# taz.de -- Die Wahrheit: Seltsame Nächte | |
> Ein Arthotel ohne Kunst, ein Rauchmelder ohne Rücksicht und Unterwäsche, | |
> die von Rezeptionisten beäugt wird – ein Abenteuer in Darmstadt. | |
Wer sich bei einer Veranstaltung auf die Bühne wagt, die „Seltsame Tage“ | |
heißt, ist selbst Schuld. Das bin ich sowieso – an allem, außer am | |
Klimawandel, das war Trump. Aber ich war zur rechten Zeit in Thüringen, | |
danach im CDU-Vorstand, und alle Orkane hören ohnehin auf mein Kommando. | |
Also: Seltsame Tage, ein Podiumsgespräch mit Kollegen in Darmstadt, einem | |
Ort, über den ich keine Namenswitze machen werde. Trotz meiner wiederholten | |
Besuche lauern dort immer noch Hotels, die ich nicht kenne. Diesmal war es | |
ein Arthotel. Da erwarte ich etwas Spektakuläres und bin demnach selbst | |
Schuld. | |
Dieses Arthotel hieß bis vor zwei Wochen noch Hotel Prinz Heinrich, war | |
also praktisch sein eigener Namenswitz und außerdem angetreten, alle | |
Hoffnungen zu enttäuschen. Wie Prinz Heinrich wird es auch die nächsten 200 | |
Jahre aussehen, falls der Klimawandel oder Thüringen Deutschland kein Ende | |
machen. Hässliche Lampen konkurrierten mit verschreibungspflichtigen | |
Teppichböden in langen, albtraumerzeugenden Gängen. Als ich auf der | |
Wanderung zu unseren Zimmern ein Bild entdeckte, und „Guckt mal, endlich | |
Art!“ brüllte, sagte der Kollege, „das da“ sei auf keinen Fall Kunst, au… | |
wenn es an der Wand hänge. | |
Der andere Kollege entzückte mich, indem er meinte, niemand habe bemerkt, | |
dass ich auf der Bühne weniger geredet hätte als die anderen. Nach längerem | |
Grübeln kam ich darauf, dass ich weniger gefragt wurde. Da kann das schon | |
mal passieren. Oder Trump war Schuld. | |
Hätte ich ohne Begleitung ins Arthotel gemusst, hätte ich mich vermutlich | |
unter Zuhilfenahme hässlicher Holzverschalungen gleich entleibt. Unter dem | |
Schutz der Kollegen erreichte ich immerhin mein Zimmer, in dem später der | |
defekte Feuermelder versuchte, mich zu Tode zu erschrecken. Als er um | |
viertel nach eins aufjaulte, wusste ich mich nicht zu wehren. Es gab nicht | |
einmal ein Telefon, mit dem ich die Rezeption verständigen konnte. | |
Musste ich auch nicht, weil das der Feuermelder schon selbsttätig erledigt | |
hatte. Der atemlose Rezeptionist stieg hochprofessionell auf den einzigen | |
Stuhl im Raum und zerlegte den Rauchmelder. Anschließend baute er ihn | |
wieder zusammen, wobei er versuchte, nicht auf meine Unterwäsche zu gucken. | |
Außerdem verdächtigte er mich, geraucht zu haben, obwohl ich nur geschlafen | |
hatte. Als der Rauchmelder um zwei Uhr wieder losging, demontierte ich ihn | |
selbst, drückte ihn dem Rezeptionisten in die Hand und rief: „Nehmen Sie | |
das mit, es ist böse!“ | |
Um fünf kam dann die Straßenkehrmaschine, wobei der Kollege später meinte, | |
es sei eher ein sehr lautes Transportflugzeug gewesen. Bis um halb sieben | |
ramenterten noch mehrere davon quer durch mein Zimmer; vielleicht waren es | |
fliegende Straßenkehrmaschinen. | |
Außerdem hatte ich irgendwo auf dem Weg zum kunstlosen Arthotel auch noch | |
meine Mütze verloren. Das war aber nicht so schlimm, weil ich damit aussah | |
wie meine Mutter. | |
12 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Susanne Fischer | |
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