# taz.de -- Einschüchterungsversuch von rechts: Todesdrohung im Posteingang | |
> Der Organisator einer Demo gegen Rechts hat eine Morddrohung erhalten: | |
> für Bremer Verhältnisse eine Ausnahme – es sei denn, man ist nicht weiß. | |
Bild: Diese Mail fand der Linken-Politiker Sebastian Rave in seinem Posteingang. | |
BREMEN taz | „Gemeinsam streiten statt gegeneinander kämpfen.“ Für „eine | |
solidarische Gesellschaft ohne Rassismus“ wollen die Organisatoren eines | |
Sternmarsches am Tag vor der Wahl in Bremen demonstrieren. Nun ist einer | |
der Organisatoren mit einer Morddrohung konfrontiert. | |
„dreckige zecke wir werden dich aufschlitzen der 25.5. wird dein todestag!“ | |
– diese Nachricht bekam Sebastian Rave Freitagabend in sein Postfach. Der | |
Politiker der Partei Die Linke ist prominentes Gesicht bei Demonstrationen | |
und beim Bremer „Bündnis gegen Rechtspopulismus und Rassismus“ aktiv. | |
Dass er gerade jetzt in den Fokus geraten ist, führt er darauf zurück, dass | |
sein Name am Donnerstag auf dem rechten Blog „Achse des Guten“ genannt | |
wurde. Seitdem habe er zahlreiche Hasskommentare und -nachrichten bekommen, | |
erzählt Rave. „Die Morddrohung sprang da aber schon heraus.“ | |
Die Nachricht wurde über den eigentlich linken Remailer „Paranoici“ | |
verschickt, über den Nachrichten anonymisiert werden können. „Für uns | |
deutet das darauf hin, dass die Täter das Ganze nicht aus dem Affekt heraus | |
abgeschickt haben“, so Rave. | |
## Kein Polizeischutz | |
Ein mulmiges Gefühl habe er schon; überbewerten wollen er und die anderen | |
Organisatoren der Demo die Drohung aber nicht. Schließlich sieht auch die | |
Polizei für Rave „keine konkrete Bedrohungslage“. Gerade weil ein konkretes | |
Datum genannt wurde, sei es unwahrscheinlich, dass die Täter zuschlagen. | |
Polizeischutz bekommt Rave deshalb nicht. „Aber auf der Demo bin ich von | |
Tausenden von Menschen umgeben, das ist sowieso der beste Schutz.“ | |
Meldungen zu Morddrohungen haben in Bremen gerade eine gewisse Konjunktur. | |
Erst vergangene Woche hatte die AfD gemeldet, der Betreiber eines | |
türkischen Veranstaltungssaals sei wegen der Vermietung für einen Auftritt | |
von Alexander Gauland von linken Aktivisten mit dem Tod bedroht worden. | |
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade, hatte später jedoch | |
zurückgewiesen, dass es sich hier um eine Morddrohung handelte. Zum | |
aktuellen Fall wollte er keine Aussage treffen. „Wir sind noch in den | |
Ermittlungen und hoffen, möglicherweise Hinweise auf den Urheber zu | |
bekommen“, so Passade. | |
Die AfD hatte bei ihrer Falschmeldung von einer „schwarzen Stunde in der | |
Geschichte unserer Demokratie“ gesprochen. „Es nervt mich unheimlich, dass | |
die AfD sich immer als Opfer darstellt“, sagt Rave. „Das ist nicht die | |
Realität“. Er selbst hatte die Drohung gegen ihn daher in expliziter | |
Abgrenzung gegen den Alarmismus dazu veröffentlicht: „Eine echte | |
Morddrohung sieht übrigens so aus, heute in meinem Postfach“, ergänzte er | |
etwas lapidar am Freitag einen seiner Facebook-Posts. | |
## Neue Dimension | |
„Die Drohung ist eine Einschüchterungstaktik“, glaubt Anne Schweisfurth von | |
der Initiative „Wir wollen lieber kein AfD-Büro in Walle“. „Hier soll ni… | |
nur Sebastian, hier soll die ganze Demo eingeschüchtert werden.“ Sollte dem | |
so sein, ist fraglich, ob die Taktik funktioniert; vermutlich, das glauben | |
auch die Veranstalter, fühlen sich viele Bremer jetzt erst recht bemüßigt, | |
die Demo zu besuchen. „Wir bekommen viele Reaktionen seit der Drohung. Das | |
geht vielen zu weit“, so DGB-Vorsitzende Annette Düring. | |
Für die Stadt Bremen habe die Morddrohung in ihrem Tonfall eine neue | |
Dimension erreicht. „Wir hatten das noch nicht so konkret, so sehr gegen | |
eine Einzelperson in der Öffentlichkeit gerichtet.“ | |
In der Öffentlichkeit ist ein wichtiger Zusatz: Raves Parteigenossin | |
Friederike Emole wies bei der gemeinsamen Pressekonferenz darauf hin, dass | |
für People of Color Morddrohungen durchaus zum Alltag gehören, auch in | |
Bremen. „Ich komm und töte dich mit dem Beil“, sei ihrem afrodeutschen | |
Familienmitglied auf der Straße ins Gesicht gesagt worden. Auch aus dem | |
Verein „Soliport“, der sich um Opfer rassistischer Gewalt in Bremen | |
kümmert, hört man Ähnliches: „Die Menschen werden geschlagen. Da bleibt es | |
nicht bei Worten.“ | |
Solche Fälle geraten nicht oft in die Öffentlichkeit. Oft werden sie auch | |
nicht angezeigt, entweder, weil sie so sehr zum Alltag gehören, oder auch, | |
weil Betroffene Angst haben. | |
Gerade in Solidarität mit denen, die zu viel Angst haben, um Drohungen | |
öffentlich zu machen, sei es wichtig, nun auf Raves Fall aufmerksam zu | |
machen und die Demo zu besuchen, findet Schweisfurth. „Wir nutzen das | |
jetzt. Damit ist das auch ein Schutz für diejenigen, die so etwas | |
alltäglich erleben.“ | |
Auch wenn es vermutlich keine Bedrohung auf der Demonstration am 25. Mai | |
gebe, wolle man nun besonders achtsam sein. „Eigentlich erschreckt mich | |
das“, findet Düring. „Ich werde von so was Blödem gezwungen, bei der Demo | |
gegen Rechts zu schauen, wer da mit mir unterwegs ist. Das ist doch eine | |
bescheuerte Situation.“ | |
13 May 2019 | |
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