| # taz.de -- Frauen in iranischen Fußballstadien: Aufruf zur Empörung | |
| > Die Zusage des Iran, beim nächsten Fußballländerspiel Frauen ins Stadion | |
| > zu lassen, reicht nicht. Für weibliche Fans kommt der Fortschritt zu | |
| > langsam. | |
| Bild: Beim Länderspiel Iran – Bolivien durften sogar weibliche Fans im Stadi… | |
| Mit den Vorgaben der erzkonservativen Religionsführer im Iran hat auch | |
| Monika Staab ihre Erfahrungen gemacht. Die Entwicklungshelferin und | |
| langjährige Trainerin des 1. FFC Frankfurt weilte im Rahmen der | |
| Trainerausbildung für den Weltverband Fifa zwischen 2008 und 2017 insgesamt | |
| dreimal im Iran. „Ich erinnere mich beim ersten Mal noch gut daran, wie ich | |
| vor dem Aussteigen aus dem Flugzeug darauf hingewiesen wurde, dass ich | |
| unmöglich in kurzen Ärmeln ins Freie treten konnte.“ | |
| Seitdem ist viel passiert, aber für Frauen hat sich wenig verbessert. Mit | |
| einiger Verspätung verlangt nun der Fußballweltverband Fifa endlich | |
| deutlicher, Frauen im Iran den Besuch von Fußballspielen zu erlauben. „Die | |
| Stadien für Frauen zu öffnen, weil die Fifa den Druck auf die Regierung und | |
| den Verband in Teheran signifikant erhöht, hilft, die Vorbehalte | |
| aufzubrechen“, sagt Staab, die bereits in Bahrain und Katar als | |
| Nationaltrainerin gearbeitet hat. | |
| Seit 1979 sind im Iran die Stadiontore für Frauen verschlossen. Staab, die | |
| im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) für das Auswärtige | |
| Amt noch bis 2020 in Gambia tätig war, sagt, bei ihrer Projektarbeit im | |
| Westen Afrikas erlebe sie gerade, „wie überwiegend muslimischen Frauen viel | |
| mehr erlaubt ist“. | |
| Gegen die rigiden Verbote, die sogar Staatpräsident Hassan Ruhani, aber | |
| nicht der einflussreiche Klerus abschaffen würde, hatte es schon während | |
| der WM 2018 in Russland Proteste gegeben. An den Spielorten St. Petersburg | |
| und Kasan kam es zu Verbrüderungsszenen vor allem von Exil-Iranern mit | |
| ausländischen Besuchern. | |
| Die demonstrative Botschaft sollte sein: Wir lassen uns unsere Freiheit | |
| nicht nehmen. „Wir brauchen diese Bilder, damit die Regierung etwas | |
| ändert“, sagte damals Keyvan Sayahy, ein aus London agierender Netzwerker. | |
| ## Das „blaue Mädchen“ als Symbol | |
| Als Fifa-Präsident Gianni Infantino bei einer Iran-Reise im November 2018 | |
| Hunderte ausgewählte Frauen im Azadi-Stadion besuchte, sagte der Schweizer: | |
| „Politik sollte sich aus dem Fußball heraushalten und Fußball sollte aus | |
| der Politik wegbleiben.“ | |
| Der Satz war fatal. Das weibliche Geschlecht verschwand schnell wieder aus | |
| den Stadien. Es brauchte erst [1][den traurigen Fall der Aktivistin Sahar | |
| Khodayari], um erneut eine Debatte zu entfachen. Die 29-Jährige hatte sich | |
| im März als Mann verkleidet ins Nationalstadion geschlichen, um sich ein | |
| Heimspiel des Hauptstadtklubs Esteghlal Teheran anzusehen. | |
| Als sie bei einem Gerichtstermin Anfang September erfuhr, dass ihr ein | |
| halbes Jahr Gefängnis drohen würde, zündete sie sich an. Wenig Tage später | |
| verstarb sie. Das „blaue Mädchen“ – sie hatte von den Rängen ein Bild in | |
| ihrer blauen Fankleidung gepostet – stieg damit zur Ikone des Protests | |
| gegen die Verbannung der Frauen auf. | |
| Aus der Frauen-Bundesliga kam zarte Unterstützung: Die dänische | |
| Weltklassespielerin Pernille Harder (VfL Wolfsburg) setzte einen Tweet ab, | |
| die Frauen des Aufsteigers 1. FC Köln trugen an einem Freitagabend ein | |
| blaues Armbändchen und schrieben: „Für Freiheit, Vielfalt, | |
| Gleichberechtigung – und Fußball für alle, im Iran und überall!“ Für St… | |
| war das tragische Schicksal „ein Wachrüttler, der auch die Fifa beschäftigt | |
