# taz.de -- Schauspielhaus Düsseldorf gerettet: Mit einem Bein dringeblieben | |
> Wieder im Stammhaus am Gustaf-Gründgens-Platz: Das Düsseldorfer | |
> Schauspielhaus ist nach langer Sanierungsphase zurückgekehrt. | |
Bild: Das Düsseldorfer Schauspielhaus, ohne Baustelle, Idealzustand | |
Als vor bald 50 Jahren der ikonische Bau des Schauspielhauses (von dem | |
Architekten Bernhard Pfau) am Düsseldorfer Gustaff-Gründgens-Platz mit | |
Georg Büchners „Dantons Tod“ eröffnet wurde, war der Bau höchst umstritt… | |
Die Eröffnungspremiere wurde damals begleitet von heftigen studentischen | |
Protesten. „Bürger in das Schauspielhaus – schmeißt die fetten Bonzen | |
raus“, skandierten die Demonstranten. | |
Nun stand Büchners Drama in der Jubiläumsspielzeit am 20. September wieder | |
auf einem prominenten Premierenplatz, denn diesmal ist es nach langer und | |
konfliktreicher Sanierungspause, in der zwischenzeitlich das Haus selbst | |
zur Disposition stand, sozusagen eine zweite Eröffnung. | |
[1][Regisseur Armin Petras] hat das Werk des jungen Büchner angedickt mit | |
Textbausteinen von Heiner Müller bis Marquis de Sade, sodass der Abend sich | |
auf dreieinhalb Stunden summiert, die nach furiosem Beginn zunehmend zäh | |
vergehen. Die Bühne dominiert ein riesiges Fallbeil, das zahlreiche | |
Personal entert die Spielfläche rutschend über die blutverschmierte Rampe. | |
Gespielt wird mit hohem Tempo, vorzugsweise schreiend, man findet sich | |
schwer zurecht im Riesen-Cast, aus dem klar herausgemeißelt nur der | |
Titelheld (brillant: Wolfgang Michalek) und der hier weibliche Robespierre | |
(schneidend scharf: Lieke Hoppe) hervortreten. Ein lauter, aber seltsam | |
fahriger Abend. | |
## Dennoch ein Triumph der Kunst | |
Auch zwei Tage später überzeugt Simon Solbergs Dramatisierung von | |
[2][Helene Hegemanns] Roman „Bungalow“ nicht wirklich, obwohl Solbergs | |
Regie den Stoff geschickt montiert und sinnfällige, poetische Bilder findet | |
und die Darsteller – insbesondere Lea Ruckpaul in als Hauptfigur Charlie | |
durchweg imponieren. Die Schwäche liegt im Stoff selbst, denn Hegemanns | |
Roman will sich nicht entscheiden zwischen Coming-of-Age-Geschichte, | |
dystopischer Vision und knallharter Sozialreportage. Künstlerisch ist also | |
noch Luft nach oben in Düsseldorf. | |
Dennoch darf der Wiedereinzug in das Stammhaus als Triumph der Kunst gegen | |
lähmende Widerstände gefeiert werden. Und er ist hart erkämpft, widrige | |
Umstände erschweren noch die Arbeit. Denn das Haus ist noch immer eine | |
Baustelle: Am Haupteingang schlängelt sich eine Baustellen-Straße vorbei. | |
Von der berühmten weißen Fassade des Hauses ist noch wenig zu sehen, die | |
futuristisch wirkende Architektur-Ikone sieht aus wie ein Rohbau. Drinnen | |
riecht es nach Farbe, die Garderoben sind noch nicht fertig, die | |
Beleuchtung im Foyer ist provisorisch. Mehr als drei Jahre lang war der | |
Spielbetrieb ausgelagert. | |
Doch Intendant Wilfried Schulz ist mit seinem Kernteam bereits vor einem | |
Jahr zurückgezogen an den Gründgens-Platz. Aus Prinzip: „Wir haben immer | |
gesagt, wir bleiben besser mit einem Bein drin, auch wenn es Nerven kostet, | |
denn das ist die einzige Chance, zeitnah wieder in dieses Haus | |
zurückzukehren und durch unsere Gegenwart einen gewissen Druck zu | |
produzieren.“ | |
## Beharren und verhandeln | |
Wilfried Schulz hat sich einen Ruf als zäher Beharrer erarbeitet. Als er | |
seinen Vertrag unterschrieb, ging er noch davon aus, am Gründgens-Platz | |
arbeiten zu können. Es war nur nebenher von einer Baustelle die Rede, die | |
eines Tages vor seiner Nase entstehen könnte. Aber kaum hatte Schulz | |
unterschrieben, gab es plötzlich einen Investor für den durch Abriss einer | |
Hochstraße freigewordenen Platz vor dem Schauspielhaus, und dann kam auch | |
noch heraus, dass die alte Tiefgarage unter dem Gründgens-Platz durch eine | |
neue ersetzt würde, Wand an Wand mit den Fundamenten des Schauspielhauses. | |
Der Auszug wurde unumgänglich. | |
Damals hätte Schulz hinwerfen können. Aber er blieb. Ihn habe die Aufgabe | |
gereizt, das Schiff wieder flottzukriegen, sagt er listig. In seiner ersten | |
Spielzeit spielte er in einem Zirkuszelt und etablierte die | |
Ausweichspielstätte Central mitten im sozialen Brennpunkt am Hauptbahnhof | |
als Hauptspielort. Am Gründgens-Platz wurde unterdessen der | |
Sanierungsbedarf sondiert. Denn Schulz war clever genug, Bedingungen zu | |
stellen: „Wir haben uns auf einen Deal geeinigt, dass die Zeit, in der wir | |
ausziehen mussten, dazu genutzt wird, das Haus zu sanieren und | |
modernisieren. Vieles war ja überfällig.“ | |
Schnell wurde klar, dass die Sanierung viele Millionen verschlingen würde. | |
Die steigenden Schätzungen brachten den hyperaktiven und Event-seligen | |
Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel auf die Schnapsidee, Haus und | |
Grundstück in Filetlage einfach an einen weiteren Investor zu veräußern und | |
ein Kongresszentrum zu errichten. | |
## Engagement der Bürgerschaft | |
Da aber brach ein Sturm der Entrüstung los. Und arbeitete letztlich Schulz’ | |
Strategie zu. „Ich bin inzwischen froh, dass wir durch die vielen | |
Diskussionen sowohl die Politik als auch die Bürgerschaft der Stadt haben | |
gewinnen können, die nun ein Riesenengagement entwickelt haben.“ | |
Insgesamt rund 60 Millionen Euro werden in die Modernisierung und Sanierung | |
geflossen sein, wenn denn im Sommer 2020 alle Maßnahmen abgeschlossen sind. | |
Dann wird „mehr Pfau zu sehen sein als vorher“ meint Schulz, der auch die | |
Bürgeranbindung verstärken und die vielfältigen Düsseldorfer Communities | |
einbinden will. Ab Januar soll das Foyer als Open Space täglich von 12 bis | |
18 Uhr zur Verfügung stehen als Ort für die Stadtgesellschaft. | |
25 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Regine Müller | |
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