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# taz.de -- Uranabfall aus Nordrhein-Westfalen: Atom-Exporte im Visier
> Umweltgruppen protestieren gegen neue Transporte von Uranhexafluorid.
> Hersteller Urenco sieht kein Problem.
Bild: Im Auftrag von Urenco: Lastwagen mit Fässern beladen auf dem Werksgelän…
Berlin/Bochum taz | Die Firma Urenco, die die Urananreicherungsanlage im
westfälischen Gronau betreibt, hat die Wiederaufnahme des umstrittenen
Exports von Uranhexaflourid nach Russland bestätigt. „Bis heute sind sieben
Teillieferungen erfolgt“, sagte Urenco-Sprecher Chris Breuer der taz. Jeder
dieser Transporte umfasste laut einer Aufstellung des
Bundesumweltministeriums etwa 600 Tonnen des giftigen und radioaktiven
Materials. Bis Ende 2020 sollen aus Gronau etwa 6.000 Tonnen nach Russland
geliefert werden; ein Vertrag über weitere 6.000 Tonnen, über den das
Umweltministerium berichtete hatte, beziehe sich nicht nur auf das deutsche
Urenco-Werk, so das Unternehmen.
Zugleich verteidigte Urenco, an dem die deutschen Energiekonzerne RWE und
Eon zusammen zu einem Drittel beteiligt sind, die Wiederaufnahme der im
Jahr 2009 gestoppten Transporte gegen Kritik. „Alle Transaktionen im Rahmen
dieses Vertrags unterliegen strengen Nichtverbreitungsregelungen, die auf
internationalen Sicherheits- und Sicherungsstandards basieren“, erklärte
Breuer. Nach kritischen Berichten in der Vergangenheit, wonach die Behälter
in Russland unter offenem Himmel lagerten und rosteten, habe sich
Urenco-Geschäftsführer vor Ort persönlich vergewissert, dass sich die
Behälter aus dickwandigem Stahl in „ordnungsgemäßem Zustand“ befänden.
Möglich ist der Export, weil Uranhexaflourid, das im Prozess der
Brennelemente-Produktion anfällt, nicht als Atommüll gilt, sondern als
Wertstoff. „Es gibt keine Beschränkungen für den Export von abgereichertem
Uranhexafluorid zwischen den europäischen Anreicherungsanlagen von Urenco
und Russland für zivile Zwecke“, so das Unternehmen. Auch im Fall der
geplanten Wiederanreicherung verbleibt ein Großteil des gelieferten
Materials aber als Nuklearabfall in Russland.
## Mehr als 40 Verbände mobilisieren
Aus diesem Grund formiert sich Protest gegen die Transporte.
Umweltschützer*innen und Atomkraftgegner*innen rufen für Samstag zu einer
Demonstration im emsländischen Lingen auf und wollen „Atom und Kohle die
rote Karte zeigen“. Beginnen werden die Proteste, zu denen mehr als 40
Initiativen und Verbände überregional mobilisieren, um 12 Uhr am Lingener
Bahnhof. „Wir verurteilen die neuen, unverantwortlichen Exporte von
Uranmüll von Gronau nach Russland ausdrücklich“, sagt Udo Buchholz,
Sprecher des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).
„Schon am kommenden Montag könnte der nächste Zug mit 600 Tonnen
hochgiftigem Uranhexafluorid mitten durch Münsters Hauptbahnhof fahren –
direkt an den Fenstern des Wahlkreisbüros von Bundesumweltministerin Svenja
Schulze vorbei“, ärgert sich Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis
Münsterland gegen Atomanlagen. Die Umdeklarierung des Gronauer
Uranhexafluorids zu „Wertstoff“ diene nur zur Umgehung des deutschen
Atomgesetzes, dass den Export von deutschem Atommüll verbiete.
Auch in Russland gibt es scharfe Kritik an der Wiederaufnahme der
Transporte. „Das ist ein zynisches und unmoralisches Geschäft“, erklärte
Wladimir Slivjak, Sprecher der Organisation Ekodefense. Urenco wolle mit
diesem Deal Kosten bei der Entsorgung sparen, Russlands Atomenergieagentur
Rosatom mache mit ausländischem Atommüll Geld.
„Russland darf nicht zur Atommüllkippe der restlichen Welt werden“,
kommentiert Raschid Alimow, Leiter der Energieprojekte von Greenpeace
Russland, die Transporte. Alimow kritisiert die Geheimhaltung dieser
Zusammenarbeit. „Wir fordern die Veröffentlichung der Atommüllvereinbarung
und eine Bestrafung derer, die sich illegaler Geschäfte schuldig gemacht
haben.“ Die russische Gesetzgebung verbiete den Import von Atommüll.
## Umweltaktivisten gelten als Staatsfeinde
Wie geheim die Lagerung von Atommüll in Russland ist, hat auch der beim
Russischen Präsidenten angesiedelte Menschenrechtsrat Ende Februar 2019
erfahren müssen. Bei einem Besuch in Angarsk am Baikalsee, das in der
Vergangenheit ebenfalls Bestimmungsort von Urenco-Atommüll war, hatte der
Menschenrechtsrat bemängelt, dass der Geschäftsbericht des „Elektrolyse-
und Chemiekombinats“ von Angarsk, keine Angaben über die Menge dieser
Atommüllcontainer enthalte. Auch Informationen über Überlegungen, wie es
mit diesen Containern weitergehen solle, suche man in dem Geschäftsbericht
des Kombinats vergeblich. In seinem online abrufbaren Bericht fürchtet der
Menschenrechtsrat die Entstehung von Lecks in den Atommüllfässern von
Angarsk.
Während die russische Atomwirtschaft mit der deutschen Atomwirtschaft
Geschäfte macht, gelten die Gegner dieser Geschäfte als „ausländische
Agenten“. Von 2004 bis 2009 hatte Ekodefense gemeinsam mit Antiatomgruppen
aus dem Münsterland und Greenpeace Russland gegen die Urenco-Transporte
protestiert. 2014 war Ekodefense von den russischen Behörden zum
„ausländischen Agenten“ erklärt worden. Und die Kaliningrader
Ekodefense-Aktivistin Alexandra Korolewa war dieses Jahr aus Angst vor
Verfolgung nach Deutschland geflohen.
25 Oct 2019
## AUTOREN
Bernhard Clasen
Malte Kreutzfeldt
Andreas Wyputta
## TAGS
Anti-Atom-Bewegung
Atom
Russland
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