# taz.de -- Obdachlose in Berlin: Raus aus der Bucht | |
> Die Bewohner*innen der Rummelsburger Bucht sollen in eine | |
> Ausweichunterkunft umziehen. Noch ist nicht klar, ob alle das Angebot | |
> annehmen werden. | |
Bild: Obdachlosen-Camp in der Rummelsburger Bucht | |
Es gilt als Deutschlands größtes Obdachlosencamp – auf einer Brache | |
zwischen dem Ostkreuz und der Rummelsburger See leben derzeit 160 Menschen | |
in Zelten und provisorisch zusammengebauten Verschlägen. Angesichts des | |
Wintereinbruchs und fehlender Infrastruktur verschlechterten sich die | |
Zustände im Camp zunehmend. | |
Anders als im vergangenen Jahr hat bisher weder Senat noch der zuständige | |
Bezirk Lichtenberg Maßnahmen getroffen, um die Situation vor Ort zu | |
verbessern. Nun einigten sich bei einem Treffen aller beteiligten Akteure | |
am Dienstag Senat und Bezirk darauf, den Bewohner*innen für den Winter eine | |
Ausweichunterkunft anzubieten. | |
Konkret soll eine leerstehende Notunterkunft in der Köpenicker Allee in | |
Karlshorst kurzfristig wiederhergerichtet werden, heißt es in einer | |
Pressemitteilung der Senatssozialverwaltung, die am Dienstagabend | |
veröffentlicht wurde. Den Obdachlosen wird das Angebot gemacht, gemeinsam | |
in die Unterkunft zu ziehen – für viele der Bewohner*innen angesichts des | |
starken Zusammenhalts auf der Brache eine wichtige Voraussetzung, die | |
klassische Kältehilfeplätze nicht bieten. | |
Auch soll es vor Ort eine Betreuung durch Sozialarbeiter*innen geben, um | |
den Menschen zu helfen, einen Weg aus der Obdachlosigkeit zu finden. „Damit | |
wird den obdachlosen Menschen in der Rummelsburger Bucht ein Angebot | |
gemacht, das Grundstück zu verlassen, den Winter in einem beheizten Gebäude | |
zu verbringen“, heißt es in der Pressemitteilung der | |
Senatssozialverwaltung. | |
## „Vernünftiges Angebot“ | |
Als „vernünftig“ begrüßt auch Karuna-Sozialarbeiter Lutz Müller-Bohlen,… | |
die Menschen im Camp betreut, das Ergebnis des gestrigen Treffens. „Unklar | |
ist allerdings, ob die Bewohner es auch annehmen werden.“ Schließlich | |
handele es sich bei den Bewohner*innen hauptsächlich um Menschen, für die | |
viele der klassischen Hilfsangebote nicht infrage kämen, so Müller-Bohlen. | |
Gründe dafür können das Alkohol- und Haustierverbot sein, das in vielen | |
Einrichtungen herrscht. Oder psychische Erkrankungen, die enge | |
Gemeinschaftsunterkünfte für die Betroffenen unerträglich machten. „Es muss | |
ein niedrigschwelliges Angebot sein“, so Müller-Bohlen. | |
Auf Anfrage der taz teilte die Senatssozialverwaltung mit, dass es | |
bezüglich der Details in den kommenden Tagen noch Absprachen geben werde. | |
Sozialarbeiter Müller-Bohlen, der selbst an dem Gespräch beteiligt war, | |
geht allerdings davon aus, dass diese Umstände berücksichtigt werden. In | |
jedem Falle „wird Karuna, die Leute die auf der Fläche bleiben wollen, | |
weiter betreuen“, versichert er. | |
Der Sprecher des Camps, von den Campbewohner*innen nur „Mama“ genannt, | |
sagte der taz am Telefon, die Bewohner*innen werden erst mal abwarten und | |
sich beratschlagen. „Wir werden uns dazu nicht äußern, bevor wir nicht die | |
Details wissen und jemand mit uns spricht.“ | |
## „Safe Places“ benötigt | |
Laut der Pressemitteilung soll das Angebot der Ersatzunterkunft nur bis zum | |
Ende der Kältesaison gelten. In der Zeit sollen Lösungen mit den | |
Betroffenen gefunden werden, im schlimmsten Fall wird das Problem wieder | |
nur verlagert und die Menschen befinden sich im nächsten Winter in | |
derselben oder sogar noch schlimmeren Position. | |
„Langfristig brauchen wir Safe Places, an denen die Menschen dauerhaft | |
unterkommen können“, fordert Müller-Bohlen. Laut der Lichtenberger | |
Bezirksstadträtin Monteiro (SPD) werden derzeit verschiedene Grundstücke | |
dafür geprüft, ob sich das Konzept dort umsetzen ließe. Allerdings erwarte | |
sie frühestens ab Winter 2020/21 erste Ergebnisse, so die Bezirksstadträtin | |
gegenüber der taz. | |
Schon im vergangenen Winter besuchten Vertreter*innen des Camps den | |
Landesparteitag der Linken, um eine drohende Räumung zu verhindern. Dadurch | |
verhinderten sie nicht nur ihre Räumung, die linksgeführte Senatsverwaltung | |
für Arbeit, Integration und Soziales sagte auch weitere Unterstützung zu. | |
Für das damals noch 40 Bewohner*innen umfassende Camp wurden unter anderem | |
ein beheiztes Zelt, Toiletten und ein Müllcontainer aufgestellt; zudem | |
wurden Maßnahmen ergriffen, die Rattenplage einzudämmen. Zeitweise wurde | |
das Camp als „Modellprojekt“ für den Umgang mit Obdachlosen gehandelt. | |
Ursprünglich war geplant, den Bewohner*innen bis zum Ende der letzten | |
Kältesaison Alternativen zu vermitteln. Das gelang allerdings nur | |
vereinzelt, stattdessen zogen immer mehr Menschen auf die Fläche, die | |
andernorts vertrieben worden sind. Zudem wurden mit dem Ende der | |
Kältesaison auch die Toiletten abgebaut, auch der Müllcontainer wurde nicht | |
mehr geleert. Als Folge verschlechterten sich die hygienischen Zustände im | |
Camp enorm. | |
Das Treffen wurde von der Bezirksstadträtin Monteiro initiiert, nachdem ein | |
Bericht des Tagesspiegels auf die Zustände im Camp aufmerksam gemacht hat. | |
Beteiligt waren unter anderem der Staatssekretär der Senatssozialverwaltung | |
Alexander Fischer (Linke) und Sozialarbeiter*innen der Sozialgenossenschaft | |
Karuna, die zurzeit die Menschen auf der Brache betreuen. Zuvor hatte es | |
anscheinend Unklarheiten darüber gegeben, wer überhaupt zuständig für die | |
Kältehilfe- Maßnahmen auf der Fläche ist. | |
18 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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