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# taz.de -- Bebauung am Ostkreuz: „So eine schöne Stelle freilassen?“
> Die Vorsitzenden der Linksfraktion in der BVV Lichtenberg verteidigen die
> Entscheidung des Bezirks, dem Bebauungsplan zuzustimmen.
Bild: Blick über den Rummelsburger See auf Wohnhäuser in der Rummelsburger Bu…
taz: Frau Zimmer, Herr Wolf, braucht es an der Rummelsburger Bucht ein
Aquarium und höherpreisige Wohnungen, gebaut von privaten Investoren?
Norman Wolf: In erster Linie soll sozialer Wohnraum entstehen. Die Howoge
baut immerhin 174 Wohnungen. Dazu sind insgesamt 180 Kitaplätze geplant.
Das Aquarium ist ein Bestandteil der Bebauung, aber nicht der wesentliche.
500 Wohnungen werden durch private Investoren geschaffen. Und von den 174
Howoge-Wohnungen ist nur die Hälfte mietpreisgebunden. Kritiker*innen
fordern einen viel größeren Anteil an bezahlbaren Wohnungen, mehr Raum für
Kultur, mehr Schul- und Kitaplätze und Grünflächen.
Wolf: Der Stand war Anfang des Jahres schlechter als das, was wir jetzt
haben. Damals war weder die Frage nach ausreichend vielen Kitaplätzen
beantwortet noch die des bezahlbaren Wohnraums. Die Investa-Gruppe ist uns
entgegengekommen und will 25 Prozent mietpreisgebundene Wohnungen bauen.
Die Zusagen für die mietpreisgebundenen Wohnungen der Investoren sind aber
nicht rechtsbindend. Im Prinzip sind es damit nur rund 80 Howoge-Wohnungen,
die wirklich mietpreisgebunden sind.
Wolf: Es gab Verhandlungen mit dem Senat darüber, und es wurde eine
Vereinbarung geschlossen. Laut Vertrag waren die Investoren dazu nicht
verpflichtet. Natürlich hätten wir uns mehr gewünscht.
In einem Brief jüngerer Linke-Mitglieder heißt es: „Der Bebauungsplan ist
ein Symbol für eine veraltete, investorenorientierte Stadtpolitik
geworden.“ [1][Trotzdem hat Ihre BVV-Fraktion dem Plan zugestimmt]. Warum?
Kerstin Zimmer: Das Land hat die Grundstücke vor zwei Jahren an
Privatinvestoren verkauft, das haben wir als Bezirk nicht zu verantworten.
Es ist illusorisch, zu denken, die Investoren würden zurückverkaufen, wenn
der Bezirk den B-Plan nicht beschlossen hätte. Selbst wenn wir jetzt sagen:
„Ihr müsst hier eine Schule bauen.“ Dann würde es Rechtsstreitigkeiten
geben, und wir hätten vielleicht erst in vier, fünf, sechs Jahren einen
anderen B-Plan. Bis dahin haben wir Neuwahlen, keiner weiß, wie dann die
politischen Verhältnisse sind.
Wolf: In der Zeit wäre dort kein Wohnraum entstanden. In der Abwägung sind
wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das mit Sicherheit nicht die beste
Lösung ist, aber dass sie unter den gegebenen Umständen vertretbar ist.
Und die wäre?
Zimmer: Es gibt Entwicklungsziele, die festlegen, was auf dem Gebiet
passieren soll. Und die sind seit Jahrzehnten festgelegt. Die SPD will
diese Entwicklungsziele nicht ändern. Selbst mit dem Volksentscheid stellt
sich die Frage: Hätten wir wirklich stark veränderte Entwicklungsziele
bekommen? Ob wir dann in fünf bis sechs Jahren einen neuen B-Plan hätten,
ist fraglich. Dabei brauchen wir dringend Wohnungen in Berlin. Und warum so
eine schöne Stelle freilassen?
Wolf: Mit den Grundstücksverkäufen wurde die Grundlage für die Bebauung
gelegt. Derjenige, der ein Grundstück besitzt, kann in der Regel
entscheiden, was er dort baut.
Würden Sie sagen, dass der Bezirk vom Senat vor vollendete Tatsachen
gestellt wurde?
Wolf: Ja. Anfang des Jahres haben wir mit unserer Abgeordnetenhausfraktion
festgelegt, unter welchen Bedingungen wir diesem B-Plan zustimmen würden.
Die Infrastruktur muss vorhanden sein, also Kita- und Schulplätze, der
Anteil an bezahlbarem Wohnraum müssen erhöht werden. Wir haben geprüft, ob
eine Rückabwicklung der Grundstücksverkäufe politisch und rechtlich möglich
ist. Die Frage nach der politischen Mehrheit wurde von der
Abgeordnetenhausfraktion mit Nein beantwortet, weil die SPD nicht mitzog.
