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# taz.de -- Oppositionelle Medien in der Ukraine: Aus für russlandfreundliches…
> Dem ukrainischen TV-Sender 112 wird die Sendelizenz entzogen.
> Gewerkschafter kritisieren den Vorgang als Zensur, andere begrüßen ihn.
Bild: Schon im Juli wurde das Studio von 112 mit einem Granatwerfer beschossen
Kiew taz | Der ukrainische Rundfunk- und Fernsehrat hat dem
regierungskritischen ukrainischen Fernsehkanal „112“ die Lizenz nicht
verlängert. Die am Donnerstag einstimmig getroffene Entscheidung ist der
vorläufige Höhepunkt eines jahrelangen Rechtsstreites um den Sender 112.
Damit wird einer der beliebtesten ukrainischen Fernsehkanäle in absehbarer
Zeit nur noch über Internet, per Satellit oder Kabel erreichbar sein.
Mit Veröffentlichung der Begründung wird die Entscheidung in Kraft treten.
Der Kanal gilt als russlandfreundlich. Der Inhaber des Kanals, der
Abgeordnete des russlandfreundlichen Oppositionsblocks Taras Kosak, ist ein
Weggefährte von Viktor Medwetschuk, dem einzigen ukrainischen Politiker,
der sich seiner guten Kontakte zu Wladimir Putin rühmt.
In der Tat sind Vertreter des Oppositionsblocks in der Berichterstattung
von 112 überrepräsentiert. Gleichzeitig hält sich der Sender an die
offizielle Sprachregelung in seiner Berichterstattung über die bewaffneten
Kämpfe im Donbas und zitiert hauptsächlich Stellungnahmen des ukrainischen
Militärs. Im Juli hatte 112 nach heftiger Kritik eine geplante Ausstrahlung
des Filmes von Oliver Stone „Ukraine on Fire“ abgesetzt. Der Film
beschreibt die Ereignisse des Maidan von 2013 und 2014 als faschistischen
Putsch.
## Mehrere Anschläge auf Studio
112 war immer wieder Ziel von Anschlägen nationalistischer Gruppen. Im Juli
2019 war er von Unbekannten mit einem Granatwerfer beschossen worden. Ein
großes Loch hatte nach dem Angriff aus der Fassade des Studios geklafft.
Die Behörden werteten den Angriff als Terroranschlag. Serhij Kostinskij vom
staatlichen Rundfunk- und Fernsehrat begründete die Entscheidung des Rates
mit einer „Reihe systematischer Lizenzverletzungen“ durch 112 Ukraina.
Auf seiner Internetseite wirft der Rundfunk- und Fernsehrat dem Sender vor,
2013 nach dem Wechsel des Besitzers konzeptionelle Programmänderungen ohne
Genehmigung des Rundfunk- und Fernsehrates vorgenommen zu haben. Wiederholt
habe man den Sender aufgefordert, zu den genehmigten Programmkonzeptionen
zurückzukehren. Hinzu komme, dass auch Vertreter von 112 sich einem
Schriftwechsel mit dem Fernsehrat entzogen hätten und auch bei
entsprechenden Sitzungen des Rates nicht erschienen seien.
Artikel 33 des Rundfunkgesetzes berechtige den Rundfunk- und Fernsehrat,
bei Verletzung der Lizenzbestimmungen die Lizenz nicht mehr zu verlängern,
so die Internetseite des Rates. Im Umfeld des ukrainischen Präsidenten
scheint man über diese Entscheidung eines Rates, der noch aus der Zeit von
Petro Poroschenko stammt, nicht glücklich zu sein. „Das Büro des
Präsidenten der Ukraine verfolgt die Situation um den Fernsehkanal 112
Ukraina sehr genau. Wir sind davon überzeugt, dass die Meinungsfreiheit ein
unabkömmlicher Bestandteil eines demokratischen Staates ist,“ heißt es
weiter.
## Propaganda oder Kritik?
Bald werde sich, so die Erklärung des Präsidialamtes, die Zusammensetzung
des Rundfunk- und Fernsehrates ändern. Und dann werde der Fernsehmarkt
„entsprechend dem Gesetz und den Grundprinzipien einer Demokratie geregelt“
werden. Gegenüber der taz verurteilte Sergiy Tomilenko, Chef der
ukrainischen Journalistengewerkschaft, die Entscheidung des Rundfunk- und
Fernsehrates: „Diese Entscheidung bedeutet eine Einschränkung der
Meinungsfreiheit, und ist der Versuch, eine Zensur einzuführen.“
Ganz anders sieht dies die Mariupoler Aktivistin Galina Odnorog. „Ich
unterstütze diese Entscheidung des Rundfunk- und Fernsehrates, bedauere
nur, dass man sich dort nicht die Mühe gemacht hat, die Entscheidung
verständlich zu erklären.“ 112 habe gezeigt, so Odnorog, wie die Politiker
des Oppositionsblockes, Medwetschuk und Bojko, nach Russland gereist seien.
„Und deswegen wollen nun Millionen Menschen einen ‚Frieden zu jedem Preis�…
also genau das, was uns die russische Propaganda über ukrainische
Fernsehkanäle suggerieren.“ Dass Politiker wie Medwetschuk und Bojko
überhaupt in das Parlament gewählt worden seien, so Odnorog, läge auch an
Kanälen wie eben 112.
Bald könnte ein weiterer regierungskritischer Kanal aus dem Äther
verschwinden. Derzeit tobt ein Rechtsstreit um eine vom Rundfunkrat
beschlossene Annullierung der Sendelizenz des ebenfalls
regierungskritischen Senders Newsone.
30 Sep 2019
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Ukraine-Konflikt
Zensur
Propaganda
Russland
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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