# taz.de -- IAA in Frankfurt: Sitzblockade gegen Autofans | |
> Hunderte von Klimaaktivist*innen blockieren Zugänge zur Frankfurter | |
> Messe. Sie protestieren so gegen die Autoindustrie. | |
Bild: So sieht Demokratie aus: Sitzstreik und Leute, die drüber steigen | |
FRANKFURT taz | Neben unzähligen Einsatzwagen parkt ein Wasserwerfer. Aber | |
der Protest bleibt friedlich. Der Eingang zur Frankfurter Messe ist mit | |
Gittern abgesperrt, dahinter stehen Beamt*innen. Aktivist*innen in weißen | |
Malerkitteln setzen sich davor. Sie blockieren auf Seitenwegen, versperren | |
alle Zugänge. „Tell me what democracy looks like!“, ruft eine Aktivistin. | |
(„Sag mir, wie Demokratie aussieht!“) „This is what democracy looks like!… | |
antworten hunderte Stimmen („So sieht Demokratie aus!“). | |
Es ist das erste Mal, dass die IAA zum Ziel der Klimabewegung geworden ist. | |
Nachdem sich bei den Protesten von „Ende Gelände“ im rheinischen | |
Braunkohlerevier eine gewisse Routine eingespielt hat und das | |
Mobilisierungspotenzial nahezu erreicht schien, hatten Aktivist*innen im | |
Spätsommer verkündet, sich die Autoindustrie vorzunehmen. | |
Laut Bundesregierung liegt der Verkehrssektor auf Platz drei der deutschen | |
Emissionsverursacher. Hinter Energiewirtschaft und energieintensiver | |
Industrie, also Metall- und Chemieindustrie. | |
Die diesjährige IAA war schon vor der Eröffnung am vergangenen Donnerstag | |
von Protestankündigungen überschattet. Am Montag hatten sich die Sprecherin | |
der Aktivist*innengruppe „Sand im Getriebe“ (SiG) Tina Velo und VW-Chef | |
Herbert Diess zu einer von der taz organisierten Diskussion getroffen, aber | |
keine Einigung gefunden. | |
## Blaue, grüne und rote Blockade | |
Im Laufe der Woche wurde bekannt, dass die IAA dem Frankfurter | |
Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) abgesagt hatte: Feldmann, der | |
eigentlich eine Rede halten sollte, hatte geplant, sich kritisch zu äußern. | |
Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future lehnte eine Einladung der IAA | |
öffentlich ab. Auch Sand im Getriebe schlug die Einladung, auf der Messe zu | |
sprechen, aus. | |
Am Samstag, dem ersten Publikumstag, kamen [1][rund 21.000 Menschen zu | |
einer Demo gegen die Autoindustrie] in Frankfurt zusammen, davon 18.000 auf | |
Fahrrädern. Auch die Blockade-Aktion von Sand im Getriebe war lange | |
angekündigt. Am Sonntag beteiligen sich daran nach Angaben des Bündnisses | |
rund 1.000 Menschen. Um 8 Uhr morgens hatten sie sich an drei bis dahin | |
geheim gehaltenen Treffpunkten versammelt und waren zur Messe gezogen. | |
Seitdem blockiert der grüne Finger den Ost-, der blaue den Westeingang. Der | |
rote Finger dreht auf Fahrrädern Runden durch die Stadt, kommt immer wieder | |
vorbei und blockiert so Straßen rund um die Messe für den Autoverkehr. | |
Während die Blockade andauert, wird die Menge an zahlenden Gästen, die auf | |
die Messe wollen, größer. | |
„Ich verstehe das Anliegen schon“, sagt ein Gast, der vom Alter her auch in | |
den Reihen der Demonstrant*innen sitzen könnte. „Aber wieso blockiert man | |
hier, hier fährt ja keiner Auto oder stößt besonders viel CO2 aus.“ Er | |
selbst wolle kein Auto kaufen, aber er interessiere sich für die neuen | |
Modelle. Dann bahnt er sich einen Weg durch die skandierende Menge. | |
## Öffentliches Interesse ist groß | |
Andere Besucher*innen sind nicht so gelassen. „Lächerlich!“, schimpft ein | |
junger Mann im weißen Polohemd. Ein älterer Herr zuckt nur die Achseln. | |
„Kann doch jeder protestieren, wie er will“, sagt er. „Gibt ja | |
Meinungsfreiheit.“ | |
Die Aktivist*innen hatten schon im Vorfeld betont, dass ihr Protest sich | |
nicht gegen die Besucher*innen richtet. Er gelte vielmehr dem Geflecht aus | |
Vertreter*innen der Wirtschaft und der Verkehrspolitik – allen voran | |
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), den sie „Autoverkaufsminister“ | |
nennen. Und den Konzernchef*innen, die alles dafür täten, Betrug inklusive, | |
um am bestehenden Verkehrssystem festzuhalten. | |
In den Messehallen spürt man von den Protesten nicht viel. Außer dass die | |
Kontrollen lange dauern. Das Sicherheitspersonal schaut sich | |
Tascheninhalte genau an. Das öffentliche Interesse am Protest ist groß: Am | |
Abend steht das Thema bei „Anne Will“ im Programm, Greenpeace-Sprecherin | |
Marion Thiemann ist eingeladen. | |
Die Polizei – anfangs mit Hunderten Kräften aus dem Bundesgebiet vertreten | |
– zieht einige Beamt*innen ab, nachdem bekannt wird, das nur zwei von drei | |
Eingängen blockiert sind: Der Südeingang ist frei. Dort kämen viele | |
Menschen an, die mit der S-Bahn anreisen, sagt SiG-Sprecherin Velo: Deshalb | |
blockiere das Bündnis dort nicht. | |
## Positive Bilanz von beiden Seiten | |
Nicht nur die Protestierenden, auch der Verband der Automobilindustrie | |
zieht am Sonntag eine positive Bilanz. Laut VDA seien am Samstagabend | |
bereits 175.000 Messebesucher*innen gezählt worden. VDA-Chef Bernhard | |
Mattes, der am Donnerstag überraschend seinen Rücktritt zum Jahresende | |
ankündigte, spricht von „einer Abstimmung mit den Füßen für das Automobil… | |
Dabei ging die Zahl der Aussteller in den letzten Jahren erheblich zurück, | |
auch die Fläche der Messe ist geschrumpft. Es kursieren Gerüchte, dass das | |
PR-Event den Standort wechseln soll, Köln oder Berlin sind im Gespräch. Den | |
Klimaaktivist*innen dürfte das nur recht sein. Viele hoffen, dass es | |
ohnehin die letzte IAA war. | |
15 Sep 2019 | |
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[1] /Proteste-gegen-die-IAA-in-Frankfurt/!5626108 | |
## AUTOREN | |
Anett Selle | |
Katharina Schipkowski | |
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