| # taz.de -- Ausstellung über jüdischen Sportler: Shaul Ladanys langer Weg | |
| > Shaul Ladany entkam dem KZ, 28 Jahre später stellte er den Weltrekord im | |
| > 50-Meilen-Gehen auf. Die Gedenkstätte Bergen-Belsen zeigt seine | |
| > Geschichte. | |
| Bild: KZ-Überlebender Shaul Ladany bei der Aufstellung des Weltrekords im 50-M… | |
| Hannover taz | Das Gesicht vor Anstrengung verzerrt, blickt der Läufer in | |
| den Himmel. Arme und Beine sind angespannt, er ist entschlossen, | |
| weiterzumachen. Der Sportler, der da so kräftig ausschreitet, war 28 Jahre | |
| zuvor aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen entkommen. Auf einem | |
| Registrierungsfoto, kurz nach der Rettung in der Schweiz aufgenommen, | |
| blickt der junge Shaul Ladany eher hilflos in die Kamera. | |
| Eine Ausstellung über das Leben von Shaul Ladany, der nicht nur den | |
| Holocaust, sondern auch 1972 den Anschlag auf die israelische | |
| Olympiamannschaft überlebt hat, ist jetzt in der Gedenkstätte Bergen-Belsen | |
| zu sehen. | |
| Viele Exponate hat Ladany selbst beigesteuert. „Seine Geschichte ist | |
| gleichzeitig exemplarisch und einzigartig“, sagt Jens-Christian Wagner, | |
| Leiter der Gedenkstätte. Die Urkunden, Briefe und Fotos aus Ladanys | |
| Sammlung sind durch Holzrahmen gekennzeichnet und von Bildern und | |
| Dokumenten zum Holocaust gesäumt. | |
| Shaul Ladany wurde 1936 in Belgrad geboren und floh 1941 mit seiner Familie | |
| nach Ungarn. Drei Jahre später begannen die Nationalsozialisten, in Ungarn | |
| lebende Jüd*innen zu deportieren. Familie Ladany beantragte Schutzpässe und | |
| schaffte es an Bord des sogenannten Kasztner-Transports. Der ungarische | |
| Zionist Rudolf Kasztner erreichte Ende Juni 1944 in Verhandlungen mit den | |
| Nazis eine Genehmigung zur Ausreise für 1.700 Jüd*innen. Statt in die | |
| versprochene Sicherheit, fuhr der Zug direkt nach Bergen-Belsen. | |
| ## Die Familie erreichte die Schweiz | |
| Die Davidszitadelle in Jerusalem und der Wachturm von Bergen-Belsen, durch | |
| einen Stacheldraht getrennt: Diese Zeichnung zeugt von der enttäuschten | |
| Hoffnung. Der Künstler István Irsai fertigte später Postkarten mit | |
| Zeichnungen aus dem Lager an – Ladany hat diese bis heute aufbewahrt. | |
| Nach weiteren Verhandlungen durfte zunächst ein kleiner Teil der | |
| Kasztner-Gruppe ausreisen, im Dezember 1944 erreichte auch Familie Ladany | |
| die Schweiz. Das Foto, dass damals in St. Gallen von Shaul Ladany gemacht | |
| wurde, haben Mitarbeiter*innen der Gedenkstätte Bergen-Belsen aufgetrieben. | |
| Ladany konnten sie bei der Ausstellungseröffnung damit überraschen. | |
| Dass die Neuankömmlinge es auch in der Schweiz nicht leicht hatten, zeigen | |
| Briefe von den Schweizer Behörden. Ladanys Vater bekam keine | |
| Arbeitserlaubnis, musste aber Versorgungskosten für seine Familie | |
| übernehmen. „Hier hat die Ausstellung die stärksten Aktualitätsbezüge“, | |
| sagt Gedenkstätten-Leiter Jens-Christian Wagner. Es gebe klare Parallelen | |
| zur heutigen Flüchtlingspolitik. | |
| Nach Kriegsende forderten die Behörden die Geflüchteten zur Weiterreise auf | |
| und die Familie kehrte nach Belgrad zurück. Mit dem wachsenden sowjetischen | |
| Einfluss wurde die Firma des Vaters verstaatlicht, und die Familie Ladany | |
| wanderte 1948, noch vor der Staatsgründung Israels, nach Palästina aus. | |
| Ab hier zeugen Ladanys Sammelstücke vom Aufbau eines neuen Lebens in einem | |
| jungen Land, das von einem Krieg in den anderen zieht: Eine | |
| Bachelor-Urkunde, ein Foto von ihm mit seiner späteren Frau, beide lachend, | |
| und ein Foto aus der Artillerie-Kommandozentrale. | |
| ## Ladany entging Anschlag | |
| Ladany begann als Marathonläufer, bevor er zum Gehen wechselte. Er wurde | |
| israelischer Landesmeister, nahm 1968 an den Olympischen Spielen in Mexiko | |
| teil. 1972 stellte Ladany dann den Weltrekord im 50-Meilen-Gehen auf, der | |
| bis heute Bestand hat: sieben Stunden, 30 Minuten und 50 Sekunden. Im | |
| selben Jahr flog er mit der israelischen Olympiamannschaft nach München. | |
| Das letzte Foto der israelischen Delegation hat Ladany aufbewahrt – es | |
| entstand am Abend des 4. September. Am nächsten Morgen überfielen | |
| palästinensische Terroristen die israelische Unterkunft, töteten zwei | |
| Sportler und nahmen neun als Geiseln. Eine Befreiungsaktion der | |
| überforderten Münchner Polizei scheiterte und alle Geiseln starben. | |
| [1][Shaul Ladany entging dem Anschlag] nur, weil er in einer anderen | |
| Unterkunft untergebracht war. | |
| Sicherlich ist Ladanys Biografie als erfolgreicher Wissenschaftler und | |
| Sportler eine sehr Besondere. Trotzdem: „Sein Verfolgungsweg ist der von | |
| Zehntausenden anderen“, sagt Jens-Christian Wagner. | |
| Seit seinem 13. Lebensjahr sammelt Ladany alles, was mit der Verfolgung der | |
| Jüd*innen zu tun hat. „Sein Haus ist ein riesiges Museum in der Wüste“, | |
| sagt Wagner. Am Morgen nach der Ausstellungseröffnung wollte Ladany um 8 | |
| Uhr in Hannover sein – um dort auf den Flohmarkt zu gehen, und | |
| weiterzusuchen. | |
| [2][„Lebensläufe. Verfolgung und Überleben im Spiegel der Sammlung von | |
| Shaul Ladany]“: bis 20. Dezember, Gedenkstätte Bergen-Belsen, Infos: | |
| bergen-belsen.stiftung-ng.de | |
| 23 Sep 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kolumne-Gehts-noch/!5436744/ | |
| [2] https://bergen-belsen.stiftung-ng.de/de/ihr-besuch/ausstellungen/2019-zweif… | |
| ## AUTOREN | |
| Carlotta Hartmann | |
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