# taz.de -- Prozess gegen Neonazis in Dresden: Anklagebank statt Umsturzkampf | |
> Als „Revolution Chemnitz“ sollen acht Neonazis rechten Terror geplant | |
> haben. Nun begann ihr Prozess. | |
Bild: In Handschellen: ein Angeklagter im Prozess gegen die selbsternannte „R… | |
DRESDEN taz | Sie verstecken ihre Gesichter hinter blauen Ordnern, ziehen | |
sich Kapuzen über die Stirn, einer sitzt zitternd neben seinem Anwalt. Es | |
ist ein eher kläglicher Auftritt, den die acht Neonazis am Montag [1][beim | |
Prozessauftakt vor dem Oberlandesgericht Dresden] hinlegen. Dabei klang | |
vor einem Jahr alles noch so großspurig. | |
Einen „Bürgerkrieg“ wollten die Männer anzetteln, eine „Revolution“, … | |
„effektiven Schlägen“ gegen „Linksparasiten“. Damals, im Spätsommer 2… | |
standen die acht Angeklagten in Chemnitz auf der Straße, mit teils | |
Tausenden anderen Rechten, und brüllten Parolen. | |
Zuvor war am 26. August 2018 ein 35-Jähriger erstochen worden, mutmaßlich | |
von zwei Geflüchteten. Was folgte, war ein Fanal: Rechte aus der ganzen | |
Bundesrepublik marschierten in Chemnitz auf, über Wochen, es kam zu | |
Übergriffen auf Migranten und Gegendemonstranten. | |
Der Vorwurf gegen die nun Beschuldigten geht noch weiter: Eine | |
Rechtsterrorgruppe namens „Revolution Chemnitz“ sollen sie damals gebildet | |
haben. Teils seit Jahren kannten sich die 21 bis 32 Jahre alten Männer, | |
alle einschlägig vorbestraft, manche von ihnen Hooligans, manche Teil der | |
früheren, äußerst gewalttätigen Kameradschaft „Sturm 34“. | |
Aufgeputscht von den Chemnitz-Märschen sollen sich die acht in einer | |
verschlüsselten Chatgruppe, „Planung zur Revolution“, zu Anschlägen auf | |
Politiker und Linke verabredet haben, am 3. Oktober 2018 in Berlin. Es gehe | |
um eine „Systemwende“, hieß es. Die Gruppe suchte nach Waffen, Heckler&Koch | |
oder Walther, 9 mm. Auch einen „Probelauf“ unternahm sie: In Chemnitz | |
attackierte sie Mitte September auf der Schlossteichinsel eine Gruppe | |
Iraner, fügte einem mit einer Bierflasche eine Kopfplatzwunde zu. Dann ließ | |
die Bundesanwaltschaft die Männer festnehmen. | |
Zum Prozessauftakt am Montag schweigen alle Angeklagten zu den Vorwürfen, | |
zumindest vorerst. Ihre Verteidiger aber halten dagegen. Noch vor | |
Anklageverlesung beantragt ein Anwalt, die Öffentlichkeit bis zum Urteil | |
auszuschließen – da einer der Beschuldigten mit 21 Jahren noch | |
Heranwachsender sei. Richter Hans Schlüter-Staats lehnt ab: Der | |
Prozessinhalt sei von „herausragender“ öffentlicher Bedeutung. | |
## „Todbringende Anschläge“ | |
Ein anderer Verteidiger kritisiert die Anklage als „politisch motiviert und | |
unverhältnismäßig“. Die Bundesanwaltschaft habe Entlastendes ignoriert – | |
etwa, dass sein Mandat am 3. Oktober hätte arbeiten müssen und gar keinen | |
Anschlag verüben konnte. Auch seien die Haftbedingungen völlig überzogen, | |
Besuche nur hinter Trennscheiben erlaubt, Duschen anfangs nur mit | |
Fußfesseln. Der Anwalt spricht indirekt von Folter. „Es kommt einem der | |
Glauben an den Rechtsstaat ab.“ | |
Richter Schlüter-Staats rückt das zurecht: „Da haben Sie ein bisschen arg | |
dick aufgetragen.“ Auch Bundesanwalt Kai Lohse weist eine politisch | |
motivierte Anklage „mit aller Entschiedenheit zurück“. Grundlage seien | |
allein die Handlungen der Beschuldigten. Und ein Terrorvorwurf gelte eben | |
auch schon im Planungsstadium. Die Gruppe habe strukturiert gehandelt, nach | |
Waffen gesucht, das Ziel seien klar „bewaffnete, todbringende Anschläge“ | |
gewesen. | |
Als Anführer macht die Anklage Christian K. aus, einen vielfach | |
vorbestraften Teilzeitsecurity, der schon als Jugendlicher im | |
Hakenkreuz-Shirt posierte und seit Jahren auf rechten Demos Krawall suchte. | |
Er gehört zu denen, die am Montag ihr Gesicht im Saal nicht verstecken, | |
ungerührt verfolgt er das Geschehen. Sein Anwalt kritisiert, es sei doch | |
„nur schwer vorstellbar“, dass die Angeklagten „wegen 96 Stunden | |
Telegrammchats“ als Terrorgruppe verurteilt würden. | |
Nach ihren Festnahmen hatten einige der Beschuldigten indes eingeräumt, | |
dass es um mehr als Gerede ging. Das Ziel sei schon so „etwas wie ein | |
Bürgerkrieg“ gewesen, gestand einer den Beamten. Ein anderer räumte ein, | |
die gesuchten Waffen seien gedacht gewesen, „um jemanden umzubringen“. Und | |
auch Christian K. betonte in den Chats, wie ernst es ihm sei: Er werde die | |
Pläne „bis zum Ende durchziehen“. | |
30 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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