# taz.de -- Arabische Israelis demonstrieren: Polizei Untätigkeit vorgeworfen | |
> Für arabische Israelis ist die Gewalt in der Gesellschaft kein Ergebnis | |
> arabischer Kultur. Es gehe um staatlichen Rassismus. | |
Bild: Minister Gilad Erdan hält die „arabische Gesellschaft für eine sehr, … | |
TEL AVIV taz | „Eltern erzählen mir, sie haben Angst um das Leben ihrer | |
Kinder, wenn sie auf die Straße gehen“, sagt Aida Touma-Suleiman, eine | |
Parlamentsabgeordnete von der arabischen Gemeinsamen Liste. „Wir wollen | |
nicht mehr in dieser Angst leben.“ Touma-Suleiman steht in einem Zelt, das | |
sie mit den anderen zwölf Abgeordneten der Gemeinsamen Liste vor drei Tagen | |
vor der Knesset aufgebaut hat, dem israelischen Parlament. | |
Hinter ihr hängt ein Transparent mit der Aufschrift „Wir wollen ohne Gewalt | |
und Kriminalität leben“. Die Abgeordneten sind im Hungerstreik, um gegen | |
die Ignoranz, die Israels Polizei und Politik der Gewalt innerhalb der | |
arabischen Gesellschaft entgegenbringen, zu protestieren. | |
Fast täglich steigt die Zahl der Toten. Seit Jahresbeginn sind schon 81 | |
Menschen Opfer sogenannter Ehrenmorde, von Fehden und Racheakten geworden. | |
Im arabisch geprägten Jaffa zahle mittlerweile fast jedes Unternehmen | |
Schutzgeld, erklärt der von dort stammende Sami Abu Shehade, ebenfalls | |
Abgeordneter der Gemeinsamen Liste. „Die gesamte arabische Gesellschaft | |
leidet darunter. Die Witwen, die Eltern, die ihre Kinder verloren haben.“ | |
Seit einigen Wochen finden Demonstrationen statt, die größte in dem | |
arabischen Dorf Umm al-Fahm mit mehr als zehntausend größtenteils | |
arabischen Israelis. | |
## Vorwurf der mangelnden Kooperation | |
Nicht wenige jüdische Israelis machen die arabischen Israelis für die | |
Gewalt verantwortlich. Sie werfen ihnen unter anderem vor, nicht mit der | |
Polizei kooperieren zu wollen. | |
Der Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan vom Likud, sagte in | |
einem Interview: „Die arabische Gesellschaft, und ich sage das mit großem | |
Schmerz, ist eine sehr, sehr gewalttätige Gesellschaft. Eine Mutter kann | |
ihrem Sohn erlauben, seine Schwester zu ermorden, weil sie mit einem Mann | |
ausgeht, den die Familie nicht mag. Ich lasse nicht zu, dass diese | |
Diskussion vom eigentlichen Problem ablenkt.“ | |
Für Ayman Odeh, Vorsitzender der Gemeinsamen Liste, ist die Kriminalität | |
innerhalb der arabischen Gesellschaft aber nicht das Ergebnis der | |
arabischen Kultur, sondern von staatlichem Rassismus: „Von einem Minister, | |
der uns als Feinde sieht und sich weigert, uns vor kriminellen | |
Organisationen zu beschützen, die den Großteil der Waffen von der Armee | |
besitzen.“ | |
## Unterschied zwischen jüdischen Opfern und arabischen | |
Auch für Sami Abu Shehade ist dies eine rassistische Erklärung. Tatsächlich | |
gebe es innerhalb der arabischen Bevölkerung ein Misstrauen gegenüber der | |
Polizei. Das Problem sei aber, dass die Polizei mit Arabern anders umgehe | |
als mit Juden – auch mit arabischen Opfern: „Ist das Opfer jüdisch, | |
arbeitet das System anders als bei uns. Seit dem Jahr 2000 wurden nur in 2 | |
Prozent der Mordfälle die Täter festgesetzt. Die Polizei kümmert sich nicht | |
um arabische Opfer. “ | |
Polizeisprecher Mickey Rosenfeld kontert: „Von den Morden dieses Jahres | |
wurden bisher 33 aufgeklärt und die Verantwortlichen festgesetzt.“ Ein | |
Schwerpunkt der Polizeiarbeit liege darin, in die arabischen Gemeinschaften | |
zu gehen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Sieben Polizeistationen seien | |
dieses Jahr in arabischen Gebieten eröffnet worden. Demnächst kämen weitere | |
hinzu. | |
Für die Hungerstreikenden im Zelt sind dies Lippenbekenntnisse: Die Polizei | |
müsse tatsächlich gegen kriminelle Gangs vorgehen und Täter ermitteln. Auch | |
müsse das Bildungssystem für die arabische Bevölkerung verbessert und der | |
Armut innerhalb dieser Gruppe begegnet werden. „Bis dahin“, erklärt Aida | |
Touma-Suleiman, „protestieren wir weiter.“ | |
NaN NaN | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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