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# taz.de -- Gelbwesten-Proteste in Frankreich: Für tot erklärt, aber immer no…
> Bald gibt es die „Gilets jaunes“ ein Jahr lang. Wie geht es weiter? In
> Montpellier trafen sich 450 Delegierte, um über die Zukunft zu sprechen.
Bild: Paris, 1. Dezember 2018: Protest gegen Dieselbesteuerung am Place de l'Et…
Paris taz | Die Protestbewegung „Gilets jaunes“ in Frankreich mag von den
Medien seit Wochen für tot und beerdigt erklärt werden. Doch die 450
Delegierten, die am Wochenende für ein landesweites Treffen nach
Montpellier gekommen sind, trugen immer noch ihre gelben Warnwesten – das
Emblem des Protests. Ihr Kampf gegen Ungerechtigkeit, Ungleichheit,
Erniedrigung und staatliche Willkür begann am 17. November 2018. Die
Versammlung hat am Sonntag dafür gestimmt, sich am 5. Dezember dem Streik
gegen die Rentenreform im öffentlichen Verkehr in Frankreich anzuschließen,
zu dem mehrere Gewerkschaften gemeinsam aufgerufen haben.
Die Teilnehmer repräsentieren mehr als 200 lokale Vollversammlungen und
wollten in Montpellier über das weitere Vorgehen und vor allem eine bessere
Koordination ihrer bisher auf nationaler Ebene kaum strukturierten Bewegung
diskutieren.
Passend zur Vorgeschichte der Gelbwesten mit spontanen Blockaden von
Kreiseln, Autobahn-Mautschranken, den samstäglichen Demonstrationen und den
gewaltsamen Zusammenstößen mit Ordnungskräften, wundert es nicht, dass auch
diese vierte nationale „Versammlung der (lokalen) Versammlungen“ (ADA) in
einem eigens für den Anlass besetzten Gebäude über die Bühne geht.
Das seit 2010 geschlossene Landwirtschaftsmuseum „Agropolis“ wurde
kurzerhand besetzt und von Gelbwesten-Freiwilligen aus dem Südwesten
geputzt und als „Kongresszentrum“ in Stand gesetzt. Andere Gruppen
organisierten die Logistik, die Verpflegung und Unterkunft der Angereisten.
Allein schon diese Vorbereitung dürfte die gängige Ansicht widerlegen,
wonach die Bewegung völlig abgeflaut sei.
## Immer wieder gewalttätige Zusammenstöße
Ein ADA-Mediensprecher will vor voreiligen Schlüssen warnen: „Es wäre
falsch, einzig und allein aus der Perspektive der Demos an den Samstagen
von einer Schwäche zu reden. Die Bewegung besteht aus den Leuten, die sie
bilden, und diese sind in der gesamten Gesellschaft überall in Frankreich
verstreut.“ Sehr viele Gelbwesten sind sehr im Lokalen aktiv, sagte er.
„Das taucht auf dem Radarschirm der Medien nicht auf.“
Aber auch die staatliche Repression bei den Demonstrationen blieb nicht
ohne Wirkung auf die Mobilisierungskraft. Immer wieder kam es zu
[1][gewalttätigen Zusammenstößen] zwischen Polizei und Demonstranten mit
zahlreichen Verletzten. Der Polizei wird der Einsatz von
Hartgummigeschossen vorgeworfen, die schwere Verletzungen verursachen
können.
Um eine neue Schlagkraft und Sichtbarkeit zu erlangen, diskutierten die
Gelbwesten in Montpellier über Aktionsformen und das Verhalten angesichts
der Repression, die Organisation auf überregionaler Ebene, die mögliche
Zusammenarbeit mit anderen Bewegungen und die Frage potenzieller
Bündnispartner. Die gemeinsamen Erkenntnisse sollen danach zurück an die
Basis gebracht werden.
Die Bewegung will aber auf keinen Fall so etwas wie eine Partei werden,
sondern den basisdemokratischen und föderalistischen Charakter beibehalten,
der auch die heterogene Zusammensetzung der Beteiligten ermöglicht hat.
Deutlich wird eine „antikapitalistische“ Stoßrichtung und die Absicht, sich
noch stärker als bisher an umweltpolitischen und gewerkschaftlichen
Mobilisierungen zu beteiligen und so eine „Konvergenz“ des Widerstands zu
fördern – als Exempel soll die Teilnahme am Streik vom 5. Dezember dienen.
[2][Am 17. November jährt sich der Protestbeginn der „Gilets jaunes“]. Eine
der bekanntesten Sprecherinnen der Bewegung, Priscillia Ludosky, verriet in
einem Interview mit der Financial Times, es werde eine Überraschung von
„großem Ausmaß“ geben. Ihre Zwischenbilanz ist durchwachsen: „Ich würde
nicht sagen, dass es ein Erfolg ist, aber wir haben bereits Vieles
verändert.“ Sie erwähnt dabei vor allem den Elan der Solidarität an der
Basis und bisher verdrängte Alltagsprobleme, die dank der Protestierenden
in der Öffentlichkeit diskutiert werden.
4 Nov 2019
## LINKS
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[2] /Proteste-in-Frankreich/!5551671
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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