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# taz.de -- Nahost-Expertin zum Vorschlag von AKK: „Deutschland hat wenig Ein…
> Nahost-Expertin Muriel Asseburg sieht bei einer Schutzzone für Nordsyrien
> viele offene Fragen. Sinnvoller fände sie einen anderen UN-Einsatz.
Bild: Moskau und Ankara haben sich schon geeinigt: Russische Militärpolizei im…
taz: Frau Asseburg, Russland und die Türkei haben sich auf ein gemeinsames
Vorgehen [1][in Nordsyrien geeinigt], kurdische Milizen ziehen sich von
dort zurück. Hat sich Annegret Kramp-Karrenbauers Vorschlag einer
internationalen Sicherheitszone in der Region damit schon wieder erledigt?
Mir ist bis heute unklar, was dieser Vorschlag eigentlich genau beinhaltet.
Wer soll intervenieren? Was sind die Ziele? Wann soll interveniert werden?
Reden wir über eine langfristige Stabilisierung, über den Schutz der Kurden
oder über den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat? Wer soll
eigentlich vor wem geschützt werden? Warum gerade jetzt und nicht als die
Amerikaner die Europäer um Unterstützung gebeten haben? Und wie kann das
ohne eine Flugverbotszone funktionieren?
Ihre Frage ist deshalb nicht ganz einfach zu beantworten. Was aber ganz
sicher ist: Deutschland, die Europäer und die Nato sind derzeit militärisch
außen vor und haben damit auch politisch wenig Einfluss auf das, was jetzt
in Nordsyrien – ja in ganz Syrien – passiert.
Deutschland und Europa sind also die Hände gebunden?
Nein. Es geht jetzt darum, kurzfristig darauf hinzuwirken, dass es nicht zu
noch mehr Kriegsverbrechen, zu ethnischen Säuberungen und zu einem
Bevölkerungstausch durch eine Ansiedlung von Flüchtlingen kommt. Und
darauf, dass der Zugang für humanitäre Hilfe gewährleistet wird.
Langfristig ist es tatsächlich sinnvoll auch darüber nachzudenken, wie
Deutschland und die Europäer zur Stabilisierung der Lage beitragen können.
In dem Zusammenhang könnte man auch über eine UN-Mission sprechen. Dabei
läge der Fokus aber für mich nicht zwingend auf dem Konflikt im Nordosten
des Landes.
Bleiben wir zunächst bei den kurzfristigen Maßnahmen: Wie kann Europa
dahingehend Einfluss nehmen?
Kurzfristig ist der Dialog mit Ankara und Moskau essentiell, also mit
denjenigen, die die Lage – gemeinsam mit Damaskus – vor Ort gestalten. Mit
Sanktionen wird man da relativ wenig erreichen können. Dennoch sollte
gegenüber Ankara ein ganz klares Signal sein: Euer Einmarsch in Syrien ist
völkerrechtswidrig, wir sind nicht einverstanden mit dem, was ihr tut. Und
ihr tragt Verantwortung für Verbrechen, die die mit euch verbündeten
Milizen begehen.
Wenn das unser Signal sein soll, können wir aber nicht gleichzeitig auf
Ankara zugehen und sagen: Wir wollen mit euch gemeinsam eine Schutzzone
errichten. Das bringt uns wieder zu der Frage, wer hier vor wem geschützt
werden soll: die Kurden vor Angriffen der Türkei? Dann kann die Türkei
nicht Partner bei diesem Schutz sein.
Außenminister Heiko Maas fliegt am Samstag in die Türkei und will die
Regierung dort zum Rückzug aus Syrien drängen. Hat das Aussicht auf Erfolg?
Die Idee, dass Heiko Maas einen Rückzug der Türkei erreichen kann, halte
ich für völlig abwegig. Ankara hat sich ja mit Moskau auf eine Präsenz
geeinigt, wenn diese auch deutlich kleiner ausfällt als zunächst von
türkischer Seite angestrebt. Deswegen muss es jetzt um die konkrete
Verbesserungen der Situation gehen.
Wie kann man darauf hinwirken, wenn nicht durch die Drohung mit Sanktionen?
Es geht auch darum, der Türkei gegenüber zu signalisieren, dass wir ihre
Interessen ernst nehmen. Das betrifft einerseits Sicherheitsinteressen.
Bewaffnete, mit der PKK verbündete Milizen direkt an der Grenze sind für
die Türkei nicht hinnehmbar. Humanitärer Zugang und das Verhindern von
Kriegsverbrechen steht diesen Interessen aber nicht entgegen. Das betrifft
aber auch die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage in der Türkei
infolge der vielen Flüchtlinge dort. Hier sollten wir auf Ankara zugehen
und gemeinsam herausfinden, wie wir die Türkei – und andere Aufnahmestaaten
in der Region – noch effektiver unterstützen können. Die Länder in der
Region tragen schließlich die Hauptlast der Flüchtlingskrise.
Kommen wir zur langfristigen Stabilisierung und einem möglichen UN-Einsatz.
Sie sagten, der Fokus würde dabei nicht auf Nordsyrien liegen. Warum nicht?
Wir reden jetzt also nicht vom Eingreifen in akute Kampfhandlungen, sondern
über einen Fall, in dem die territorialen Fragen geklärt sind und es einen
Waffenstillstand in ganz Syrien gibt und das Regime die Kontrolle über das
Land vollständig oder weitgehend übernommen hat. Die Frage wäre dann doch:
Brauchen wir nicht eine internationale Präsenz, die die Stabilisierung im
ganzen Land begleitet? Das würde für mich grundsätzlich mehr Sinn ergeben.
Aber wollen das auch die Sieger des Bürgerkriegs und bekommt man dafür ein
Mandat des UN-Sicherheitsrats?
Russland hätte daran kein Interesse?
Genau. Russland möchte das Land so hinterlassen, dass es einen klaren
Sieger gibt und dann braucht man auch keine UN-Truppe, um etwas zu
stabilisieren. Russland würde gerne das Signal aussenden: Wir haben es
geschafft, das Land zu befrieden. Wenn das Land befriedet ist, bräuchte man
auch keine UN-Präsenz. Allerdings denke ich, dass Syrien auch nach einem
Ende der Kampfhandlungen instabil bleiben wird. Deshalb stellt sich die
Frage schon, wie eine internationale Stabilisierungsmission aussehen
könnte.
Wie würde sie dann aussehen?
Ich denke, wir reden dann eher über UN-Beobachter. Die wären dann vor allem
an den Punkten im Land präsent, wo sich die Siedlungsgebiete verschiedener
Bevölkerungsgruppen überlappen. Das könnte eine konfliktmindernde Wirkung
haben, etwa Racheakte zwischen unterschiedlichen Volksgruppen verhindern.
Das geht aber nur, wenn es tatsächlichen einen Waffenstillstand gibt und
der Sicherheitsrat zustimmt. Ob eine Stabilisierung Syriens gelingt, hängt
aber vor allem davon ab, ob sich die Syrer auf einen neuen
Gesellschaftsvertrag einigen können.
25 Oct 2019
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## AUTOREN
Tobias Schulze
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