# taz.de -- Ungarn sagt Teilnahme am ESC ab: Homofeindlich – und pleite | |
> Ungarns Absage hat zwei schlechte Gründe und ist vor allem für die | |
> ungarischen Künstler:innen traurig. Denn Sie lieben Europa und sein | |
> Publikum. | |
Bild: Joci Papai singt für Ungarn in Tel Aviv 2019 | |
Ungarns öffentlich-rechtliche TV-Company hat erklärt, nicht mehr am | |
Eurovision Song Contest (ESC) teilzunehmen zu wollen. Nicht bestätigt wurde | |
[1][der Hauptgrund für den Rückzug vom europäischen Popfestiva]l: dass es | |
zu schwul sei. | |
Damit [2][wäre Joci Pápai der letzte der bislang anderthalb Dutzend | |
ungarischen Künstler gewesen,] die ersichtlich Freude hatten, beim ESC | |
dabei zu sein. Der Musiker mit bekennendem Roma-Hintergrund war noch im Mai | |
in Tel Aviv bester Dinge, als er das zweite Mal für sein Land am Festival | |
teilnahm: Der ESC nämlich sei ein europäischer Wettbewerb – und er liebe | |
Europa sehr –, bei dem er seine Musik vorstellen könne: Wo sonst sei das | |
für einen Ungarn wie ihn möglich? | |
Schwul oder nicht: Der ESC funktioniert nicht völkisch, sondern | |
kosmopolitisch, auch „the otherness“ hat immer eine Chance, gesehen und | |
erhört zu werden. Man denke an Portugals Salvador Sobral, Österreichs | |
Conchita Wurst, Israels Netta Barzilai oder die Ukrainerin Jamala – sie | |
alle wären in keiner Mainstream-Popshow zu ihren ESC-Siegen gekommen: Sie | |
triumphierten, weil das europäische Publikum sie an einem Abend auf die | |
höchste Stufe hob. | |
Aber das mit dem hohen Verschwulungsgrad des Europäischen – die Kernfurcht | |
aller Nationalisten in Europa – stimmt in puncto ESC & Ungarn ohnehin nur | |
in zweiter Linie. Die einst realsozialistischen Länder haben allesamt keine | |
starken öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, mit ihren vergleichsweise | |
schmalen Budgets stehen sie in Konkurrenz mit privaten TV-Sendern. | |
## Teuer ist teuer | |
Der ESC ist, gleich ob für Montenegro (das Land verzichtet ebenfalls auf | |
eine ESC-Teilhabe 2020), Bosnien und Herzegowina (ist einige Jahre schon | |
nicht mehr dabei, aus budgetären Gründen), Bulgarien oder Tschechien, ein | |
teures Projekt. Da nützt es auch nix, dass der ESC dort auch ziemlich gute | |
Quoten erzielt: Teuer ist teuer, zu teuer heißt Insolvenz. | |
Deshalb: Ungarn macht nächstes Jahr nicht mit, weil der ESC eben auch den | |
Völkischen in Europa zu viel Gender-Gaga ist, vor allem aber, weil man kein | |
Geld hat. Joci Pápai wird weiterhin vom Ruhm leben, bei zwei ESCs bella | |
figura gemacht zu haben: Ungarische Künstlerkolleg:innen werden diese | |
Chance einstweilen nicht mehr haben. Wie schade! | |
29 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.theguardian.com/tv-and-radio/2019/nov/27/hungary-pulls-out-of-e… | |
[2] https://www.eurovision.de/videos/2019/ESC-2019-Joci-Papai-singt-fuer-Ungarn… | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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