Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Keine Abtreibungen in Flensburger Klinik: Fusion mit Folgen
> Zwei kirchliche Träger wollen im geplanten Klinikum in Flensburg ab 2026
> keine Schwangerschaftsabbrüche mehr vornehmen. Die Empörung ist groß.
Bild: Wer ungewollt schwanger ist, hat es in Flensburg bald wohl noch schwerer …
Rendsburg taz | Zwei christliche Krankenhäuser schließen sich in Flensburg
zusammen. Was für bessere Qualität sorgen soll, hat Folgen für ungewollt
Schwangere: Im neuen Malteser-Diako-Klinikum wird es keine Abtreibungen
geben. Pro Familia und der Verband der Frauenärzte warnen vor Engpässen.
„Froh“ und „mit großem Stolz“ verkündeten die Flensburger
Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) und Schleswig-Holsteins
Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) Mitte Oktober, dass die Fusion
zwischen dem örtlichen Franziskus-Hospital der Malteser und dem
Diakonissen-Krankenhaus eine weitere Hürde genommen hat. Ein gemeinsames
Klinikum ist aus Geld- wie Personalmangel sinnvoll, aber lange lehnten die
Träger einen Zusammenschluss ab: Katholisch und evangelisch unter einem
Verwaltungsdach schien selbst im 21. Jahrhundert undenkbar.
Nach zähen Verhandlungen jedoch platzte der Knoten: Mit dem
Malteser-Diako-Klinikum soll Deutschlands erstes ökumenisches Krankenhaus
entstehen. In Schleswig-Holsteins drittgrößter Klinik sollen rund 2.000
Beschäftigte pro Jahr 100.000 Patient*innen versorgen.
Angesichts des Jubels über die Bereitschaft zweier Kirchen, gemeinsam
Kranke zu behandeln, schien die Frage der Schwangerschaftsabbrüche nur wie
ein Detail. Erst zwei Wochen nach der Mitteilung, dass mit der für 2026
geplanten Neueröffnung die medizinische Leistung für ungewollt Schwangere
wegfallen soll, brach die Empörung los. Zurzeit nimmt die evangelische
Diako Abtreibungen vor, die katholischen Malteser verweigern den Eingriff.
„Die Haltung der katholischen Kirche in dieser Frage ist allgemein
bekannt“, sagte Beate Bäumer, Leiterin des Katholischen Büros
Schleswig-Holstein, der taz. Sie könne „die plötzliche Aufregung“ gar nic…
verstehen.
## „Es wird knapp“
Die Diako habe die Position des katholischen Trägers „vom Anfang bis zum
Ende akzeptiert“, teilte das evangelische Krankenhaus auf Anfrage mit und
verwies auf den geringen Bedarf: 2018 kamen 20 Frauen zum Abbruch, das
seien 10 Prozent der Fälle, die in der Region erwartbar seien. Überhaupt
handele es sich bei Schwangerschaftsabbrüchen um ambulante Eingriffe, die
von den niedergelassenen Praxen vorgenommen würden. Das trifft zwar für
einige Bundesländer zu – nicht aber für Schleswig-Holstein. Es ist das
einzige westdeutsche Bundesland, in dem sogar die Hälfte aller ambulanten
Schwangerschaftsabbrüche in Kliniken durchgeführt wird. Im
Bundesdurchschnitt findet rund ein Fünftel der Abbrüche in Kliniken statt.
In Flensburg selbst sind nur zwei Ärzt*innen bereit zu operativen
Schwangerschaftsabbrüchen, sagt Doris Scharrel, Landesvorsitzende des
Verbands der Frauenärzte: „Es wird knapp.“ Wenn demnächst „einige der
erfahrenen Oldies in den Ruhestand“ gehen, würde sich das Problem
verschärfen.
