Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dreckige Luft in Indien: „Lass mich atmen“
> Die Luftverschmutzung in Delhi erreicht einen traurigen Rekord. Unter dem
> Motto „Let me breathe“ formiert sich in Indien jetzt Protest gegen den
> Smog.
Bild: Auch PolizistInnen in Delhi brauchen Schutz vor dem Smog
Mumbai taz | In den letzten Tagen war die Luft in Nordindien wortwörtlich
zum Kotzen. Das mussten auch zwei angereiste [1][Cricket-Spieler
feststellen], als sie in Delhi am Sonntag auf dem Rasen standen. Während
des Spiels Indien gegen Bangladesch mussten sie sich übergeben. Zuvor hatte
die Regierung davon abgeraten, im Freien Sport zu treiben, gar das Haus zu
verlassen. Luftschutzmasken wurden verteilt. Fahrverbote wurden angeordnet,
Bauarbeiten gestoppt und Flüge aufgrund der geringen Sichtweite umgeleitet.
Am Sonntag toppte Delhi den Negativrekord kurzzeitig von [2][über 1.200]
auf dem Air Quality Index (AQI). Wobei über 150 Mikrogramm Feinstaubwert
pro Kubikmeter Luft in Europa schon unter die Kategorie „sehr schlecht“
fällt. Die gesamte Stadt war mit dichtem Smog bedeckt, Menschen klagten
über Kopfschmerzen. Erst nach einem leichten Nieselregen konnte man wieder
etwas auf den vernebelten Straßen sehen.
Als Folge bleiben die Schulen bis Mittwoch geschlossen. Während Delhi einen
Gesundheitsnotstand erklärte, regte sich in den Nachbarstaaten Haryana und
Uttar Pradesh erst mal nichts, obwohl in beiden angrenzenden Staaten die am
meisten verschmutzten Städte der Welt liegen.
Besonders im Norden steigen nach dem Lichterfest Diwali die Feinstaubwerte.
Tonnen von Ernteresten werden jeden Herbst in Punjab und Haryana verbrannt.
Dazu kommen Emissionen von veralteten Fahrzeugen oder der Einsatz von
Dieselgeneratoren. Experten des indischen Zentrums für Wissenschaft und
Umwelt (CSE) warnen seit Jahren vor der extremen Luftverschmutzung im
Winter, politisch passiert wenig.
## Die schlechte Luft trifft alle
Viele Kohlekraftwerke haben immer noch keine Luftschutzfilter. Und
Fahrverbote gelten nur, wenn die Stadt zu kollabieren droht. Die schlechte
Luft trifft alle; nach Protesten am Samstag vor dem Haus der Premiers in
Delhi rief die Gruppe „Let me breathe“ (Lass mich atmen) am Dienstag erneut
zu Protesten auf. Nach einer neuen Studie wünschen sich knapp 40 Prozent
der Bevölkerung, aus der Metropolregion Delhi wegzuziehen, berichtet die
Zeitung [3][The Economic Times].
Dazu zählt auch die Gründerin Tammana Sharma. „Ich akzeptiere das nicht als
neue Normalität“, sagt sie. Seit vier bis fünf Jahren setzt der Smog den
Menschen massiv zu. Sharma beschreibt die Lebensbedingungen in Delhi als
frustrierend. „Masken und Luftreiniger sind Anpassungstechniken für die
Privilegierten“, beklagt sie. Statt die Schuldigen zu suchen, berät sie
Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit und ist auch am Dienstag auf dem
Protest. „Viele Bürger*innen haben begonnen zu erkennen, wie giftig und
tödlich der Smog ist.“
Diese Feststellung teilt der in Delhi ansässige Lungenarzt Vikas Maurya.
„Überall sprechen die Menschen darüber, auch außerhalb meines beruflichen
Umfelds“, sagt er. Dennoch ist er besorgt. „Gerade für Asthmatiker kann
diese Luft tödlich sein, auch Kinder sind besonderer Gefahr ausgesetzt“, so
der Mediziner. Seine Patienten klagen schon länger über Atemnot und
Engegefühl in der Brust. Maurya fordert langfristige Lösungen statt
Aktionismus kurz nach der Katastrophe. Die Situation sei die gleiche wie
vor zwei Jahren, als die Welt besorgt nach Indien blickte.
Besserung ist bisher kaum in Sicht. In der Öffentlichkeit wird die
Luftverschmutzung oft als Hauptstadtproblem angesehen. Doch benachbarte
Städte weisen sogar höhere Werte auf. Der Regierungschef Delhis, Arvind
Kejriwal, nannte den Smog auf Twitter ein Problem des gesamten indischen
Nordens, die Zentralregierung müsse Gegenmaßnahmen über Parteigrenzen
hinweg koordinieren. Bisher haperte es aber genau an dieser Verständigung
zwischen Bund und Bundesstaaten in Indien.
5 Nov 2019
## LINKS
[1] https://www.dnaindia.com/cricket/report-two-bangladeshi-cricketers-vomited-…
[2] https://economictimes.indiatimes.com/news/politics-and-nation/drizzle-worse…
[3] https://economictimes.indiatimes.com/news/politics-and-nation/in-delhi-ncr-…
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
Luftverschmutzung
Delhi
Smog
Luftverschmutzung
Dieselskandal
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Angela Merkel
Schulstreik
WHO
## ARTIKEL ZUM THEMA
Weniger Luftverschmutzung: Europas Luft tötet weniger
Die Europäische Umweltagentur meldet Fortschritte bei der Luftqualität.
Gesundheitsfolgen durch Schadstoffe gibt es aber immer noch.
Mangelnde Umsetzung von Fahrverboten: Noch kein Knast für Kretschmann
Stuttgart überschreitet die Grenzwerte bei Stickoxiden in der Luft. Dafür
ist auch das Land verantwortlich – wie kann es zum Handeln gezwungen
werden?
Umweltschutz in Indien: Eine Frage der Kohle
Die indische Regierung verfolgt ambitionierte Ziele für die Energiewende.
Trotzdem müssen die Menschen dort nach frischer Luft ringen.
Merkel in Indien: Bürokratie als Hindernis
Die Kanzlerin ist zu Gast in Indien. Neben dem Thema Wirtschaft stehen
Nachhaltigkeit, Innovationen und Frauenrechte auf dem Programm.
Fridays for Future weltweit: Demo-Neulinge gegen Klimawandel
Bis zu 20.000 junge Menschen waren in Berlin für eine bessere Klimapolitik
auf der Straße. Und wie sah es an anderen Orten nah und fern aus?
Bericht der Weltgesundheitsorganisation: Drecksluft tötet Millionen Menschen
Neun von zehn Menschen atmen weltweit übermäßig schadstoffverseuchte Luft
ein, berichtet die WHO. Vor allem die Ärmsten seinen betroffen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.