# taz.de -- Spielfilm „The Report“: Totale Nutzlosigkeit | |
> Nach dem 11. September etablierte die CIA extreme Verhörtechniken. In | |
> „The Report“ wird das illegale Treiben des Geheimdienstes aufgearbeitet. | |
Bild: Ohne Daniel Jones (Adam Driver) wären die Verhörpraktiken niemals öffe… | |
Sie sehen ein bisschen so aus wie die reduzierten Piktogramme, die Otl | |
Aicher für die Olympischen Spiele 1972 entworfen hat. Der wäre schon wegen | |
der gewählten Versalien mit den Bildunterschriften nicht einverstanden | |
gewesen. | |
Und als Freund der von der Gestapo verhörten Sophie Scholl auch nicht mit | |
den in Wort und Bild dargestellten, recht unsportlichen Inhalten: | |
„ATTENTION GRASP“ steht da etwa und: „WALLING“; „FACIAL HOLD“; | |
„FACIAL/INSULT SLAP“; „WALL STANDING“; „STRESS POSITIONS“; „SLEEP | |
DEPRIVATION“; „USE OF INSECTS“. Nicht zu vergessen: „WATERBOARDING“. | |
Bei der CIA findet man den Powerpoint-Pitch der beiden Psychologen Dr. | |
Mitchell und Dr. Jessen gleich sehr überzeugend. Weniger überzeugt ist der | |
FBI-Mann, als die beiden Wissenschaftler sich daran machen wollen, ihr | |
Konzept der enhanced interrogation techniques erstmals in die Praxis | |
umzusetzen, am lebenden Objekt: „Wissen Sie viel über al-Qaida?“ „Nein.�… | |
„Haben Sie jemals einen Terroristen verhört?“ „Nein.“ „Irgendeinen | |
Verbrecher?“ „Nein.“ „Haben Sie überhaupt schon mal jemanden verhört?… | |
„Unwichtig. Er ist ein Mensch. Ich bin Psychologe. Er kennt ein Geheimnis, | |
und ich werde ihn dazu bringen, dieses Geheimnis zu verraten.“ | |
Um die Sorte Geheimnisse, die Menschen verraten, wenn man sie etwa in eine | |
mit Insekten gefüllte Holzkiste sperrt, geht es später auch noch in einem | |
Dialog mit einer langsam doch etwas ungeduldig werdenden CIA-Frau. Dr. | |
Mitchell: „Das ist es, was wir dank Waterboarding rausfinden konnten: Jetzt | |
wissen wir, dass er lügt.“ CIA-Frau: „Ich dachte, es geht darum, die | |
Wahrheit rauszufinden?“ Dr. Jessen: „Und die Wahrheit ist, dass er lügt.“ | |
## Verändertes Genre | |
Die beiden mad scientists und ihr dialektisches Verständnis des | |
[1][Folterhandwerks] sind nicht die einzige Absurdität in Scott Z. Burns’ | |
(„The Loudest Voice“, „The Laundromat“) Film „The Report“, der eige… | |
nicht komisch gemeint ist. Aber die realsatirische Dimension war eben doch | |
zu verlockend. | |
Es geht also um die extremen Verhörtechniken der CIA nach den | |
[2][Anschlägen vom 11. September]; um deren totale Nutzlosigkeit und deren | |
systematische Verschleierung. | |
Es geht auch um Filmästhetik und darum, wie sich das Genre des | |
Paranoia-Thrillers seit den 70er Jahren, nach Watergate, verändert hat. Zum | |
Beispiel „Three Days of the Condor“, mit Robert Redford, der auch in „All | |
the President’s Men“ mit dabei war. Der Mann, der als | |
Literaturwissenschaftler bei der CIA gelandet ist, ist eigentlich ein | |
ähnlicher Schreibtischhengst wie Daniel Jones (gespielt von Adam Driver – | |
der selbst nach 9/11 bei den Marines angeheuert hatte). | |
## Abgrenzung von Folterwerken | |
Das hindert ihn nicht daran zur Pistole zu greifen und mit Faye Dunaway | |
anzubandeln. Für solche filmischen Konventionen fehlt einem Daniel Jones | |
ebenso der Sinn wie einer Katharine Gun, der Whistleblowerin aus den Reihen | |
des britischen GCHQ und der Hauptfigur im gerade in den Kinos laufenden | |
„Official Secrets“. | |
Jones fehlt es für ein Techtelmechtel außerdem an Zeit. Schließlich | |
verbringt er fünf Jahre seines Lebens offenbar ausschließlich in Büros und | |
Konferenzräumen. Nicht eine Szene spielt in seiner Wohnung. Burns grenzt | |
sich inhaltlich wie formal von den gelegentlich als Pro-Folter-Machwerken | |
begriffenen „Zero Dark Thirty“ und „24“ ab. | |
Das konspirative Treffen mit einem Journalisten in einer Tiefgarage | |
wiederum kann nur als Referenz an „All the President’s Men“ verstanden | |
werden. Daniel Jones zögert kurz, aber er wird keine Quelle, kein | |
Whistleblower werden. Für seine Auftraggeberin, die Senatorin der | |
Demokraten Dianne Feinstein (Annette Bening), ist Edward Snowden ein | |
Verräter. Es ist an ihr, die Veröffentlichung von Jones’ gekürztem Bericht | |
selbst zu besorgen. Oder an dem, was sie verkörpert: deep state statt Deep | |
Throat. | |
1 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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