# taz.de -- Netzkultur und Umweltbilanz: Klick – Baum weg | |
> Wir sind ständig online. Dass dafür schwindelerregende Mengen an Energie | |
> und Rohstoffen draufgehen, haben nur die wenigsten von uns auf dem | |
> Schirm. | |
Bild: Viele Wälder wert: Kaputte Handys | |
Klick. In Sekundenschnelle erscheinen auf der zunächst weißen Webseite nach | |
und nach Bäume. Auf große folgen kleine, auf Birken Nadelbäume. Manche mit | |
prächtiger Krone, andere eher schmächtig. Die Animation setzt sich endlos | |
fort. | |
Was nach einem Windows-Bildschirmschoner der neunziger Jahre klingt, ist | |
ein [1][Onlineprojekt namens „Deforest“.] Es zeigt, wie viele Bäume neu | |
gepflanzt werden müssten, um die CO2-Emissionen von einer Sekunde | |
Google-Suchanfrage weltweit auszugleichen. Und es wirft die Frage auf: | |
Killt Google unser Klima? | |
„Das Internet ist die größte Infrastruktur, die wir Menschen jemals | |
geschaffen haben und gleichzeitig die am wenigsten sichtbare“, sagt Joana | |
Moll, die „[2][Deforest]“ entworfen hat. Vielen Menschen sei nicht bewusst, | |
welchen Einfluss diese Technologie auf die Umwelt habe. Zwar werden | |
weltweit bereits Plastiktüten verboten, Coffee-to-go-Becher verbannt und | |
Vielflieger gebrandmarkt. Aber online sind wir alle. Immer. Überall. | |
Seit einigen Jahren nutzt Google fast ausschließlich erneuerbare Energien, | |
das Problem löst das aber nicht. Wenn die Geräte, die wir für unsere | |
Google-Suchanfrage nutzen und die Seiten, die wir durch diese besuchen, | |
nicht auf erneuerbaren Energien basieren, wird das Problem nur verlagert. | |
## Kobalt, Kupfer, Aluminium | |
„Google ist nicht bloß Google“, sagt Moll. Zu dem Unternehmen zählt auch | |
Android, ein Betriebssystem und die Softwareplattform vieler Smartphones, | |
die wiederum durch ihre Produktion und Entsorgung maßgeblich zum | |
Klimawandel beitragen. In den vergangenen zehn Jahren wurden weltweit über | |
7 Milliarden Smartphones verkauft, Zehn- bis Hunderttausende Tonnen an | |
Kobalt, Kupfer, Aluminium und anderen Materialien wurden dafür verbaut. | |
Hinzu kommen Datenkabel, Server und Rechenzentren, die gekühlt werden | |
müssen. | |
Das Berliner Suchmaschinen-Start-up [3][Ecosia] setzt das um, was Moll mit | |
ihrem Projekt visuell zeigen möchte. Ecosia versucht die CO2-Emissionen | |
auszugleichen, indem sie pro 45 Suchanfragen einen Baum pflanzen, | |
finanziert durch Werbeeinnahmen. | |
Das ist aber keine langfristige Lösung, sagt Joana Moll: „Wir können so | |
viele Bäume pflanzen, wie wir wollen. Irgendwann wird die Fläche knapp und | |
spätestens dann fliegt uns alles um die Ohren.“ Ihr ist bewusst, dass auch | |
ihr eigenes Projekt das Problem nicht aus der Welt schaffen wird. Es soll | |
den Menschen das Ausmaß ihrer Internetnutzung lediglich bildlich vor Augen | |
führen, es besser greifbar machen. | |
Bei der Aufregung um Google, wird leicht vergessen, dass das Unternehmen | |
nicht allein schuldig ist. 33 Millionen Tonnen CO2-Emissionen entstehen | |
jährlich nur durch das Internet und internetfähige Geräte, das entspricht | |
den Emissionen des innerdeutschen Flugverkehrs. 2015 entsprach der Berg an | |
Elektromüll in etwa der Größe eines Schrotthaufens aller Pkws in | |
Deutschland. Wenn wir den Stromverbrauch unserer Informations- und | |
Kommunikationstechnik mit einem Heimtrainer selbstständig erstrampeln | |
wollten, müssten alle 7 Milliarden Menschen 24 Stunden rund um die Uhr in | |
die Pedale treten. | |
## Hindernis Kapitalismus | |
Es sei wichtig, sich dem ökologischen Fußabdruck unserer Internetnutzung | |
bewusst zu werden, sagt Moll. Erst seit wenigen Jahren würden die Menschen | |
anfangen sich zu fragen, woher der Strom für das tägliche Laden des | |
Smartphones überhaupt komme und wo die Massen an Daten, die wir tagtäglich | |
produzieren, gespeichert werden. Und trotzdem seien die Verbraucher*innen | |
nahezu handlungsunfähig. | |
Natürlich können wir als Verbraucher*innen Fairphones kaufen, über Ecosia | |
im Internet surfen und über Apps unsere Kleidung und Essen teilen. Das | |
Kernproblem bleibt: Unser Planet wird die Massen an Daten, die durch das | |
Internet produziert werden, irgendwann nicht mehr tragen können. Und das | |
müsse durch die Politik gelöst werden, sagt Moll. Die müsse dafür sorgen, | |
dass das Internet nachhaltiger werde. | |
Doch ein kapitalistisches System ist nur schwer veränderbar, im Moment | |
seien sowohl Politik als auch die Industrie nicht in der Lage, die | |
Situation zu deeskalieren. „Und bis dahin wird der Klimawandel weiterhin | |
stattfinden.“ | |
20 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.janavirgin.com/CO2/DEFOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOREST_about.html | |
[2] http://www.janavirgin.com/CO2/DEFOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOREST.html | |
[3] https://www.ecosia.org/ | |
## AUTOREN | |
Lisa Winter | |
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