# taz.de -- Digitale Wiederauferstehung: Wollt Ihr den totalen Dean? | |
> Der tote Schauspieler James Dean soll dank Computertechnik eine Rolle in | |
> einem Vietnamfilm übernehmen. Eine gute Idee? | |
Bild: Seine aktuellste Rolle – bis jetzt. James Deans Grab in Fairmount | |
## Ja, sagt Ambros Waibel | |
In einem Streifen, der sich im Wesentlichen um Hunde dreht, soll es nach | |
Aussage des Regisseurs eine Rolle mit so „äußerst komplexer | |
Charakterentwicklung“ geben, dass „nach Monaten der Suche“ nur James Dean | |
dafür infrage gekommen sei. So jedenfalls zitiert der [1][Hollywood | |
Reporter] den Regisseur des Films „Finding Jack“. | |
Dass der Rechteinhaber an der Figur James Dean – seine Familie – die Ikone | |
für eine solche Schmonzette verkauft, mag empören, wer noch an | |
traditionelle Werte glaubt; und doch fragt man sich, warum, wenn es schon | |
um Hunde geht, nicht Charlie Chaplin aus „Ein Hundeleben“, warum nicht der | |
strahlend junge James Belushi aus „Mein Partner mit der kalten Schnauze“ | |
(1–3) oder die wunderbare Liz Taylor aus „Lassie“ mittels Computer | |
Generated Imagery (CGI) wiederbelebt wird – oder eben gleich Lassie selbst. | |
Nein, James Dean soll es sein – aber wieso? Die Antwort liegt in der | |
Grundfrage, die bei jeder Produktion von Kunsthandwerk irgendwann | |
auftaucht: Warum eigentlich nicht? Warum eigentlich nicht neue technische | |
Möglichkeiten nutzen, um etwas zu tun und zu zeigen, was noch niemand je | |
getan und gezeigt hat? Spektakel funktioniert so: Es ging mal los mit | |
jemandem, der mit drei Bällen jonglieren konnte, dann kam einer mit vier, | |
jemand mit fünf und immer so weiter. Das Publikum jauchzt, bis es genug | |
hat, ach nö, nicht schon wieder ein generierter Heath Ledger oder River | |
Phoenix, eine wiedergeborene Marilyn Monroe, danke, es reicht. | |
Überlassen wir die Sache also dem Markt – und hier wird es interessant. | |
Denn was das Publikum wirklich sehen will, sind nicht | |
künstlich-künstlerische Hervorbringungen, sondern echte. Also eine Art | |
Menschenzoo, in dem geklonte James Deans oder Paul Walkers live mit ihren | |
Porsches verunglücken; oder, für zartere Gemüter, in denen echte Mammuts | |
kleine süße Mammutbabys bekommen, die dann von fiesen Neanderthalern | |
Steinzeitklippen hinuntergejagt werden. | |
Wir müssen, kurz gesagt, das, was nun mit James Dean geschieht, als | |
Vorstufe beziehungsweise, für kritische Geister, als Menetekel betrachten. | |
Spektakulär wird es auf jeden Fall! | |
## Nein, sagt Peter Weissenburger | |
Schließen wir für eine Minute die Möglichkeit aus, dass diese Meldung | |
nichts weiter ist als ein PR-Stunt. Zwei Filmemacher, die mit ihrer gerade | |
gegründeten Produktionsfirma ein Melodram an den Start bringen wollen über | |
– kein Scherz – einen Mann und seinen Hund im Vietnamkrieg. Grundlage für | |
„Finding Jack“ ist ein kitschiger Roman, filmisch abgelutscht ist der | |
Vietnamkrieg schon lange, preisverdächtig wirkt von alledem gar nichts. | |
Also entscheiden sich die beiden, mit dem computergenerierten James Dean | |
ihrem Vorhaben mehr Aufmerksamkeit zu verleihen, [2][weil Deepfakes gerade | |
der heiße Scheiß sind]. Das erzählen sie exklusiv dem Hollywood Reporter, | |
alle berichten, und morgen flutscht das Fundraising gleich viel besser. | |
Schließen wir das alles aus und gehen davon aus, dass dieser Film wirklich | |
gedreht wird und wirklich ein „Ganzkörper“- computergenerierter James Dean | |
darin vorkommt. | |
Klar, technisch möglich ist das längst. Neuronale Netzwerke, eine Form der | |
künstlichen Intelligenz, können eingeschränkt kreative Aufgaben lösen und | |
selbst erkennen, welche Arbeitsschritte dafür nötig sind. Stellt man gleich | |
zwei solcher Netzwerke einander gegenüber, die sich gegenseitig sozusagen | |
kritisch hinterfragen, dann können Ergebnisse täuschend echt werden. Ein | |
Beispiel, bei dem das schon viel genutzt wird, ist Face-Swap. Eine beliebte | |
App, mit der Nutzer*innen in Videos innerhalb von Sekunden Gesichter | |
austauschen können. | |
Geht also alles, womit wir zu der Frage kommen: Braucht es das? Um eine | |
Filmikone von vorgestern zum „Leben“ zu erwecken? Es ist erstaunlich, wie | |
die Bildtechnik immer besser wird und die Filmideen gleichzeitig immer mehr | |
von gestern sind. | |
Längst könnte Hollywood uns Welten zeigen, die unvorstellbar wären, ohne | |
künstlich erzeugte Bilder. Könnte Fantasy entwerfen oder Sci-Fi oder | |
Paralleluniversen, die „Avatar“ oder „The Shape of Water“ wirken lassen | |
würden wie die Augsburger Puppenkiste. Stattdessen bekommen wir einen | |
aufwändig rekonstruierten Star der 50er als Zombie im Rahmen einer | |
patriotischen Haustier-Schnulze. Danke. Next please. | |
7 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hollywoodreporter.com/news/afm-james-dean-reborn-cgi-vietnam-wa… | |
[2] /Zauber-und-Gefahr-von-Deepfakes/!5600572 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
Peter Weissenburger | |
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