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# taz.de -- Die EZB könnte grüner werden: Wird Lagarde Klimaschützerin?
> Die neue Chefin der Europäischen Zentralbank tritt ihr Amt an. Mit ihr
> kommt die Hoffnung, dass die EZB die Finanzmärkte auf Klimaschutz trimmt.
Bild: Anders als ihr Vorgänger will die neue EZB-Präsidentin Lagarde Zentralb…
Berlin taz | An ihrem ersten Tag als Präsidentin der Europäischen
Zentralbank hat Christine Lagarde frei: Am 1. November ist Allerheiligen.
In Hessen, wo die EZB sitzt, ist das zwar kein Feiertag, die Zentralbank
nimmt sich aber trotzdem einen. Unabhängigkeit ist schließlich ihr oberstes
Gut. Lagarde betritt also erst am Montag erstmals als Chefin das
Gebäudeensemble im Frankfurter Ostend. Dumm für die Aktivist*innen von
Extinction Rebellion, Attac und Fridays for Future, die das offenbar nicht
wussten und ihre Proteste gegen die europäische Geldpolitik auf diesen
Freitag legten.
Einem der Anliegen der Protestierenden wird sich Lagarde im EZB-Tower
künftig trotzdem annehmen. [1][Attac] fordert, die EZB möge künftig, wenn
sie Anleihen von Unternehmen oder Staaten kauft, soziale Kriterien sowie
Umwelt- und Klimaschutz berücksichtigen. Die Zentralbank soll also Druck
auf Staat und Wirtschaft machen, nicht mehr so schmutzig zu wirtschaften
und netter zu Mensch und Tier zu sein.
Ideen dazu diskutieren Zentralbanker seit Jahren. Eine Maßnahme könnte aus
dem Forderungskatalog von [2][Extinction Rebellion] stammen: sagen, was
ist. Alle Finanzmarktakteure sollen offenlegen, wie sie der Klimawandel
trifft. „Klimarisiken bergen erhebliche finanzielle Risiken“, sagte diese
Woche Sabine Mauderer, Mitglied des Vorstands der Bundesbank, die eine
Tagung zum Thema Nachhaltige Finanzen abhielt.
Weil Bundesbank und EZB die Finanzstabilität überwachen und Banken
beaufsichtigen, können sie Klimarisiken einen Preis geben. Lagarde sagte
vor dem EU-Parlament, die ökologische Transformation und Maßnahmen gegen
Klimawandel hätten für sie Priorität.
## Klimawandel: kein neues Thema für Zentralbanken
„Viele Zentralbanken haben voll auf dem Schirm, was der Klimawandel
ökonomisch bedeutet“, sagt der Volkswirt Gerhard Schick, Vorstand der
Bürgerbewegung Finanzwende. Sie seien es, die das Thema in den letzten
Jahren mit nüchterner Rationalität betrachtet hätten. „Die Regierungen
haben das schmerzlich vermissen lassen“, sagt Schick.
Risiken sind auf den Finanzmärkten neben Renditen die entscheidenden
Währungen. Die [3][niederländische Zentralbank hat bereits 2016 damit
begonnen, diese in Sachen Klimawandel zu messen], also erstens zu
ermitteln, was kaputtgeht, wenn Ackerland verschwindet, Gletscher
schmelzen, Stürme Küstenstädte verwüsten. Und welcher Versicherer oder
welche Bank dann Verluste macht.
Das Zweite sind die sogenannten transitorischen Risiken: Welche Ölkonzerne,
Kohleförderer, Autobauer, Chemiewerke, Agrofirmen sind bald weniger oder
nichts mehr wert, weil Staaten den Ausstoß von CO2 immer teurer machen? Ist
das transparent, können Investoren sich zurückziehen oder die Firmen auf
einen Wandel drängen. Zentralbanken können erzwingen, diese Risiken
transparent zu machen. Die EZB hat beispielsweise die Aufsicht über Europas
Großbanken und kann ihnen entsprechende Vorschriften machen.
Ein weiterer Punkt: Die Europäische Zentralbank könnte ihre umstrittene
Politik des billigen Geldes auch für Klimabelange einsetzen. Im Zuge der
sogenannten quantitativen Lockerung hat sie für über 2 Billionen Euro
Staatsanleihen und für rund 180 Milliarden Euro Unternehmensanleihen
gekauft. Schon lange gibt es Forderungen, dass die EZB in ihrem Programm
für Konzerne Klimakriterien hätte berücksichtigen müssen – statt Bayer die
[4][Übernahme von Monsanto zu verbilligen].
## Verbindliche Standards fehlen
[5][Ihr Vorgänger, Mario Draghi], hat das stets abgelehnt. Eine Begründung
war, es gebe überhaupt keine einheitliche Definition, wie sich messen
lässt, welche Konzerne sauberer wirtschaften. Zwar müssen Großkonzerne in
Europa Nachhaltigkeitsberichte erstellen, in denen etwa drin steht, wie
effizient sie mit Energie umgehen. „Verbindliche Standards für
klimabezogene Veröffentlichungspflichten über Länder und Branchen hinweg
fehlen aber noch“, sagt Schick.
Die EU arbeitet nicht nur daran, sondern auch an einer detaillierten
Definition, wann sich welches Unternehmen mit Segen der EU als nachhaltig
bezeichnen darf. Diese sogenannte Taxonomie soll ab 2022 detailliert
definieren, nach welchem Verfahren etwa ein Stahlkonzern arbeiten muss,
damit er als ökologischer Vorreiter gilt. Als neue Chefin der Europäischen
Zentralbank will Lagarde prüfen, ob sich die Definition dann auch auf ihre
Anleihenkaufprogramme anwenden lässt.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will bereits im nächsten Jahr
Umweltanleihen an den Markt bringen, mit denen der Bund nachhaltige
Projekte investiert, eine Art Öko-Staatsanleihe. Denn die Zentralbank ist
ohnehin nur eine Akteurin. „Die konkreten Investitionen für eine
Transformation müssen sich rechnen. Das geht nur über Steuerpolitik,
Ordnungsrecht oder Anreize durch die Regierung“, sagt Schick.
31 Oct 2019
## LINKS
[1] /Streit-um-Gemeinnuetzigkeit/!5633138
[2] /Extinction-Rebellion-weltweit/!5631865
[3] /Ziele-der-EU-Kommission/!5597785
[4] /Falscher-Bericht-ueber-Monsanto-Kauf/!5603531
[5] /Ende-der-Aera-Draghi/!5633330
## AUTOREN
Ingo Arzt
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