# taz.de -- Zu wenige Lehrer*innen: Gleicher Job, ungleicher Sold | |
> Für die Klassen 1 bis 10 fehlen bundesweit viele Lehrer*innen. Für die | |
> Jahrgangsstufen 11 bis 13 herrscht ein Überangebot. Warum? | |
Bild: Liegt es am Gehalt? In NRW wollen zu wenige Lehrer*innen an Grundschulen … | |
DÜSSELDORF taz | Trotz massiven Lehrkräftemangels vor allem an Grundschulen | |
und in der Sekundarstufe I hat Nordrhein-Westfalens FDP-Schulministerin | |
Yvonne Gebauer Forderungen nach schneller Angleichung der | |
Lehrer*innenbesoldung eine Absage erteilt. „Eine Mär“ sei, dass mit | |
gleicher Bezahlung aller Unterrichtenden freie Stellen schneller besetzt | |
werden könnten, sagte Gebauer am Donnerstag im Landtag in Düsseldorf. | |
An den Grund- Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen in NRW fehlen in | |
den Klassen 1 bis 10 derzeit rund 4.000 Lehrer*innen. Bis 2029 dürften | |
zwischen Rhein und Weser sogar rund 15.000 Stellen nicht besetzt werden | |
können, rechnet das Schulministerium in einer aktuellen Bedarfsanalyse vor. | |
Bundesweit könnten allein an den Grundschulen schon [1][im Schuljahr | |
2025/26 sogar mehr als 26.000 Lehrkräfte fehlen], hatte auch die | |
Bertelsmann-Stiftung erst im September gewarnt. | |
Für die Jahrgangsstufen 11 bis 13 wird es dagegen ein massives Überangebot | |
geben: In NRW rechnet Ministerin Gebauer bis 2029 mit einem | |
„Bewerberüberhang“ von 16.000 Absolvent*innen. Grund dafür dürfte neben … | |
mit den Titel „Studienrätin“ verbundenen höheren Sozialprestige auch die | |
bessere Bezahlung sein: Für Unterricht bis Klasse 10 wird in der | |
Besoldungsgruppe A12 ein Einstiegs-Grundgehalt von 3.654 Euro gezahlt. In | |
der Sekundarstufe II gibt es dagegen 4.265 Euro. | |
Gewerkschaften, SPD und Grüne fordern deshalb immer wieder eine Angleichung | |
der Besoldung – schließlich sind die Ausbildungszeiten aller | |
Lehramtsstudiengänge gleich lang. Im Wahlkampf hatte auch | |
Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Armin Laschet versprochen, | |
mittelfristig für Gleichbehandlung sorgen zu wollen. Noch aber blockt sein | |
Parteifreund und Finanzminister Lutz Lienenkämper: Gegen den, räumte | |
Schulministerin Gebauer vom kleinen Koalitionspartner FDP erst zu Beginn | |
des neuen Schuljahrs Ende August ein, könne sie sich leider nicht | |
durchsetzen. | |
## Ein Job mit Pultstatus? | |
Die 53-Jährige versucht deshalb, den Beruf mit viel Werbung attraktiver | |
wirken zu lassen. Kampagnen mit mehr oder weniger witzigen Titeln wie „Ein | |
Job mit Pultstatus – Lehrerin oder Lehrer werden in NRW lohnt sich“ sollen | |
mehr Abiturient*innen dazu bringen, sich für einen Schuljob zu | |
interessieren. | |
Außerdem bietet Gebauer ausgebildeten, aber arbeitslosen Lehrerinnen für | |
die Sekundarstufe II an Gymnasien und Gesamtschulen die Möglichkeit, sich | |
an Haupt-, Real- oder Sekundarschulen zu bewerben und dort sofort in ein | |
„Dauerbeschäftigungsverhältnis“ übernommen zu werden. Nach „sechsmonat… | |
praktischer Bewährung“ winkt die formelle Lehrbefähigung auch für die | |
Klassen 1 bis 10 – und damit der Beamtenstatus. Und wer dann vier Jahre | |
durchhält, soll auch auf eine freie Stelle in der beliebten Sekundarstufe | |
II wechseln dürfen. „Jede Lehrkraft zählt“, sagt die Ministerin dazu. | |
Noch attraktiver ist das Angebot für den Wechsel an eine Grundschule: Wer | |
als arbeitssuchende Lehrer*in zwei Jahre in den Klassen 1 bis 4 | |
unterrichtet, soll schon nach zwei Jahren auf ein Gymnasium oder eine | |
Gesamtschule versetzt werden – und das maximal 35 Kilometer vom Wohnort | |
entfernt. Außerdem wirbt Ministerin Gebauer massiv um | |
Seiteneinsteiger*innen mit abgeschlossenem Studium. | |
Gerade die benötigten aber bessere Fortbildungen in Methodik, Didaktik und | |
Pädagogik, mahnt etwa Maike Finnern, NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft | |
Erziehung und Wissenschaft (GEW). Der zweijährige berufsbegleitende | |
Vorbereitungsdienst – also das Referendariat – müsse auch an Grundschulen | |
die Regel werden. Bisher wird dort nur eine einjährige „pädagogische | |
Einführung“ angeboten. „Viel Potenzial“ brächten die Seiteneinsteiger*i… | |
mit, sagt Finnern. Keinesfalls dürften sie „dauerhaft Lehrkräfte zweiter | |
Klasse bleiben.“ | |
Denn schon heute unterrichten überdurchschnittlich viele | |
Seiteneinsteiger*innen eben nicht in priviligierten | |
Einfamilienhausvierteln, sondern in „Schulen mit besonderen sozialen | |
Herausforderungen“, so Ministerin Gebauer – also in Kiezen, die von hoher | |
Arbeitslosigkeit und nichtakademischen Elternhäusern geprägt sind. | |
11 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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