Die Frage der rechtlichen Rückabwickelbarkeit wurde von der
Senatsverwaltung verneint.
Im Falle einer Ablehnung hätte der Senat das B-Plan-Verfahren an sich
ziehen müssen. Wäre das nicht ein gutes Signal gewesen? Die Debatte auf
Landesebene hat da ja gerade erst Fahrt aufgenommen.
Zimmer: Das Land wollte das nicht. Es hätte Verzögerungen gegeben, und das
Land hätte dem B-Plan entweder so, wie er ist, oder wahrscheinlich auch nur
mit marginalen Änderungen zugestimmt.
Wolf: Mit Symbolpolitik allein schaffe ich weder bezahlbaren Wohnraum noch
Kitaplätze.
[2][Die geplante Bebauung wird die Gegend für die Jahrzehnte prägen]. Wäre
da nicht ein bisschen Verzögerung hinnehmbar gewesen?
Wolf: Wir als Kommunalpolitiker bekommen die Frage gestellt, was wir
erreicht haben. Wenn wir dann sagen: Wir haben einen Bebauungsplan
abgelehnt und deswegen ist keine einzige Wohnung und kein einziger
Kitaplatz entstanden, ist das unbefriedigend. Wir haben im Wahlprogramm
geschrieben: Wir brauchen Kitaplätze, wir brauchen bezahlbare Wohnungen.
Zimmer: Wir streiten uns an anderen Stellen über Innenhofbebauungen in
sozial schwächeren Gebieten. Dann bauen wir doch lieber an einer Stelle,
die schon seit Jahren Brache ist. Viele Menschen, die an der Rummelsburger
Bucht wohnen, wünschen sich, dass an der Ecke endlich was passiert.
Die Menschen wünschen sich noch ein Aquarium?
Zimmer: Ich sehe das Aquarium nicht so kritisch. Es geht nicht nur darum,
schöne bunte Fische anzugucken, es soll sich dort auch mit ökologischen
Themen auseinandergesetzt werden, besonders in Hinblick auf den
Rummelsburger See. Das finde ich auch aus Bildungssicht für Schulen, für
Kitas durchaus positiv.
Bei Eintrittspreisen ab 20 Euro? Das ist kein niedrigschwelliges
Bildungsangebot.
Wolf: Für Schulklassen soll es besondere Angebote geben. Ich bin kein Fan
des Aquariums, aber wir haben auch Zuschriften bekommen von Anwohner*innen,
die für das Aquarium sind.
Die Initiator*innen der Volksinitiative kritisieren, Sie hätten mit der
vorgezogenen BVV-Sitzung Fakten geschaffen, bevor die Initiative überhaupt
starten konnte.
Zimmer: Die Entscheidung war schon für März geplant, das ist dann daran
gescheitert, dass bestimmte Ausschüsse nicht beteiligt waren. Deswegen war
Mai angedacht. Dass die CDU dann die vorgezogene Sondersitzung in der
vergangenen Woche beantragt hat, war der Tatsache geschuldet, dass wir die
Entscheidung auch wegen des hohen Interesses in einer regulären BVV nicht
hätten verhandeln können. Über zwei Wochen früher oder später kann man
jetzt streiten.
Oder einfach um ein paar Monate vertagen? Die Investoren haben der
Stadtentwicklungssenatorin schon besorgte Briefe geschickt. Mit etwas mehr
Zeit hätten sich vielleicht noch bessere Ergebnisse verhandeln lassen
können.
Zimmer: Davon gehe ich nicht aus. Die Investoren sind dazu nicht
verpflichtet. Alles, was jetzt ausgehandelt worden ist, basiert auf gutem
Willen. In dem Gebiet können wir nicht die neuen Regelungen anwenden, die
mindesten 30 Prozent mietpreisgebundene Wohnungen vorsehen. Wenn sich
Investa mit dem Senat auf 25 Prozent geeinigt hat, ist das schon gut. Mehr
hätten wir nicht rausholen können.
Viele Aktivist*innen haben angesichts solcher Argumente das Gefühl, dass
sie ignoriert worden sind.
Wolf: Wenn wir die rechtlichen und politischen Möglichkeiten haben, dann
schöpfen wir diese auch aus. Die Bürgerinitiative Ostkreuz war zu Gast in
unserer Fraktion. Ich war in den letzten Jahren mit vielen anderen
Bürgerinitiativen in Kontakt, und wir haben Erfolge in ihrem Sinne erzielt.
Ich erinnere an die geplante Innenhofbebauung im Karlshorster Ilsekiez,
gegen die wir uns erfolgreich gewehrt haben. Uns vorzuwerfen, dass wir mit
den Bürgern nicht reden wollten, ist falsch. Ebenso falsch war der Verkauf
der Grundstücke durch das Abgeordnetenhaus. Das darf sich nicht
wiederholen.
8 May 2019
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## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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