# taz.de -- Pressefreiheit im Westjordanland: Palästinensische Webseiten gespe… | |
> Ein palästinensisches Gericht hat zahlreiche Internetportale von Gegnern | |
> von Mahmut Abbas geblockt. Auch Hamas-nahe Seiten sind betroffen. | |
Bild: Die Menschen in Gaza sind derzeit abgeschnitten von Teilen des Internets | |
Tel Aviv taz | „This site can’t be reached.“ Wer derzeit vom Westjordanla… | |
und von Gaza aus auf verschiedene Internetseiten zugreifen will, sieht | |
lediglich diese Worte und einen traurigen Smiley. Vor zwei Wochen entschied | |
ein Amtsgericht in Ramallah, dass 59 palästinensische Internetseiten, Blogs | |
und Facebookseiten geschlossen werden müssen. | |
In dem Antrag der Staatsanwaltschaft heißt es, dass die Internetseiten die | |
Sicherheit der Palästinensischen Autonomiebehörde und die ihrer Funktionäre | |
gefährde und zu Gesetzesbrüchen anstacheln könnten. Gemeinsam ist den | |
[1][geblockten Seiten], dass sie der Autonomiebehörde kritisch | |
gegenüberstehen. | |
Viele der Webseiten sind mit der islamistischen Hamas oder dem Islamischen | |
Dschihad verbunden. Einige sympathisieren mit Mohammed Dahlan, einem | |
Kontrahenten von Abbas. Dahlan, der seit acht Jahren im Exil in den | |
Vereinigten Arabischen Emiraten lebt, wird nachgesagt, Internetseiten zu | |
betreiben, die Abbas und der Palästinensischen Autonomiebehörde unter | |
anderem Korruption vorwerfen. Aber auch die Internetseite Arab48 mit Sitz | |
in Israel steht auf der Liste. Sie steht der arabischen Partei Balad nahe. | |
Die Entscheidung fiel auf Antrag der palästinensischen Staatsanwaltschaft, | |
es wird aber angenommen, dass Funktionäre der Palästinensischen | |
Autonomiebehörde hinter diesem stehen. Sprecher der Regierung wollten sich | |
zu den Vorgängen nicht äußern. | |
## Demonstration in Ramallah | |
Der Entscheid sei ein „Todesstoß für Meinungsfreiheit“, sagte Nasser Abu | |
Baker, der Sprecher des palästinensischen Journalistensyndikats mit Sitz in | |
Ramallah: „Das ist ein schwarzer Tag für den palästinensischen | |
Journalismus.“ Das Syndikat hat gemeinsam mit einer Reihe | |
Menschenrechtsorganisationen Berufung gegen die Entscheidung eingelegt. | |
Verschiedene Medienportale organisierten eine Demonstration vor dem | |
Amtsgericht in Ramallah. Nadhan Khrarishi, der Medienverantwortliche des | |
Syndikats, sagt: „Die Regierung behauptet zwar, sie habe nichts mit der | |
Gerichtsentscheidung zu tun. So oder so: Sie ist für das Gesetz | |
verantwortlich, auf dessen Basis diese Entscheidung gefällt wurde.“ | |
Khrarishi bezieht sich damit auf das sogenannte „Cyberkriminalitätsgesetz“, | |
das 2017 erlassen wurde. [2][Es besagt unter anderem, dass, wer die | |
Sicherheit des Staates bedroht, öffentlichen Anstand verletzt und die | |
„nationale Einheit beschädigt“, mit Geldbuße oder Haft bestraft werden | |
kann.] Internetseiten dürfen innerhalb von 24 Stunden blockiert und Nutzer | |
dieser Seiten mit Haft- und Geldstrafe belegt werden. | |
## Hamas protestiert | |
Menschenrechtsorganisationen und Institutionen für digitale Rechte kämpfen | |
seit der Einführung gegen das Gesetz wegen seiner Verletzung der | |
Meinungsfreiheit und wegen der vagen Formulierungen, die je nach | |
politischem Willen ausgelegt werden können. Bereits 2017 waren auf Basis | |
des Cyberkriminalitätsgesetzes zeitweise 30 Webseiten blockiert. | |
Auch im von der Hamas regierten Gaza gab es Demonstrationen. Protest kam | |
auch von offizieller Seite der Hamas. Husam Badran, während der Zweiten | |
Intifada mutmaßlich verantwortlich für verschiedene Bombenanschläge in | |
Israel und nun Pressesprecher der Hamas, rief die Palästinensische | |
Autonomiebehörde dazu auf, „internationale Gesetze und Abkommen | |
einzuhalten, die Meinungsfreiheit und das Recht auf freien | |
Informationszugang für jeden Einzelnen einzuhalten“. | |
Für Khrarishi vom Journalistensyndikat ist diese Presseerklärung ein | |
taktisches Manöver und verdreht die Wahrheit. Zwar hätte die Hamas in Gaza | |
nicht die technischen Fähigkeiten, Seiten zu blocken. Doch auch sie würden | |
laut Khrarishi das Cybercrimegesetz anwenden und auf Basis des Gesetzes | |
unliebsame Journalisten belästigen oder einsperren. | |
## Sperrung als Mittel im Wahlkampf? | |
Khrarishi vermutet, dass die Gerichtsentscheidung in einem Zusammenhang mit | |
den Wahlen steht, die Mahmut Abbas vor der UNO, ohne ein Datum zu nennen, | |
angekündigt hat – für das Westjordanland und Jerusalem, aber auch für das | |
von der Hamas regierte Gaza. Dies könnte bedeuten: Abbas wappnet sich für | |
den Wahlkampf und versucht [3][seine Kontrahenten] durch die Behörden zu | |
schwächen. | |
Seit 2009 führt Abbas die Amtsgeschäfte ohne demokratische Legitimierung. | |
Die Wahlen wären die ersten seit 2006. | |
4 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Berichterstattung-in-Palaestina/!5435391 | |
[2] /Meinungsfreiheit-in-Palaestina/!5439473 | |
[3] /Abbas-Machtkampf-um-Gaza/!5425761 | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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