Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg: Streit über Versorgungslü…
> Seit zwei Jahren fragt sich Flensburg, wie Frauen vor Ort Abtreibungen
> erhalten können. Nun hofft Bürgermeisterin Simone Lange auf Hilfe des
> Landes.
Bild: Protest gegen den Paragrafen 218 StGB in Flensburg
Neumünster taz | Im Norden nichts Neues: Seit gut zwei Jahren befasst sich
die Stadt Flensburg mit der Frage, wie Frauen, die ungewollt schwanger
sind, künftig vor Ort eine Abtreibung erhalten. Bei einer Pressekonferenz
stellten die Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) und Mitglieder der
zuständigen Arbeitsgruppe ein Zwischenergebnis vor. Es lautet: Die Lage sei
ernster als gedacht, die Stadt eigentlich gar nicht zuständig – nun solle
das Land eingreifen. Doch das Gesundheitsministerium sieht keinen Grund
dafür.
Fünf Praxen in der 90.000-Einwohner*innen-Stadt bieten heute Abtreibungen
an, außerdem können Frauen den Eingriff im evangelischen Diako-Krankenhaus
vornehmen lassen. Klar ist, dass sich die Lage verschlechtern wird. Denn
die Diako fusioniert in wenigen Jahren mit dem katholischen
St.-Franziskus-Hospital des Malteser-Ordens. Die neue Klinik wird – das ist
eine Bedingung der katholischen Seite – [1][keine Abtreibungen aus sozialen
Gründen mehr vornehmen]. Nur in medizinischen Notfällen steht das
Krankenhaus dann noch zur Verfügung. Bekannt ist das seit Herbst 2019.
In der Realität sei die Lage für die Betroffenen schwieriger, als es die
Zahlen darstellten, sagt Thorsten Prümm vom Beratungsverband Pro Familia:
„Schon heute kann nicht jede Frau adäquat versorgt werden.“ Vor allem fehle
es an Praxen, die Abbrüche per Medikament anbieten. Diese Methode gilt als
schonender als operative Eingriffe.
Auch Doris Scharrel, Landesvorsitzende des Berufsverbandes der
Frauenärzte, bedauert, dass zu wenige Praxen medikamentöse Abbrüche
anbieten, landesweit sind es rund 40. Das Problem verschärfe sich, wenn in
den nächsten Jahren Niedergelassene, die bisher Abtreibungen vornahmen, in
den Ruhestand gingen. Ihrer Meinung nach gibt es bisher keinen Engpass,
„aber er droht“. Doch eine Arbeitsgruppe auf Landesebene arbeite bereits an
Lösungen.
## Abtreibung per Tablette
Das Ziel ist, dass mehr Praxen Abtreibungen anbieten. Denn in
Schleswig-Holstein fände gut die Hälfte aller Abtreibungen in Kliniken
statt, weit mehr als in anderen Ländern. Sinnvoll sei es, Ärzt*innen, die
eine Praxis übernehmen, besser zu informieren, welche Genehmigungen und
Ausstattung sie brauchen. Dazu würden bereits Fortbildungen angeboten.
Scharrel wünscht sich außerdem, die bürokratischen Hürden für medikamentö…
Abbrüche zu senken: Die vergleichsweise sanfte Abtreibung per Tablette gilt
als Operation, Praxen müssen entsprechendes Personal vorhalten. „Ich kann
mir vorstellen, dass künftig die Kooperation mit einem Operateur reicht,
ohne dass dieser vor Ort sein muss“, sagt Scharrel.
In Flensburg wird inzwischen die Verantwortung dafür herumgeschoben: Pastor
Dirk Outzen als Vorstandsvorsitzender der Diako verweist darauf, dass für
Krankenhäuser „weder eine Pflicht noch ein Versorgungsauftrag“ besteht,
Abtreibungen anzubieten: „Es ist eine ambulante Leistung.“ Dennoch sei es
der Diako wichtig, auch in Zukunft eine gute Versorgung zu gewährleisten.
Simone Lange betont, die Stadt wolle sich nicht entziehen, aber es sei
eigentlich Sache des Landes, die Versorgung sicherzustellen. Doch das Land
sieht keinen Grund zum Handeln: „Wir verfolgen die Entwicklungen der
Versorgungssituation aufmerksam“, teilt der Sprecher des Kieler
Gesundheitsministeriums auf Anfrage mit. „Aus Sicht des Landes besteht eine
Gefährdung der Versorgung zum jetzigen Zeitpunkt in Flensburg nicht.“ Lange
dazu: „Wenn das so ist, dann haben wir einen Dissenz.“ Eine Lösung aber hat
sie nicht.
## Befragung zu Bedürfnissen
Dabei gab es bereits im Jahr 2019 Ideen. Etwa, dass die Stadt eine eigene
Facharztstelle schafft, etwa als Teil des Gesundheitsamtes oder in einem
Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ), also einer Gemeinschaftspraxis, die
von der Stadt betrieben wird. Solche kommunalen MVZs gibt es bereits in
zahlreichen Städten in Schleswig-Holstein, um Lücken der Versorgung zu
schließen.
Im Jahr 2020 nahmen die Pläne in Flensburg konkrete Form an: So sollte nahe
der neuen Klinik ein „Gesundheitscampus“ mit zahlreichen Angeboten
entstehen. Auf die Frage, wie weit diese Pläne gediehen seien, antwortet
Simone Lange inzwischen ausweichend: „Es gehört in den Auftrag der
Arbeitsgruppe, dieses Konstrukt zu prüfen.“ Outzen ergänzte, dass die
Gründung eines MVZs „nicht trivial“ sei. Auch diese Erkenntnis ist nicht
neu.
Geplant ist nun, dass die Flensburger Europa-Universität eine Befragung
startet, um „die Bedürfnisse der Frauen“ zu ermitteln. Ergebnisse sollen in
rund einem Jahr vorliegen.
18 Dec 2021
## LINKS
[1] /Schwangerschaftsabbruch-in-Flensburg/!5720487
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schwerpunkt Abtreibung
Schleswig-Holstein
Gesundheitspolitik
Flensburg
Paragraf 218
Schwerpunkt Abtreibung
Schwerpunkt Abtreibung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Paragraf 218 verhindert Lösungen: Abgebrochene Gesundheitspolitik
Zum Scheitern verurteilt sind Versuche von Kommunen, die Versorgungslage
bei Schwangerschaftsabbrüchen zu verbessern.
Schwangerschaftsabbruch in Flensburg: Stadt sucht Abtreibungs-Arzt
Weil zwei christlicher Kliniken fusionieren, wird in Flensburg die
Möglichkeit wegfallen, im Krankenhaus abzutreiben. Die Stadt will Ersatz
schaffen.
Keine Abtreibungen in Flensburger Klinik: Fusion mit Folgen
Zwei kirchliche Träger wollen im geplanten Klinikum in Flensburg ab 2026
keine Schwangerschaftsabbrüche mehr vornehmen. Die Empörung ist groß.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.