Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Deutsche Würstchen geschockt!
> Verschwörung mit Günther Jauch! Böse Großbanken verhindern, dass der
> kleine Mann Millionen mit Bitcoins macht! Schande, Schande, Schande!
Auf meinem Computer macht der Internet schon wieder, was er will. Nichts
Böses ahnend öffne ich die Seite taz.de, schon kreischt mir eine Werbung
entgegen: „Deutsche waren geschockt, als sie das sahen! Günther Jauch
berichtet über neue geheime Investitionen.“ Diese Werbung hat alles, was
man derzeit braucht: Deutsche, Schock, Jauch, geheim.
Folgt man dem Link, landet man auf einer Seite, die sich im Kopf als „Zeit
online“ ausgibt, es aber natürlich nicht ist. Man erfährt, der Moderator
habe sein Vermögen auf Bitcoin-Trading-Plattformen vergrößert, 10.000 Euro
pro Tag seien kein Problem. Auch der kleine Mann und die kleine Männin
könnten hier noch abgreifen.
Der Jauch habe alles im Fernsehen erläutern wollen, aber die Großbanken
hätten rechtzeitig die Sendung gestoppt, so in etwa lautet die Nachricht
für das gierige Volk. Böse Großbanken! Da sind die Deutschen aber
geschockt! Verschwörungstheorien sind unsereins immer willkommen, weil sie
das Leben erleichtern.
Ich zum Beispiel weiß auch schon lange, dass Edeka daran schuld ist, wenn
die Tomaten in meinem Garten nicht gedeihen. Würden sie wachsen wie
bekloppt, würden dem Lebensmittelriesen circa zwanzig Euro pro Jahr
entgehen. Das weiß der feine Lebensmittelkonzern zu verhindern. Wie? Keine
Ahnung. Mit Chemtrails oder irgendwelchen Strahlen. So schafft es Edeka
jeden Sommer wieder, dass ich das Gießen vergesse. Niedersächsische
Tomatenversagerin ist geschockt!
Meine Wahrheit über die Welt lautet: Der Klimawandel wird von
Masern-Impfungen verursacht, in der Waschmaschine hockt ein
sockenfressendes Monster und die AfD wurde in Frankensteins Labor gezeugt,
während Gott das Sockenmonster jagte und deswegen gerade mal nicht
aufpassen konnte. Warum es Frankenstein überhaupt gibt, hätte Gott den
nicht schon längst …? Ja Kruzifix, jetzt komme man mir nicht noch mit
Logik.
Aber was ist eigentlich mit dem Mauerfall, dessen wir in diesen Tagen
langatmig gedenken mussten? War das die Inszenierung einer ostdeutschen
Physikerin, die Kanzler werden wollte, um das Abendland zu muslimisieren?
Oder hat es die Mauer sowieso nie gegeben? War die DDR in Wahrheit
chinesisch? Wurde sie von Umweltschützern am Verdienen von Bitcoins
gehindert, was zu ihrem endgültigen Zusammenbruch führte? Und damit sind
wir auch schon bei den Grundfragen angekommen: War vor 1989 alles besser?
Ja, natürlich, aber nicht in der DDR.
Recherchiert man über die Bitcoin-Firmen, die mit Günther Jauch und anderen
Prominenten werben (ohne deren Wissen), stößt man auf Menschen, die diesen
Firmen tatsächlich ihr Geld anvertraut haben. Erstaunlicherweise bekommen
sie es nicht zurück, auch wenn sie das gern wollen. Zeit für eine neue
Verschwörungstheorie: Wer sein Geld dem Internet gibt, ist selbst schuld.
Nichts zu danken.
13 Nov 2019
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Günther Jauch
Bitcoin
Hotel
Mathematik
Vorsätze
Mevlüt Çavuşoğlu
Norwegen
Brüssel
Freunde
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Seltsame Nächte
Ein Arthotel ohne Kunst, ein Rauchmelder ohne Rücksicht und Unterwäsche,
die von Rezeptionisten beäugt wird – ein Abenteuer in Darmstadt.
Die Wahrheit: Wurstkatastrophe Weltgeschehen
Die Zeit um den Jahresbeginn steckt voller Topthemen und Herausforderungen.
Ferner ist maßvoller Verzicht angesagt.
Die Wahrheit: Saison der Krisen
Schon wieder steht ein neues Jahr vor der Tür. Und damit müssen neue
Vorsätze her: Wie wäre es denn mit weniger Fluchen? Aber: Was soll der
Scheiß?
Die Wahrheit: Schowuscholu zum Streicheln
Was hat Assad, dieser alte Schlawiner, denn jetzt schon wieder verbrochen?
Über die Folgen semantisch-moralischer Ermüdungsbrüche.
Die Wahrheit: Mystischer Stockfisch
Die Norwegen-Woche der Wahrheit: Das Reiseland Norwegen entpuppt sich als
arg schmale und wässrige Gaukelei.
Die Wahrheit: Brexit, Bier und der ganze Bockmist
Zum ersten Mal in Brüssel. Zwischen Pommes frites und Käsekroketten reift
der Entschluss, Botschafterin der abgeschiedenen Provinzorte zu werden.
Die Wahrheit: Wonnen der Wiederholung
Mit den Jahren kommen die Geschichten, mit denen Freunde einen langweilen.
Aber macht man das nicht längst selbst – wie einst Eltern und Großeltern?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.