# taz.de -- Stadionbann für Frauen im Iran: Der Tod des blauen Mädchens | |
> Nach der Selbstverbrennung von Sahar Khodayari wächst der Druck auf Iran, | |
> endlich Frauen in die Stadien zu lassen. Nimmt die Fifa das Thema ernst? | |
Bild: Seit der Islamischen Revolution 1979 gilt für Frauen im Iran Stadionverb… | |
Für Maryam Shojaei gibt es keinen Zweifel. „Fifa ist schuld“, sagt die | |
Aktivistin, die seit mehr als zehn Jahren dafür kämpft, dass endlich auch | |
Frauen in der Islamischen Republik Iran Fußballspiele von Männern im | |
Stadion anschauen dürfen. Wenn der Internationale Fußballverband seine | |
eigenen Antidiskriminierungsregeln durchsetzen würde, [1][wäre Sahar | |
Khodayari noch am Leben], da ist sie sich sicher. Das Schicksal der Frau | |
hat in dieser Woche die Welt bewegt. | |
Im März wollte sie sich als Mann verkleidet ein Spiel ihres Herzensvereins | |
Esteghlal Teheran anschauen. Sie wurde verhaftet. Anfang September begann | |
der Prozess gegen sie. Als sie erfuhr, dass man sie für ein halbes Jahr | |
einsperren wollte, übergoss sie sich mit einer brennbaren Flüssigkeit. Eine | |
Woche später erlag sie ihren Brandverletzungen. Seitdem spricht die | |
Sportwelt über das traurige Ende ihres Lebens. Als „Blue Girl“ ist sie zu | |
einer tragischen Berühmtheit geworden. Blau sind die Farben von Esteghlal | |
Teheran. | |
Im Netz macht ein Video vom Training des Großklubs aus der Hauptstadt die | |
Runde. Die Spieler bilden einen Kreis und gedenken der verstorbenen | |
Anhängerin. Mit der Trauer über den Tod der jungen Frau wird das | |
Stadionverbot, das seit der Islamischen Revolution 1979 für Frauen gilt, zu | |
einem bestimmenden Thema im Land. | |
Masoud Shojaei, der Kapitän der iranischen Männernationalmannschaft, hatte | |
nach dem Sieg seines Teams in der WM-Qualifikation gegen Hongkong von der | |
Selbstentflammung gehört und das Stadionverbot für Frauen als Ergebnis | |
eines „verkommenen und widerlichen Denkens“ bezeichnet. | |
Er ist der Bruder von Maryam Shojaei, die ihren Kampf für Frauen seit | |
Jahren vom Ausland aus führt. Sie ist kanadische Staatsbürgerin und tourt | |
als Gesicht der Plattform „Open Stadiums“ durch die Welt, um bei Auftritten | |
der iranischen Nationalmannschaft im Ausland Protestplakate in den Stadien | |
zu zeigen. Auch bei der WM 2018 in Russland hat sie das getan. Mehr als | |
zehnmal hat sie sich mit Schreiben an die Fifa gewandt, hat Petitionen mit | |
mehr als 200.000 Unterschriften übergeben, wollte, dass die Fifa Druck | |
ausübt, dem iranischen Verband mit dem Ausschluss von internationalen | |
Wettbewerben droht. | |
## Druck von mehreren Seiten | |
Doch so richtig aggressiv ist der Weltverband nie gegenüber den Iranern | |
aufgetreten. [2][Kleine Erfolge im Kampf für die Zulassung von Frauen] in | |
die Stadien wurden gefeiert. Dabei sind bei einem Freundschaftsspiel gegen | |
Bolivien ein paar hundert Frauen ins 100.000 Zuschauer fassende | |
Azadi-Stadion von Teheran gelassen worden. Beim Finale der asiatischen | |
Champions League Ende 2018 wurden ein bisschen mehr als 1.000 Frauen, meist | |
aus dem Umfeld der Spieler und Funktionäre, mit Tickets versehen. | |
Nun heißt es, die Fifa schicke dieser Tage eine Delegation nach Teheran. In | |
einem Statement fordert der Verband „die iranischen Behörden auf, die | |
Freiheit und Sicherheit aller Frauen zu gewährleisten, die sich an diesem | |
legitimen Kampf zur Beendigung des Stadionverbots für Frauen im Iran | |
beteiligen“. | |
Der Trip nach Teheran ist indes keine spontane Reaktion auf den Tod des | |
blauen Mädchens. Er war ohnehin geplant. Es sollte geklärt werden, wie der | |
Zugang für Frauen beim anstehenden WM-Qualifikationsspiel gegen Kambodscha | |
geregelt wird. Iran hatte der Fifa schon zugesichert, weibliche Fans zu dem | |
Spiel zuzulassen. Man darf gespannt sein, was die Iraner präsentieren. | |
Nach dem Tod von Sahar Khodayari wird die Fifa nicht nur von NGOs wie | |
Amnesty International unter Druck gesetzt. Auch die große Fußballprominenz | |
von Paul Pogba bis Hedvig Lindahl bewegt der Fall. Am Ende sollte sich der | |
Weltverband jedenfalls nicht so über den Tisch ziehen lassen wie der | |
Internationale Volleyballverband. Der vergab 2017 ein | |
Nations-League-Turnier an Iran und ließ sich zusichern, dass auch Frauen in | |
die Hallen gelassen würden. | |
Es seien Tickets für Frauen und Männer im Angebot gewesen, um die Zahl der | |
Frauen beschränken zu können, hieß es. Kaufen konnten Frauen dann keine | |
Karten. Ausverkauft, meldete das Ticketportal. Am Ende waren dann doch nur | |
Männer im Publikum. Es hatte wohl gar keine Frauentickets gegeben. | |
Wie verlogen der Umgang mit dem Thema im Iran ist, zeigen auch Äußerungen | |
aus dem Umfeld von Staatspräsident Hassan Rohani. Dessen Stabschef Mahmoud | |
Vaezi meinte, wenn sich das Publikum angemessen verhalte, dann könne man | |
auch Frauen ins Stadion lassen. Angeblich ist das Sportministerium in | |
Verhandlungen mit Fanorganisationen, um zu erreichen, dass Hassgesänge und | |
jegliche Gewalt aus den Kurven verschwinden. Ob das beim Volleyball auch | |
das Problem war? | |
13 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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