# taz.de -- Autofreier Sonntag: So wird das niemals was | |
> Keiner hat's gemerkt: Trotz grüner Verkehrspolitik gibt sich Berlin große | |
> Mühe, beim Autofreien Sonntag unter dem Radar zu fliegen. | |
Bild: Brööööööm … die Friedrichstraße, wie wir sie kennen und nicht li… | |
Haben Sie was gemerkt? Wir auch nicht. Und doch: Gestern war autofreier | |
Sonntag, und das schon zum 18. Mal seit dem Start der allseits beliebten | |
Europäischen Mobilitätswoche, die seit 2002 jedes Jahr vom 16. bis zum 22. | |
September stattfindet. Auch noch nichts von gehört? Na ja, man lernt nie | |
aus. | |
Ein Blick auf die Verkehrslage in der Kartenfunktion eines großen | |
Netzdienstes zeigte gestern: einigermaßen flüssige Verkehrslage in großen | |
Teilen der Stadt, hier und da stockend, zähflüssig auf der A100 rund ums | |
Autobahndreieck Funkturm, Staus auf dem südlichen Berliner Ring. Ein | |
stinknormaler Sonntag. | |
Wundern kann das niemanden, denn in Berlin werden autofreie Sonntage quasi | |
vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. Nur die an den Ausfallstraßen | |
positionierten LED-Infotafeln der Verkehrslenkung gaben in der vergangenen | |
Woche die Botschaft weiter, wenn zwischen Warnungen zur Verkehrslage mal | |
ein bisschen Zeit war. Darüber hinaus: keine Plakate, keine Kampagne in den | |
sozialen Medien – noch nicht mal eine eigene Pressemitteilung war der | |
Verkehrsverwaltung die Sache wert, die kam dann von der Senatskanzlei. | |
Vielleicht ist die mangelnde Sichtbarkeit aber auch – gewollt oder nicht – | |
der ehrlichere Umgang mit einer verkehrspolitischen Maßnahme, die in | |
Wirklichkeit keine ist. Ein autofreier Tag, der auf Freiwilligkeit beruht, | |
wird nie und nimmer spürbar auf der Straße ankommen und hat in etwa die | |
ökologische Durchschlagskraft einer Kampagne, doch bitte den eigenen Becher | |
im Gepäck zu haben, damit der To-go-Müll weniger wird. Gibt’s bekanntlich | |
auch, wirkt bekanntlich auch nicht. | |
„Autofrei, Spaß dabei“, lautete der Slogan Anfang der 80er Jahre, als das, | |
was in den 70ern mit tageweisen Fahrverboten für Furore und frische Luft | |
gesorgt hatte, nun sozusagen dank intrinsischer Motivation („die Leute | |
müssen es selber wollen“) funktionieren sollte und es nicht tat. Und es nie | |
tun wird. | |
## Schaut auf Paris! | |
Dass es anders geht – nicht perfekt, aber viel besser –, zeigt das Beispiel | |
Paris: In den vier zentralen Arrondissements durften Autos gestern nur | |
unter ganz bestimmten Voraussetzungen unterwegs sein, die Zufahrten wurden | |
kontrolliert. Traurig, dass so etwas in Berlin, wo Grüne die | |
Verkehrspolitik machen, nicht mal ansatzweise denkbar ist. [1][Die | |
Minisperrung von Teilen der Friedrichstraße am ersten Oktoberwochenende und | |
am 2. Advent], ein winziger Anfang vom Abschied vom Auto, wurde | |
bezeichnenderweise von zivilgesellschaftlichen Gruppen gepusht. | |
Immerhin die BVG hat den autofreien Sonntag zu einer Sonderaktion genutzt, | |
die bei genauerer Betrachtung etwas halbherzig erscheint: Ein Einzelticket | |
galt einmalig als Tageskarte. Für TouristInnen sicherlich ein willkommener | |
Rabatt, für Autofreaks kaum ein Grund, begeistert Busse und Bahnen zu | |
stürmen, und für sehr viele andere völlig witzlos, weil sie ohnehin längst | |
Zeitkarten besitzen. Und warum eigentlich nicht gleich Nulltarif, für einen | |
mickrigen Tag im Jahr? Wenn das nicht geht, was dann? | |
22 Sep 2019 | |
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[1] /Verkehrswende-in-Berlin/!5624712 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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