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# taz.de -- Opferberaterin über Morddrohungen: „Aus der Mitte der Gesellscha…
> Judith Porath von Opferperspektive fordert, dass Polizei und Politik
> Bedrohungen ernst nehmen. Diese kämen aus allen Teilen der Gesellschaft.
Bild: Graffiti an einem Berliner Supermarkt
taz: Frau Porath, Thüringens [1][CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat
Morddrohungen gegen sich öffentlich gemacht]. War das richtig?
Judith Porath: Aus unserer Erfahrung ist es grundsätzlich gut, mit
Morddrohungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Aber man muss natürlich immer
den Einzelfall analysieren. Öffentlichkeit bedeutet häufig Schutz, weil das
Agieren der Täter nicht mehr im Verborgenen stattfindet. Wir raten auch
immer dazu, eine Anzeige zu stellen. Die Polizei ist verpflichtet, darauf
adäquat zu reagieren.
Birgt eine Veröffentlichung auch Risiken?
Wenn die Täter nicht gefasst werden, kann die Bedrohung weiter eskalieren.
Konkrete Sachbeschädigung ist meist die nächste Stufe. Aber es wäre zu
vereinfacht, pauschal zu sagen, was passiert, wenn man sich wehrt oder
nicht. Viele Leute sagen übrigens auch, dass ihnen die [2][Solidarität] von
außen ganz entscheidend hilft. Denn erst wenn man Bedrohungen öffentlich
macht, erfährt man, dass ganz viele Menschen so etwas verurteilen.
Haben Bedrohungen zugenommen?
Ja, Anfeindungen, Bedrohungen, Einschüchterungsversuche – das hat massiv
zugenommen, seit etwa 2015. Nach dem Sommer der Willkommenskultur traf es
Geflüchtete und auch sehr schnell Menschen, die sich für Geflüchtete
einsetzen. Sowohl aktive Flüchtlingshelfer vor Ort als auch
Verwaltungsmitarbeiter, die sich für eine humane Flüchtlingspolitik und
eine vernünftige Unterbringung starkmachen.
Warum hat das zugenommen?
Am Wochenende hat [3][Pegida] ihr fünfjähriges Bestehen gefeiert. Das ist
ein Marker für eine massive Veränderung des Klimas. Leute bedrohen – sogar
unter ihrem Klarnamen – Feministinnen, Menschen, die sich gegen Homophobie,
Antisemitismus und Rassismus einsetzen. Alle, die für eine vielfältige und
gleichberechtigte Gesellschaft stehen, sind im Fokus.
Und das ist vor allem vor Ort spürbar. Menschen erzählen uns, dass sie beim
Dorffest am Lagerfeuer angezischt werden, sie sollen keine Geflüchteten
unterstützen, man wisse, wo die Kinder zur Schule gehen. Natürlich machen
die sich dann Gedanken, ob sie weitermachen. Diese Bedrohungen sind sehr
konkret.
Was passiert mit Drohbriefschreibern, wenn sie erwischt werden?
Morddrohungen sind strafrechtlich relevant. Normalerweise kommt das vor
Gericht und dann kann man hoffen, dass es eine Verurteilung gibt. Aber nach
dem [4][kürzlich ergangenen Urteil], das einen Mann freigesprochen hat, der
frauenverachtende Beleidigungen gegen Renate Künast ausgestoßen hat, hat
man Sorge, ob das überall so ernst genommen wird.
Was sind das für Leute, die andere wegen ihrer politischen Arbeit mit dem
Tod bedrohen?
Schwer zu sagen. Das geht von Reichsbürgern bis hin zu organisierten
Neonazis. Das kann der verrückt gewordene Rentner sein, der zu viel Zeit
hat, oder der gut bezahlte Beamte, der in der Bundesbehörde sitzt und in
seiner Freizeit hetzt. Es betrifft nicht nur eine organisierte Szene, die
man bequem in die extremistische Ecke packen kann, sondern es betrifft die
Mitte der Gesellschaft. Es sind auch häufig Gelegenheitstäter, die sich
durch das Klima ermutigt fühlen, und nicht nur Stiefelnazis, wie man sie
aus den 90ern kennt.
Was kann die Politik machen?
Polizei und Politik müssen solche Drohbriefe ernst nehmen und Schutz
organisieren. Wir erleben ganz häufig, dass das nicht passiert, vor allem
wenn die Bedrohung aus dem digitalen Raum kommt. Da haben Betroffene
manchmal sogar Probleme, eine Anzeige zu stellen.
22 Oct 2019
## LINKS
[1] /Drohbriefe-gegen-Politiker/!5632016
[2] /Rechtsextremer-Hass-gegen-Politiker/!5632093
[3] /Pegida-in-Dresden-nach-der-Landtagswahl/!5623059
[4] /Sexistische-Beschimpfungen-im-Netz/!5627681
## AUTOREN
Sunny Riedel
## TAGS
Drohungen
Rechtsextremismus
Hass
Opfer rechter Gewalt
Schwerpunkt Rechter Terror
Brandenburg
Soziale Medien
Schwerpunkt Rassismus
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Mike Mohring
Robert Habeck
Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
Rechtsradikalismus
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