| hat“. | |
| Infantino musste reagieren, forderte vergangene Woche den Verband und die | |
| Regierung im Iran auf, die Stadionverbote aufzuheben, und schickte schnell | |
| noch eine Fifa-Delegation nach Teheran. „Unsere Position ist klar und | |
| eindeutig: Frauen müssen in die Fußballstadien im Iran zugelassen werden. | |
| Für alle Fußballspiele.“ Der Nachsatz war wichtig: Sportminister Massud | |
| Soltanifar hat zwar versprochen, dass alle notwendigen Vorbereitungen | |
| getroffen seien, „vorerst jedoch nur für Länderspiele“. | |
| Beim WM-Qualifikationsspiel Iran gegen Kambodscha am 10. Oktober werden nun | |
| rund 4.600 Plätze nur für Frauen in einem eigenen Tribünenbereich | |
| reserviert. Separate Eingänge werden geschaffen, eigene Toiletten stehen | |
| zur Verfügung. Auf der Weltfußballer-Gala am Montagabend wandte sich auch | |
| [2][Weltfußballerin Megan Rapinoe] dem Thema zu: „Wenn wir wirklich eine | |
| Veränderung wollen, muss jeder empört sein.“ | |
| Im Iran wollen die Kämpferinnen für mehr Gleichberechtigung im „Stadion der | |
| Freiheit“ auch die Partien der Iran Pro League besuchen. Wie etwa das am | |
| Sonntag ausgespielte Teheran-Derby zwischen Esteghlal gegen Persepolis | |
| (0:1). Aktivistinnen berichteten, dass sie sich nicht mal in die | |
| Stadionnähe getraut hätten, so massiv sei die Polizeipräsenz gewesen. | |
| Im August konnte ein iranisches Auswahlteam in Berlin bei „Discover | |
| Football“, einem Kulturfestival für Frauenfußball, teilnehmen. Staab | |
| tauschte sich nicht nur mit der iranischen Nationaltrainerin Maryam | |
| Irandoost aus, sondern auch mit iranischen Aktivisten. „Ich behaupte aus | |
| meinen Erfahrungen, dass 70 Prozent der Bevölkerung mit den strengen | |
| Vorgaben nicht glücklich sind.“ | |
| 25 Sep 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Stadionbann-fuer-Frauen-im-Iran/!5625466 | |
| [2] /US-Fussballstar-Megan-Rapinoe/!5610407 | |
| ## AUTOREN | |
| Frank Hellmann | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Iran | |
| Frauenrechte | |
| Fußball | |
| Fifa | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
| Frauenrechte | |
| Genitalverstümmelung | |
| Frauenfußball | |
| Fußball | |
| Kolumne Frühsport | |
| Fußball | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Iranische Sportler im Exil: Flucht vor den Mullahs | |
| Irans erfolgreichste Sportlerin Kimia Alisadeh kehrt nicht in ihre Heimat | |
| zurück. Für immer mehr Athleten wird das Regime unerträglich. | |
| Frauen in iranischen Fußballstadien: Ein Bonbon von den Mullahs | |
| Nach langen Kämpfen durften Frauen im Iran nun ausnahmsweise live Fußball | |
| sehen. Ein Erfolg, ja. Aber ein sehr kleiner. | |
| Weibliche Genitalverstümmelung: Klitoris ab, Schamlippen zugenäht | |
| In Deutschland leben mehr als 70.000 genitalverstümmelte Mädchen und | |
| Frauen. Und die Zahl steigt, so eine Studie der Organisation Terre des | |
| Femmes. | |
| Fußballerin Klara Bühl: Die neue Arjen Robben | |
| Die 18-jährige Stürmerin des SC Freiburg zählt zu den größten Hoffnungen | |
| für die Zukunft des deutschen Frauenfußballs. | |
| Stadionbann für Frauen im Iran: Der Tod des blauen Mädchens | |
| Nach der Selbstverbrennung von Sahar Khodayari wächst der Druck auf Iran, | |
| endlich Frauen in die Stadien zu lassen. Nimmt die Fifa das Thema ernst? | |
| Stadionbann für Frauen im Iran: Tödlicher Kampf | |
| Der Suizid einer Frau, die nicht mehr wollte, als Fußball live im Stadion | |
| zu sehen, erschüttert die Sportwelt. Was die Fifa jetzt tun sollte. | |
| Kolumne B-Note: Infantino wird Feminist | |
| Der Fifa-Präsident stellt dem iranischen Fußballverband, der Frauen meist | |
| den Stadionbesuch verwehrt, ein Ultimatum. Und nun? |