Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schweizer Endlager an deutscher Grenze: Atomklo düpiert Berlin
> Nur knapp 100 Kilometer von Freiburg entfernt will die Schweiz ein
> atomares Endlager errichten. Das sorgt für Kritik bei vielen Nachbarn.
Bild: Standort für das geplante Endlager: Haberstal ganz nah bei Deutschland
Karlsruhe taz | 50 Jahre hat die Schweiz nach einem [1][Atomendlager]
gesucht, jetzt soll der hochradioaktive Müll nahe der deutschen Grenze
seine letzte Ruhe finden. Knapp 100 Kilometer von Freiburg entfernt liegt
nach Auffassung von Schweizer Geologen die sicherste Gesteinsformation für
den Atommüll des Landes, teilte am Wochenende die zuständige Behörde mit.
Das Endlager soll Platz bieten für schätzungsweise 83.000 Kubikmeter
schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle aus Schweizer Reaktoren sowie
der Industrie.
Die Schweiz ist relativ schnell mit ihrer [2][Endlagersuche]. In
Deutschland soll erst 2031 ein Standort für ein Endlager benannt werden, in
Finnland steht der erste Endlagerstandort weltweit bereits fest. Auch wenn
das Votum der Eidgenossen für ein Endlager so nah der deutschen Grenze
nicht überraschend kommt – denn [3][alle vier in engerer Auswahl stehenden
Standorte liegen an der Grenze] –, war die deutsche Politik offenbar nicht
vorbereitet.
Das Bundesumweltministerium kündigte eine „genaue Untersuchung des
Schweizer Vorschlags“ an. Eine Expertengruppe soll eine Einschätzung zur
Nachvollziehbarkeit des Vorschlags erstellen und ihn bewerten.
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) sagte, sie
erwarte eine grenzüberschreitende Beteiligung an dem Verfahren und auch an
den Entschädigungen der betroffenen Gemeinden auf beiden Seiten.
Im Örtchen Hohentengen, nur wenige hundert Meter von der Grenze und dem
geplanten Endlager entfernt, sind Skepsis und Überraschung groß. Man sorge
sich um das Grundwasser, sagte Martin Benz, Bürgermeister der
4.000-Einwohner-Gemeinde, dem SWR. Er wolle zunächst alle Fragen zur
Sicherheit und möglichen Störfällen vorab beantwortet haben. Das
ausgewählte Gelände „Nördlich Lägern“ mit seinem Schiefertonboden war im
Sondierungsprozess 2015 bei der Endlagersuche zunächst als weniger geeignet
aussortiert worden.
## Zuerst zurückgestellt, nun präferiert
Zwei Jahre später wurde es doch in die engere Auswahl genommen. Jetzt soll
es laut der für die Endlagersuche zuständigen Nationalen Genossenschaft für
die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) der geeignetste von vier
verbliebenen Standorten sein. Benz sagt: „Sie müssen sehr gut begründen,
warum ein zurückgestellter Standort plötzlich zum präferierten Standort
wird.“
Es gibt auch andere Stimmen: „Es ist auch in unserem Interesse, dass die
Schweizer Abfälle sicher gelagert werden“, erklärt Martin Steinebrunner von
der Deutschen Koordinationsstelle Schweizer Tiefenlager (DKST). Wenn der
sicherste Ort ein paar Kilometer von der Grenze entfernt liege, nehme man
das hin. „Es ist ein Zugewinn an Sicherheit, wenn alles eingelagert ist“,
sagt Steinebrunner mit Blick auf die Castoren, die derzeit oberirdisch
gelagert werden.
Glaubt man den Schweizern, haben allein die Geologen entschieden, welcher
Standort der geeignetste ist. Die Bodenformation und die Erdbebensicherheit
hätten den Ausschlag gegeben. Da es in der Schweiz keine Salzstöcke gibt,
die als geeignetste Formation gelten, müsse ein Standort sogenannten
Opalinuston aufweisen, einen Tonstein, der den strahlenden Müll bestmöglich
abschirmt.
Diese Formation gibt es nach Angaben der Nagra nur im Grenzgebiet zu
Deutschland. Die Nagra will nun bis 2024 ein Baugesuch einreichen, über das
Regierung und Parlament entscheiden. Danach könnte es eine Volksabstimmung
geben. Nach derzeitigem Stand sollen die Arbeiten 2031 beginnen. Die
Einlagerung begänne dann etwa ab 2050. Das Lager würde über Jahrzehnte
beobachtet und etwa 2125 endgültig versiegelt.
Derzeit wird der Atommüll vor allem in der rund 15 Kilometer von der Grenze
zu Deutschland entfernten Gemeinde Würenlingen zwischengelagert. Dort
könnte auch der Industriekomplex entstehen, in dem der Müll für die
Endlagerung vorbereitet wird.
12 Sep 2022
## LINKS
[1] /Schweizer-Endlagerfrage/!5877769
[2] /Suche-nach-Endlager-fuer-Atommuell/!5711317
[3] /Endlagersuche-in-der-Schweiz/!5088297
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Atommüll
Schweiz
Atommüllendlager
Energiekrise
Endlagerfrage
Anti-Atom-Bewegung
IG
Schwerpunkt Atomkraft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Atommüll-Endlager verzögert sich: Begleitgremium ist entrüstet
Eigentlich sollen sie bei der Suche nach einem Endlager vermitteln: Nun
erfahren die Mitglieder aus der Presse über eine gewaltige
Zeitverschiebung.
Standortsuche dauert länger: Atomendlager nicht vor 2046
Bisher sollte im Jahr 2031 klar sein, wo Deutschlands nuklearer Abfall
hinkommt. Nun soll es im Extremfall sogar bis 2068 dauern.
Schweizer Endlagerfrage: Strahlender Müll
Darauf, wo die Schweiz ihre radioaktiven Abfälle lagert, hat Deutschland
keinen Einfluss. Für das nahegelegene Hohentengen ist das Pech.
Suche nach Endlager für Atommüll: Unter der Oberfläche
Ende September werden Standorte benannt, an denen ein nukleares Endlager
errichtet werden könnte. Dann wird die heftige Debatte erst losgehen.
Bericht zu Atommüll: Kaum Licht am Ende des Tunnels
Der erste „Welt-Atommüll-Report“ warnt: Entsorgung, Lagerung und
Finanzierung des nuklearen Abfalls sind praktisch nirgendwo gesichert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.