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# taz.de -- Zeuge belastet Bundesinnenministerium: Schwere Vorwürfe im Fall Am…
> Sollte ein Informant, der vor Attentäter Anis Amri warnte, mundtot
> gemacht werden? Ein LKA-Mann behauptet das – das Innenministerium
> widerspricht.
Bild: Akten im Bundestagsuntersuchungsausschuss zum Terroranschlag am Breitsche…
Berlin taz | Das Bundesinnenministerium und der frühere Minister Thomas de
Maizière (CDU) wehren sich gegen schwere Vorwürfe eines LKA-Kommissars im
Fall [1][Anis Amri]. Dessen Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss zu dem
Anschlag in Berlin seien nicht zutreffend, sagte ein Ministeriumssprecher
am Freitag. „Wir haben einen völlig anderen Sachstand.“
Der Kriminalhauptkommissar des LKA Nordrhein-Westfalen hatte in dem
Ausschuss am Donnerstagabend von einem Gespräch mit einem BKA-Beamten am
23. Februar 2016, am Rande einer Besprechung beim Generalbundesanwalt,
berichtet. Dort habe ihn der BKA-Mann gesagt, der Informant des LKAs in der
islamistischen Szene „mache zu viel Arbeit“. Diese Sicht werde auch „von
ganz oben“ geteilt. Der Kommissar nannte auf Nachfrage einen leitenden
Kriminaldirektor des BKA und den früheren Bundesinnenminister de Maizière.
Er sei nach dem Gespräch „geschockt“ gewesen, so der LKA-Mann.
Das Bundesinnenministerium wies diese Darstellung zurück. Das Gespräch des
LKA-Kommissars mit dem BKA-Beamten habe es so nie gegeben, demnach seien
auch die Aussagen „weder wörtlich noch sinngemäß“ gefallen, sagte ein
Sprecher. Auch sei auszuschließen, dass de Maizière oder andere Mitarbeiter
des Innenministeriums die Weisung erteilt hätten, den Informanten
ruhigzustellen. Dies könne man auch für die Leitungsebene des BKA
ausschließen. Schließlich sei es auch falsch, dass es ein Ersuchen des
nordrhein-westfälischen LKA an das BKA gegeben habe, den Fall Anis Amri zu
übernehmen, welches abgelehnt wurde.
Auch Thomas de Maizière bestreitet die Vorwürfe. Er verwies auf taz-Anfrage
auf die Stellungnahme des Bundesinnenministeriums.
Die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses stufen die Aussagen des
LKA-Mannes dagegen als glaubhaft ein. Diese seien „klar und glaubwürdig“
gewesen, sagte FDP-Obmann Benjamin Strasser. „Wenn es der Wille war, die
Quelle, die als einzige belastbare Hinweise zu Anis Amri geliefert hat,
mundtot zu machen, steht ein handfester Skandal im Raum.“ Auch
Linken-Obfrau Martina Renner nannte den LKA-Kommissar glaubwürdig. „Die
Verhinderung von Terroranschlägen scheint dem BKA weniger wichtig gewesen
zu sein als die Ausschaltung einer bis dato perfekt informierten Quelle.“
Die Abgeordneten wollen nun de Maizière als Zeugen in den Ausschuss
vorladen. Dies sei „unumgänglich“, erklärte FDP-Mann Strasser. Ein
Mitarbeiter von de Maizière sagte, sobald eine Einladung erfolge, „werden
wir darüber entscheiden“.
Der Informant, um den es nun geht, war eine Top-Quelle des LKA in NRW –
geführt als VP-01 oder „Murat“. Der Deutschtürke bewegte sich tief in der
islamistischen Szene, unter anderem im Netzwerk von Abu Walaa, der als
Vertreter des IS in Deutschland galt. Und „Murat“ traf auch Anis Amri, der
sich anfangs in NRW aufhielt. Die Polizei warnte der Informant schon Anfang
2016: Der Tunesier schwärme von den Paris-Anschlägen, er wolle in
Deutschland „etwas machen“ und suche nach Kalaschnikows. Das LKA NRW hielt
„Murat“ für glaubwürdig, auch durch die jahrelange Zusammenarbeit.
Als Amri seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegte, brach der Kontakt
zu „Murat“ ab. Auch das LKA NRW übergab den Fall an der Berliner LKA. Dort
ließ man eine Observation im Sommer 2016 schließlich auslaufen, weil man
Amri nur noch für einen Drogendealer hielt. Eine fatale Fehleinschätzung.
Der LKA-Kommissar aus NRW sagte, Polizeibeamte aus seinem Bundesland hätten
in den Monaten vor dem Anschlag mehrfach Druck in Berlin gemacht, wo Amri
nur „relativ nachlässig“ überwacht wurde. Eine weitere Beamtin des
nordrhein-westfälischen LKA sagte am Donnerstag im Ausschuss, sie habe Amri
„durchaus als gefährlich eingeschätzt und als unberechenbar“. Als sie
später erfahren habe, dass Amri in Berlin nicht mehr so engmaschig
beobachtet wurde, sei bei ihr ein „ungutes Gefühl“ entstanden.
Am 19. Dezember 2016 schließlich erschoss Amri einen Lkw-Fahrer in Berlin
und fuhr mit dessen Fahrzeug in den [2][Weihnachtsmarkt am
Breitscheidplatz]. Dabei starben 11 Menschen, rund 60 wurden verletzt. Es
war der bisher schwerste islamistische Anschlag in Deutschland. (mit dpa)
15 Nov 2019
## LINKS
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[2] /Schwerpunkt-Anschlag-auf-Berliner-Weihnachtsmarkt/!t5368107
## AUTOREN
Konrad Litschko
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