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# taz.de -- Eckart von Hirschhausen übers Klima: „Es braucht Protestler und …
> Er ist Gründer von „Doctors for Future“, Mediziner und Kabarettist.
> Eckart von Hirschhausen erklärt, warum er den Klimawandel mitverbockt
> hat.
Bild: Hier mal ohne Clownsnase: Eckart von Hirschhausen
taz: Herr von Hirschhausen, sind Sie der Leibarzt von Fridays for Future?
Eckart von Hirschhausen: Die Fridays for Future (FFF) brauchen keinen
Leibarzt, die sind ja sehr gesund. Aber die Welt ist krank. Als Bild:
Mutter Erde hat Fieber, und das steigt weiter. Der Planet gehört auf die
Intensivstation. Deshalb bin ich Unterzeichner von Scientists for Future,
Mitglied der Allianz Klimawandel und Gesundheit und Gründer von Doctors for
Future. Ich unterstütze die Idee und die Forderung der Fridays for Future.
Und ich freue mich über die Einladung, am Freitag auf der globalen
Klimademo reden zu dürfen.
Was ist Ihre Diagnose?
Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde. Der Zusammenhang von
Klimakrise und Gesundheit hat bislang viel zu wenig Aufmerksamkeit
bekommen. Jahrelang ging es um Eisbären, Parts per Million von abstrakten
Atmosphären-Phänomenen und um Klimamodelle. Dadurch ist unglaublich viel
Zeit zum Handeln verloren worden, die wir jetzt nicht mehr haben.
Wann haben Sie realisiert, dass es ernst wird?
Das war vor zwei Jahren, eine Begegnung mit Jane Goodall. Diese Dame von
über 80 Jahren ist einer der charismatischsten Menschen, denen ich begegnet
bin. Sie stellte mir eine einfache, aber zentrale Frage: Wenn der Mensch
die intelligenteste Art auf dem Planeten ist – warum zerstört er dann sein
eigenes Zuhause? Ich habe erst dreimal schlucken müssen, weil es ja
tatsächlich so absurd ist, dass wir die einzige Art sind, die in die
Zukunft schauen kann, und gleichzeitig alles daransetzen, da nicht
hinzugucken. Stattdessen kaufen wir uns Zeug, das wir nicht brauchen, von
Geld und Ressourcen der künftigen Generationen, um Leute zu beeindrucken,
die wir nicht mögen.
Warum sind FFF so erfolgreich?
Weil sie recht haben. Johan Rockström vom Potsdamer Institut für
Klimafolgenforschung sagt: Ihr von FFF habt zwei sehr starke Argumente: die
Wahrheit und die Jugend.
FFF fordern, die Politik solle die Wissenschaft umsetzen. Ist das eine gute
Idee: Politik nach der Wissenschaft zu machen?
Wonach soll denn sonst Politik gemacht werden? Nach alternativen Fakten?
Eins meiner Lieblingsplakate auf den Demos ist: „Why get an education, when
nobody listens to the educated?“ Wozu die Aufregung über angeblich
verpasste Schulstunden, wenn keiner zuhört, was die Menschen zu sagen
haben, die sich seit Jahrzehnten mit der Materie auseinandersetzen. Als die
Steilvorlage kam, das Thema sei doch bitte was für Profis, haben über
26.000 Wissenschaftler die Stellungnahme von Scientists for Future
unterzeichnet und gesagt: Ja – wir sind diese Profis. Wir stellen gern all
unser Wissen zur Verfügung, um auf gute Lösungen hinzuarbeiten.
Sehen Sie Tendenzen in der Klimadebatte, die Wissenschaft zu
instrumentalisieren?
Nein. Was sich die Wissenschaftler heute selber vorwerfen, ist, nicht klar
und laut genug gewesen zu sein. Weil es zum vornehmen Ton gehört, sehr
abgewogen und distanziert zu kommunizieren, waren viele Wissenschaftler
offenbar nicht in der Lage, die Dringlichkeit der Situation in die Mitte
der Gesellschaft zu bringen. Die aktuelle Entwicklung ist ja schneller und
schlechter als angenommen. Auf der anderen Seite wäre FFF in Deutschland
nicht so erfolgreich, wenn es nicht sowohl in der Wissenschaft als auch in
der Zivilgesellschaft schon viele Vordenker und Wegbereiter gegeben hätte,
bis hin zu all den Umweltverbänden und ihrer jahrelangen Basisarbeit.
Deshalb an dieser Stelle danke an beide Seiten – die Protestler und die
Profis – es braucht beides.
Der Vorwurf von FFF ist ja: Die (Groß-)Eltern haben es verbockt. Lassen Sie
diese Kritik auch für sich persönlich zu?
Ja klar, der Vorwurf betrifft vor allem meine Generation. Meine Eltern
haben einen sehr viel kleineren CO2-Abdruck als ich, obwohl sie schon 30
Jahre länger auf Erden unterwegs sind. Ich war in meiner Jugend sehr
friedensbewegt und habe für den Ausstieg aus der Atomenergie demonstriert.
Aber natürlich gehöre ich auch zu der Generation, die auf Pump der Erde
lebt und die Ressourcen überstrapaziert. Aber ich halte wenig von einem
neuen Generationenkonflikt – wir schaffen das entweder gemeinsam oder gar
nicht. Deshalb finde ich den 20. 9. auch so wichtig.
Was machen Sie dann?
Zusammen mit dem ehemaligen Chef der Charité, Detlev Ganten, und der
Medizinstudierenden Sylvia Hartmann stehen wir am Brandenburger Tor dort
für drei Generationen von Ärzten und rufen alle Gesundheitsberufe auf, sich
solidarisch zu erklären unter dem Motto: 42 Grad = 112! Die Klimakrise ist
ein medizinischer Notfall. Wir hoffen auf viele, die dem Aufruf
#healthforfuture folgen, ob mit Berufskleidung oder ohne, natürlich auch
alle Pflegenden, alle Therapeuten, alle Patienten. Denn die Grundlage aller
medizinischen Bemühungen sind sauberes Wasser, saubere Luft, etwas zu essen
und erträgliche Außentemperaturen. Wenn wir das verspielen, nutzen auch
Tabletten nicht mehr.
Ganz schön ernst für einen Komiker.
Dabei hilft Endzeitstimmung nicht, gute Lösungen zu finden. Wir diskutieren
zu viel über „Verzicht“, statt darüber, in welcher Welt wir lieber leben
als in einer selbstzerstörerischen. Weniger Fleisch tut der Erde, den
Tieren und den Menschen gut. Und sich aktiv zu bewegen ist auch gesünder
als in einem Auto. Für einen selber und die Umwelt. Auf den Punkt gebracht:
Ich atme immer noch lieber die Abgase von zehn Radfahrern ein als die von
einem SUV.
Ihre Stiftung heißt: Humor hilft heilen. Welche Witze brauchen wir denn in
der Klimakrise? Galgenhumor?
Ja. Da halte ich es mit Karl Valentin. Wenn es regnet, freue ich mich. Denn
wenn ich mich nicht freue, regnet es auch. Humor ist der Wechsel der
Perspektive, das AHA-Moment, bringt Menschen kreativ zusammen und
entwaffnet die Machtstruktur – all das brauchen wir ja dringend für die
große Transformation. Ich mag ja die Schilder bei Fridays for Future-Demos,
wie „Klima ist wie Bier – wenn es zu warm wird ist es Scheiße.“ Einer no…
Es heißt nicht mehr Hitzewelle – man sagt jetzt Tsu-Warmi!“
20 Sep 2019
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
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