Das bestätigt Reiner Johannsen, Geschäftsführer des
Pro-Familia-Landesverbands: „Die Möglichkeit für ambulante Abbrüche sinkt.…
In Flensburg selbst habe sich die Zahl der Praxen innerhalb weniger Jahre
halbiert. Und Flensburg ist kein Einzelfall: Auch im Kreis Schaumburg
(Niedersachsen) gab es nach einer Trägerfusion Streit über
[1][Abtreibungen]. Insgesamt sei Schleswig-Holstein noch vergleichsweise
gut versorgt. Alle Frauen in einer Notlage fänden eine Einrichtung, jedoch
„oft nur mit Schwierigkeiten oder mit Kosten verbunden“, sagt der
Pro-Familia-Geschäftsführer. Doch wenn die Klinik in Flensburg wegfällt,
wirke sich das auf die umliegenden Flächenkreise aus.
Bürokratie, hohe Kosten und [2][ein zunehmend abtreibungsfeindliches Klima]
seien Gründe, warum niedergelassene Frauenärzt*innen gar nicht erst
versuchen, eine Lizenz für den ambulanten Eingriff zu erhalten.
## Druck auf Praxen
Auch Doris Scharrel berichtet von Fällen, in denen [3][sogenannte
„Lebensschützer“ Druck auf Praxen machen]. In Lübeck sei eine Frauenärzt…
bedroht worden. Sie bedauert auch, dass das schonendste Verfahren für einen
Abbruch, nämlich per Tablette, immer noch wenig verbreitet ist. Dabei
bestünden dann die besten Chancen, dass die Frau wieder ohne Risiko
schwanger werden könne.
Die Diako betont, dass bei „medizinischen Notfällen“
Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen würden. Das kann auch heißen, dass
„die Schwangere mit der Härte der ausgetragenen Schwangerschaft nicht leben
kann“, erklärt die Frauenärztin Doris Scharrel. Doch dies müsste
nachgewiesen werden – für Beratungsstellen wie Pro Familia ist das nicht
akzeptabel.
Die politische Opposition sieht das Land als Aufsichtsbehörde in der
Pflicht: „Selbst wenn die Versorgung durch das ambulante Angebot
sichergestellt sein sollte, ist die Verpflichtung der Klinik notwendig“,
sagt die Linken-Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring. Die SPD will das
Thema im Sozialausschuss des Landtags bringen, so Birte Pauls,
pflegepolitische Sprecherin der Fraktion: „Wir fragen uns, welchen
medizinischen Versorgungsauftrag die Landesregierung mit der
millionenschweren Förderung des Neubaus verbunden hat.“
4 Nov 2019
## LINKS
[1] /No-Choice-im-Krankenhaus/!5355366
[2] /Kristina-Haenel-ueber-Paragraf-219a/!5632534
[3] /Werbung-von-Abtreibungsgegnerinnen/!5626936
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schwerpunkt Abtreibung
Flensburg
Krankenhäuser
Privatisierung
Schwerpunkt Abtreibung
Nigeria
Schwerpunkt Paragraf 219a
Geburt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Massenentlassung in Klinik angekündigt: Hiobsbotschaft im Advent
Die private Schön-Gruppe ist angetreten, um die Rendsburger Kreisklinik in
Schleswig-Holstein zu retten. Doch nun fliegen massenweise Angestellte
raus.
Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg: Streit über Versorgungslücke
Seit zwei Jahren fragt sich Flensburg, wie Frauen vor Ort Abtreibungen
erhalten können. Nun hofft Bürgermeisterin Simone Lange auf Hilfe des
Landes.
Gesellschaftliche Ächtung in Nigeria: Schande den Kinderlosen
Endlich hat Zulayhatu Babangida einen Sohn bekommen. Sie hat Glück, denn
wer kinderlos bleibt, wird in Nigeria ausgegrenzt.
Urteil in Karslruhe: Erfolg für Thomas Fischer
Ex-Bundesrichter Fischer hat gegen die Journalistin Mayr vor Gericht im
Wesentlichen gewonnen. Es ging um ihre Kritik seiner Kommentierung zum §
219a.
Jens Spahn und die Hebammen: Geburtenkontrolle à la CDU
Dass Hebammen bald studieren, wird ihnen mehr Respekt bringen. Den lässt
aber der Gesundheitsminister Frauen gegenüber vermissen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.