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# taz.de -- Die Wahrheit: Frauenbilder am Hexentanzplatz
> Am Weltfrauentag haben Frauen folkloristische Frisuren und Doppelnamen
> und Männer kurze Beine und Angst vor Gardinen.
Den Weltfrauentag wollte ich in der Nähe des Hexentanzplatzes verbringen.
So war das nämlich früher in den achtziger Jahren, meine Kleinen, wir
Feministinnen nannten uns selbst Hexen, wegen magischer Kraft,
Durchbrechung von Rollenklischees und allgemeiner Neigung zum Unfug. Ich
gebe es nur ungern zu, aber wir fanden uns ganz toll. Inzwischen würde ich
eher andere Frauen Hexen nennen, aber nicht laut, von wegen der
Solidarität.
In den Achtzigern lag der Hexentanzplatz noch in der DDR, ich weiß nicht,
ob sie da am 8. März getanzt haben, aber immerhin haben die Frauen Blumen
bekommen, und das ist einer der wenigen noch erhaltenen Bräuche. Also gab
es im Ostharz-Hotel morgens eine Rose für jede. Die anderen Hexen tranken
Sekt zum Frühstück. Hier musste ich die Solidarität durchbrechen, um heil
wieder nach Hause zu kommen. Sie waren übrigens alle blond gefärbt, trugen
Frisuren, die in Westdeutschland nicht mehr lieferbar sind, und lachten zu
laut, zum Beispiel über die zu kurzen Beine ihrer Männer.
Die Männer wiederum erzählten, dass sie sich früher am Weltfrauentag nicht
in die Kneipe getraut hätten. Ehe ich erfuhr, ob sie damals Angst vor den
Frauen in der Kneipe oder vor der Hexe zu Hause hatten, oder ob einfach nur
ihre Beine zu kurz waren, erinnerte eine ihren Mann daran, dass er für sie
noch Gardinen aufhängen wollte.
Die offizielle Feierstunde zum Weltfrauentag erlebte ich dann im Westen, in
Hannover beim Empfang der Landtagspräsidentin des niedersächsischen
Parlaments. Die Liste der zu begrüßenden Wichtigfrauen war sehr lang. Frau
Riedel-Diedel war da, Applaus! Frau Schnadel-Dadel auch, und sogar Frau
Öben-Klöbenwitsch – in der DDR war doch nicht alles schlecht, zum Beispiel
die strikte Planwirtschaft. Wenn man für Doppelnamen Schlange stehen muss,
überlegt man sich das vielleicht noch mal. Aber ich fürchte, dass sie wie
die Gardinen in Gesamtdeutschland nicht mehr aussterben werden. Der
diesbezügliche Bräsigkeitskonsens reicht inzwischen von Nordrhein-Westfalen
bis nach Mecklenburg-Vorpommern, ja, auch mein Niedersachsen ist nicht frei
davon.
Die Landtagsabgeordneten vor mir unterhielten sich inzwischen über
Schnittmuster, während auf der Bühne eine überforderte Moderatorin –
Lieblingsphrase „Oder was weiß ich“ – brillante Medienfrauen zum Thema
„Frauenbilder in den Medien“ sprechen ließ. Fazit: zu wenig Frauen an den
entscheidenden Stellen. Männer kommen in allen Altersstufen und
Körperformen im Fernsehen vor, Frauen nur jung und schlank und überhaupt zu
selten – außer Merkel, aber das erwähnte keine.
„Es sollte endlich diverser zugehen, wie in der Welt!“, rief eine, worauf
alle Frauen stundenlang einstimmig im Chor nickten. Oder was weiß ich, denn
vor dem nun auch hier fälligen Sekt floh ich, ehe mir noch ein Doppelname
zum Mitnehmen angeboten wurde.
11 Mar 2020
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Weltfrauentag
Feminismus
Hexen
Kolumne Die Wahrheit
Sex
Verschwörungsmythen und Corona
Schwerpunkt Coronavirus
Hotel
Mathematik
Vorsätze
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