# taz.de -- Repression gegen türkische Autorin: Solidarität mit Aslı Erdoğan | |
> Die Schriftstellerin Aslı Erdoğan wird in einem Interview falsch zitiert. | |
> Und schon gibt es eine neuerliche Kampagne gegen sie in der Türkei. | |
Bild: Aslı Erdoğan, die türkische Schriftstellerin lebt mittlerweile im Exil | |
Istanbul taz | Wegen eines Interviews in der italienischen Zeitung La | |
Repubblica, das später von der belgischen Zeitung Le Soir verfälscht | |
nachgedruckt wurde, wird [1][die Schriftstellerin Aslı Erdoğan] jetzt in | |
türkischen Medien und im Internet massiv beschimpft. | |
Für zwei Sätze, „die ich so nie gesagt habe“, wie sie in einer Erklärung | |
schreibt. Die in der Türkei verfolgte Schriftstellerin Aslı Erdoğan, die | |
seit Längerem in Europa im Exil lebt und derzeit Gast des „Writers in | |
Exil“-Programms des deutschen PEN ist, hatte in einem Interview mit | |
Repubblica, das vor gut zehn Tagen erschienen war, über die | |
nationalistische und militaristische Indoktrination gesprochen, der | |
türkische Schulkinder bereits in der Grundschule ausgesetzt seien. | |
Das Interview fand nach dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien statt, der | |
zum Ziel hat, die kurdische Miliz YPG zu vertreiben und eine autonome | |
kurdische Region in einem Nachkriegssyrien zu verhindern. Deshalb brachte | |
der Interviewer die Kurdenfrage immer wieder ins Spiel, weshalb Erdoğan | |
dann zum Schluss noch konstatierte, dass alle Parteien im Parlament mit | |
Ausnahme der kurdisch-linken HDP dazu neigen, kurdische Organisationen per | |
se als terroristisch zu denunzieren. | |
## Mit dem Tode bedroht | |
Obwohl Aslı Erdoğan das wörtlich so nicht gesagt hat, machte Repubblica | |
daraus die Überschrift: „Wir werden indoktriniert, die Kurden als Feinde zu | |
sehen“. Trotzdem passierte erst einmal gar nichts, das Interview wurde in | |
der Türkei kaum wahrgenommen. Erst als die belgische Le Soir acht Tage | |
später das Interview übersetzte und dabei grob verfälschte, brach der Sturm | |
los. | |
Bei Le Soir hieß es: „Von der Grundschule an lernen wir die Kurden zu | |
hassen“ und über das türkische Parlament, so Le Soir, habe sie gesagt: | |
„Alle politischen Kräfte im Parlament sind Terroristen, mit Ausnahme der | |
HDP“. Diese Version griff die russische Propagandaplattform Sputnik auf und | |
brachte sie weltweit unter die Leute. | |
Das Ergebnis: Aslı Erdoğan wird nun in vielen türkischen Medien übel | |
beschimpft, beleidigt und sogar mit dem Tode bedroht. Auch in | |
regierungskritischen Kreisen wurde angemerkt, dass man zwar von | |
nationalistischer Erziehung sprechen könne, doch dass der Kurde an sich | |
„systematisch zum Feind“ gemacht würde, sei Quatsch. | |
## Gesteuerte Kampagne | |
Tatsächlich kämen die Kurden im normalen türkischen Schulunterricht | |
überhaupt nicht vor. Auch Leute, die nicht als extreme Nationalisten | |
bekannt sind, warfen, wie etwa Ahmet Hakan in der Hürriyet, Aslı Erdoğan | |
vor, sie wolle sich wohl mit solchen Interviews wie vor ihr schon Orhan | |
Pamuk für den Literaturnobelpreis ins Gespräch bringen. | |
Aslı Erdoğan vermutet nun eine gesteuerte Kampagne gegen sie, der PEN | |
fordert die türkischen Journalisten auf, sie sollten doch besser | |
recherchieren, und überhaupt solle sich nun Bundesaußenminister Heiko Maas, | |
der sich gerade erst in Ankara mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Ç | |
avuşoğlu verbrüdert hat, der Causa annehmen. | |
Zum Glück ist Aslı Erdoğan, die ja bereits wegen angeblicher Unterstützung | |
der kurdischen „Terrororganisation PKK“ in der Türkei im Gefängnis saß, … | |
relativer Sicherheit in Deutschland. | |
Anders als viele ihrer KollegInnen braucht sie keine Angst zu haben, wieder | |
verhaftet zu werden. Die türkischen Medien sind durch den Krieg in | |
Nordsyrien gerade besonders nationalistisch eingestimmt. Ein Interview wie | |
in Le Soir dient da als Steilvorlage. | |
1 Nov 2019 | |
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[1] /Neues-Buch-von-Asl-Erdoan/!5391460 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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