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# taz.de -- Fußballer und das türkische Militär: Betont lässiger DFB
> Nachdem die Nationalspieler Ilkay Gündoğan und Emre Can in die Kritik
> geraten sind, versucht der Verband alles, um die Debatte zu
> entpolitisieren.
Bild: Ilkay Gündoğan beim Training mit der Nationalelf
Es war ein bemerkenswertes Foto, das die deutsche Fußballnationalmannschaft
da über Twitter verbreitet hat. Es zeigt die deutsche
Fußballnationalmannschaft und ihre Betreuer, wie sie betont lässig für ein
[1][Gruppenfoto posieren]. Der Text zum Bild lieferte eine klare Botschaft:
“Gemeinsam für Offenheit, Vielfalt und Toleranz. Gegen jede Form von Gewalt
und Diskriminierung.“ Und noch eine Botschaft wurde geliefert. Manuel Neuer
legt seine Arme um seine Teamkameraden Emre Can und Ilkay Gündoğan.
Letztere waren auffällig geworden, nachdem sie einen [2][Instagram-Post]
mit einem Herzchen versehen hatten, auf dem zu sehen ist, wie Spieler der
türkischen Nationalmannschaft im EM-Qualifikationsspiel gegen Albanien nach
einem Tor mit militärischem Gruß gefeiert haben. Gepostet hatte das Foto
der Torschütze Cenk Tosun. Der Text dazu liest sich, als hätte ihn ein
Propaganda-Offizier der türkischen Armee verfasst, die gerade dabei ist, in
Nordsyrien gegen die Kurden zu kämpfen, die zuvor die Herrschaft des IS im
Land beendet hatten: „Für unsere Nation, vor allem für jene, die für unser
Land ihr Leben riskieren.“
Der Post machte in den sozialen Medien schnell Karriere, und wer auf
Twitter nach Can oder Gündoğan suchte, landete bald bei den
unappetitlichsten Beschimpfungen, wobei das Wort “Muslimpack“ noch das
harmloseste war. Mit der gewiss berechtigten Kritik am Einmarsch türkischer
Truppen in die Kurdengebiete Syriens hatten diese Hasspostings nichts zu
tun. Der DFB versuchte nun alles, um der längst laufenden Diskussion und
dem offen zutage tretenden Hass möglichst schnell zu begegnen.
Die Likes der Spieler verschwanden. Bundestrainer Joachim Löw versicherte
nach dem 3:0-Erfolg der DFB-Elf im EM-Qualifikationsspiel in Estland, dass
die beiden Spieler „gegen Terror, gegen Krieg“ sind. Ilkay Gündoğan selbst
erklärte: „Dahinter war natürlich keine politische Absicht. Emre und ich
sind beide konsequent gegen jeglichen Terror und jeglichen Krieg. Egal wo
er stattfindet.“
## Versuch der Entpolitisierung
Der DFB und seine beiden Spieler versuchten alles, um die Debatte um
Gündoğan und Can zu entpolitisieren. Zudem soll wohl der Eindruck
vermittelt werden, dass man bekennende Kriegsbefürworter nicht in der
Mannschaft haben möchte. Um solche gibt es im Profi-Fußball heftige
Diskussionen. Cenk Şahin vom Zweitligisten FC St. Pauli steht vor dem
Rauswurf, nachdem er einen den Krieg verherrlichenden Post geteilt hatte,
was er trotz massiver Fanproteste nicht zurückgenommen hat. Und beim AS Rom
steht Cengiz Ünder massiv in der Kritik, nachdem er ein Bild gepostet
hatte, das zeigt, wie er im Trikot des italienischen Erstligisten für die
Truppe salutiert hatte.
Die Herzchen, die Can und Gündoğan verteilt haben, für unpolitisch zu
erklären, scheint die einzige Möglichkeit zu sein, eine Diskussion über die
Haltung der Spieler zum türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Ergoğan
und dessen Krieg zu verhindern. Beide haben im Frühstadium ihrer Karriere
mit Cenk Tosun, der das Foto aus dem Albanien-Spiel gepostet hatte, einst
zusammengespielt und können mit einiger Berechtigung sagen, dass sie sich
einfach für ihren ehemaligen Kollegen, den Schützen des entscheidenden
Treffers, gefreut haben.
Doch das reicht nicht. Der DFB inszeniert sie im Teamkreis beinahe schon
als Friedensengel. Damit wird das Bild zu einer Antwort auf ein Foto, das
die türkische Nationalmannschaft nach dem Albanienspiel aus der Kabine
gepostet hat. Da zeigen alle Spieler und Betreuer den militärischen Gruß.
Der lässig posierende DFB-Tross ist da durchaus ein bemerkenswerter
Gegenentwurf zum martialischen Auftreten der türkischen Mannschaft.
14 Oct 2019
## LINKS
[1] https://twitter.com/DFB_Team/status/1183628802351685633
[2] https://www.instagram.com/p/B3fnwLhnTwP/
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Ilkay Gündoğan
Fußball
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Nations League
Fußball
Lesestück Recherche und Reportage
Mesut Özil
Sprache
Mesut Özil
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