markantes Gesicht, kennt man aus dem Kino, Fernsehen, von der Bühne:… | |
Das Theater nehme ich so ernst wie mein Leben. Meine Rollen im Theater habe | |
ich mir nie gesucht, sie sind zu mir gekommen. Und immer zu einer Zeit, in | |
der sie mit meinem Leben zu tun hatten. Die Entscheidung, Theater zu | |
spielen, fällt mir nie leicht. Mir ist Theater zu wichtig, und vielleicht | |
bin ich gar keine richtige Schauspielerin.“ Das schreibt Angela Winkler in | |
ihrem gerade erschienenen Buch „Mein blaues Zimmer“. Auf der Fotografie | |
daneben ist sie zu sehen – am Meer. Ihre Körpersprache drückt Gelassenheit | |
und Freude aus. Wenige Seiten später erzählt sie von ihrer Depression: „Ich | |
war siebzig geworden. Nele war ausgezogen. Klaus Michael Grüber war tot. | |
Die Angebote, die ich für Theater und Film bekam, gefielen mir nicht. Ich | |
sagte ab. Ich war nicht ich.“ | |
Zusammen mit der Autorin Brigitte Landes sichtete die in Berlin und in | |
Frankreich lebende Schauspielerin ihre Tagebuchaufzeichnungen und bettete | |
sie ein in einen Text, den sie „Autobiographische Skizzen“ nennt. Es ist | |
eine unprätentiöse Rückschau auf ein Leben zwischen zwei Polen: das | |
Familienleben mit ihrem Ehemann Wigand und den Kindern, darunter der | |
Tochter Nele, auf dem Land und ihrer Kunst. | |
Beim Lesen ist es, als würde sie erzählen – jetzt. Schreibt die | |
Schauspielerin über ihre Erfahrungen mit Regisseuren wie dem eben 2008 | |
verstorbenen Klaus Michael Grüber und Peter Zadek, erinnert man sich lesend | |
zusammen mit ihr. Ich habe Angela Winkler vor Augen 1999 in der Schaubühne | |
als Hamlet in Zadeks epochaler Inszenierung: Allein steht sie an der Rampe | |
– zart und verwundbar – und spricht die zum Aphorismus gewordenen Zeilen | |
„Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage“ so tastend und suchend, dass | |
man im Zuschauerraum die wunderbare Chance bekommt, diese Worte neu zu | |
hören. | |
In ihrem Buch erinnert sich Angela Winkler lakonisch an ihre | |
Ausbruchsversuche während der Probenzeit in Straßburg – es war ihre | |
Kapitulation vor der Textmasse. Im September 1999 schreibt sie in ihr | |
Tagebuch: „Gestern habe ich eine Stunde lang Politik im Radio gehört und an | |
Hamlet gedacht. Hab ihn an die Hand genommen und bin mit ihm ins Theater | |
gegangen. Da stand er als einsames Menschenkind, das nach Liebe lechzt auf | |
der Bühne, oder als verzweifeltes Tier, das an der langen Kette zerrt und | |
reißt. Das viele Reden von Hamlet macht mit jetzt keine Angst mehr.“ | |
## Initialzündung ein Kinobesuch | |
Angela Winkler springt in ihren Aufzeichnungen durch die Zeit. Mittendrin, | |
auf Seite 45, gibt es auch ein kleines Kapitel über ihre Kindheit. Sie | |
nennt es: „In Templin bin ich geboren“ und erinnert sich dann an viele | |
Umzüge in der Kindheit, bis der Vater in Erlangen eine feste Anstellung als | |
Amtsarzt bekam. Entwaffnend ist das Foto der vierjährigen Angela aus dem | |
Jahr 1948. Keck steht sie auf den Treppen vor einem Haus, hat die Hände in | |
die Taschen ihres Mantels gesteckt und schaut selbstbewusst, leicht | |
lächelnd in die Kamera. | |
Initialzündung für ihre Karriere als Schauspielerin war übrigens ein | |
Kinobesuch. „Plötzlich im letzten Sommer – Liz Taylor und Montgomery Clift. | |
Was für Schauspieler! Großaufnahmen! Ich konnte die Gefühle sehen, die | |
Tränen, die riesig über Liz Taylors Wangen liefen. Ich wusste plötzlich, | |
das wollte ich! Ich bin die ganze Nacht nicht nach Hause gegangen. Ich | |
wollte Schauspielerin werden!“ | |
„Nach jedem Kind habe ich einen Film gedreht“ heißt dann später ein | |
Kapitel, und am Anfang des Buchs fällt der Satz: „Ich nehme Filme nicht so | |
ernst wie das Theater.“ Und „Das Leben ist mir einfach wichtiger. Das ist | |
mein Theater.“ | |
## Spannendes Familienleben | |
So beschreibt sie auf einem Großteil der 230 Seiten ihr Familienleben. Und | |
das ist spannend, da diese Familie im Laufe der Jahre unterschiedliche | |
Gegenden Europas besiedelt und vier Kinder geboren werden. Nele hat das | |
Downsyndrom. Angela Winkler resümiert: „Als Mutter wird man unbeweglich und | |
unfrei in seinen Handlungen. Davor habe ich mich immer in Acht genommen, | |
dass ich meine Art, spontane Entschlüsse zu treffen, nicht verliere.“ | |
Am Sonntag wird Angela Winkler in der Akademie der Künste aus ihrem Buch | |
vorlesen, flankiert von einem Gespräch mit dem Dramaturgen Herrmann Beil | |
sowie Brigitte Landes und einiger ihrer Lieblingslieder, die sie, begleitet | |
von dem Pianisten Adam Benzwi, vortragen wird. Ihren ersten Liederabend hat | |
sie übrigens 1988 im Pariser Theatre de l’Odeon gegeben. | |
„Singen ist für mich so, als wäre ich irgendwo auf dem Land und würde | |
Wäsche aufhängen. Beim Singen ist mein ganzes Landleben dabei.“ Ziemlich | |
ideal als Synthese aus Leben und Kunst. | |
7 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Katja Kollmann | |
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