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# taz.de -- Bericht zu Atommüll: Kaum Licht am Ende des Tunnels
> Der erste „Welt-Atommüll-Report“ warnt: Entsorgung, Lagerung und
> Finanzierung des nuklearen Abfalls sind praktisch nirgendwo gesichert.
Bild: Bedroht Mensch und Natur: Radioaktiver Müll
Beim [1][Nuklearunfall in Fukushima 2011] „kam die größte Gefahr nicht von
den laufenden Reaktoren“, sagt der Atomexperte Mycle Schneider, „sondern
vom stillgelegten Reaktor Nummer 4. Da lagerten nämlich 135 Tonnen
abgebrannter Brennstäbe.“ Wäre dieses Gebäude zerstört worden und die
hochradioaktiven Brennelemente in Brand geraten, wäre 40- bis 100-mal mehr
Radioaktivität freigesetzt worden, Millionen von Menschen hätten fliehen
müssen.
Wie sehr die Gefahr aus dem strahlenden Müll weltweit unterschätzt wird,
ist die zentrale Aussage des [2][ersten „Weltreports Nuklearer Abfall
2019“], der am Montag in Berlin präsentiert wurde. Eine Koalition aus den
EU-Grünen, dem BUND, Bürgerinitiativen und Stiftungen haben zu diesem
Komplex ein Gutachten bei Experten bestellt. Deren Fazit: „Behandlung,
Transport, Lagerung und Endlagerung von Atommüll stellen eine signifikante
und wachsende Herausforderung für alle nuklearen Länder dar.“
Denn auch 70 Jahre nach dem Einstieg in die Nukleartechnik betreibt „kein
Land der Welt ein tiefes geologisches Endlager für Atommüll“, heißt es. Nur
Finnland baut derzeit daran, Frankreich und Schweden haben immerhin
Standorte, Deutschland will laut Gesetz 2031 einen haben. Der Bericht
untersucht die Lage in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, der
Schweiz, Ungarn, Tschechien, Schweden und den USA.
Insgesamt werde das Thema kaum öffentlich diskutiert, es fehlten gute
Konzepte, einheitliche Standards, Daten über die gesundheitliche Belastung
der Bevölkerung und gesicherte Finanzen für die Entsorgung. „Die
Gesellschaft schläft“, sagte Marcos Buser, Schweizer Atommüll-Experte und
einer der Autoren, „das geht aber bei diesem Risiko nicht.“
## Keine Endlager in Sicht
Trotz vieler Fehlschläge, so der Bericht, halten die Regierungen an der
Idee einer unterirdischen Lagerung fest. Über eine bewachte, oberirdische
Anlage werde nicht nachgedacht. Weil ein Endlager nicht in Sicht sei,
„verlagern sich die Risiken der Lagerung zunehmend auf Zwischenlager, die
aber an ihre Kapazitätsgrenzen kommen“.
Die stark strahlenden und hochgiftigen Brennelemente im Wasser der
Abklingbecken zu lassen, wie es in 80 Prozent der Fälle in Europa passiert,
sei die unsicherste Methode, wenn das Wasser als Kühlung ausfalle. Über
zentrale Zwischenlager debattiert aber offiziell niemand – so wenig wie
über einen (bislang per Gesetz verbotenen) Export des Atommülls etwa in das
Atomlager in Finnland. „Der Widerstand in diesen Gegenden gegen fremden
Müll würde wachsen“, so Buser.
Schon jetzt sitzen die Länder auf einem Riesenberg von Atommüll, trägt der
Bericht trotz vieler Schwierigkeiten bei der Datenlage zusammen. In Europa
lagern demnach 60.000 Tonnen Atommüll, ein Viertel davon aus Frankreich,
jeweils etwa 15 Prozent aus Deutschland und Großbritannien. Über ihre
gesamte Lebenszeit würden die 142 Atomkraftwerke in Europa 6,6 Millionen
Kubikmeter von schwach-, mittel- und hochradioaktivem Abfall produzieren,
hieß es: ein Berg, 900 Meter hoch auf der Größe eine Fußballfelds.
Die wahren Kosten der angeblich billigen Atomkraft, so moniert der Bericht
außerdem, würden nicht ehrlich berechnet: „Die Regierungen versagen bei
einer ehrlichen Schätzung der Kosten von Abbau der Kraftwerke und der
Lagerung und Entsorgung des Mülls.“ Am Ende bleibe wie etwa bei der
Sanierung des Atomlagers Asse II der Staat auf den Kosten sitzen. Für die
Endlagerfrage stellten alle Staaten zu wenig Geld in Rechnung – auch
Deutschland, wo von den Energiekonzernen immerhin 24 Milliarden in einen
Fonds für die Entsorgung eingezahlt wurden.
11 Nov 2019
## LINKS
[1] /Gerichtsprozess-um-Atomkatastrophe/!5627626
[2] https://www.boell.de/de/2019/11/11/der-world-nuclear-waste-report
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Atomenergie
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