# taz.de -- Folgen der Digitalisierung: Roboter sind nicht kreativ | |
> Digitalisierung und Robotik können den Menschen wieder in den Mittelpunkt | |
> rücken. Die neue Arbeit wird Beziehungsarbeit sein. | |
Bild: Noch zeitgemäß? Vor allem die Agentur für Arbeit muss sich dem Wandel … | |
Die Digitalisierung wird [1][viele Arbeitsplätze vernichten], nicht zuletzt | |
im Bereich arbeitsintensiver Prozesse. So wird häufig argumentiert. Diese | |
Furcht ist jedoch in vielen Berufen eher unbegründet. Es lohnt ein | |
Vergleich mit der frühen Industrialisierung, denn dabei lassen sich | |
strukturelle Parallelen erkennen. Damals wurden neue maschinelle Prozesse | |
implementiert, die den Menschen ersetzten. Schaut man jedoch auf die | |
wirtschaftlichen Entwicklungen dieser Zeit, korrespondiert mit dem Einsatz | |
von Maschinen kein Anstieg der Arbeitslosigkeit, sondern ein | |
wirtschaftlicher Aufschwung. | |
Technische Veränderungen führen auch zu wirtschaftlichem Fortschritt. Der | |
Gesellschaft werden auf lange Sicht nicht nur Arbeitsplätze genommen, | |
sondern es kommt zu einer Veränderung und mitunter qualitativen Steigerung | |
des Tätigkeitsprofils. Die Digitalisierung kann daher sogar Treiber einer | |
notwendigen Evolution des gesamten Wirtschaftssystems sein. | |
Arbeit hat in der Entwicklung der Zivilisation für die Einzelnen immer eine | |
bedeutende Rolle eingenommen, um sich selbst ernähren und überleben zu | |
können, später auch dafür, Eigentum und Vermögen aufzubauen. In der | |
Vergangenheit war der Mensch gezwungen, die anfallenden Tätigkeiten selbst | |
auszuführen, was meist unter erheblichem körperlichem Einsatz geschah: Der | |
Ackerbau, das Errichten großer Bauwerke oder die Fabrikarbeit in der frühen | |
Industrialisierung – all das wurde oft unter Gefährdung der eigenen | |
Gesundheit oder des Lebens geleistet. Dominierte die körperliche Arbeit | |
früher den klassischen Wertschöpfungsprozess, ist es heute stärker die | |
kreative bzw. geistige Tätigkeit. | |
Die Digitalisierung legt den Fokus auf den Teil der Arbeit, der vom | |
menschlichen Wirken geprägt ist. Körperliche Arbeiten sowie ein großer | |
Anteil der Verwaltungstätigkeiten können in Zukunft mit großer | |
Wahrscheinlichkeit durch Technologien übernommen werden, die dank „Machine | |
Learning“ und Teilautonomisierung zunehmend zu komplexeren Aufgaben | |
befähigt sind. Es verbleiben und entstehen jedoch Bereiche, die bislang und | |
in abschätzbarer Zeit nur von Menschen ausgeführt werden können. | |
Kreativität und soziale Interaktion determinieren unsere Menschlichkeit. | |
Sie unterscheiden uns von Maschinen. | |
Techniken wie die Robotik können dazu führen, dass der Mensch sich wieder | |
auf das besinnen kann, was er aufgrund seiner Bestimmung als soziales Wesen | |
im Besonderen zu leisten vermag und was nicht durch Technologie übernommen | |
werden kann. Dazu gehören die Beziehungsarbeit und folglich | |
Arbeitsprozesse, die den zwischenmenschlichen Kontakt zum Gegenstand haben. | |
Um die Arbeit des Menschen wieder in den Mittelpunkt zu rücken, bedarf es | |
struktureller Veränderungen, auch im Hinblick auf bestehende [2][staatliche | |
Institutionen]. So bedarf es zwingend einer Weiterentwicklung der | |
Bundesagentur für Arbeit. Ihre Aufgaben müssen unter dem Aspekt der | |
digitalisierten Arbeitswelt neu gedacht werden. Sie muss sich wandeln von | |
einer Agentur, die sich um die Vermittlung von Arbeitslosen kümmert, hin zu | |
einer Agentur der beruflichen Chancenerweiterung, die vor allem die | |
fachliche wie persönliche Qualifizierung sowie die Bildung im Allgemeinen | |
befördert. | |
Die Agentur sollte eine staatlich-neutrale Rolle einnehmen und auf diese | |
Weise einen wesentlichen Pfeiler beim Aufbau eines modernen Arbeitsmarkts | |
darstellen. Sie könnte auf Basis der fördernden Unterstützung zusätzlich | |
individuelle Berufsbiografien weiterentwickeln oder im Strukturwandel hin | |
zu neuen Arbeitsfeldern unterstützen. Auf diese Weise kann auch ein Beitrag | |
zum drohenden Fachkräftemangel im Zuge des demografischen Wandels geleistet | |
werden. | |
## Die klassische Branchenzuordnung verschwimmt | |
Klar ist auch, dass im Rahmen der Digitalisierung neue Wertschöpfungsketten | |
entstehen, die eine klassische Branchenzuordnung verschwimmen lassen. Dies | |
führt zu Herausforderungen für Unternehmen, Beschäftigte und Sozialpartner. | |
Diese neuen Wertschöpfungsketten, wie etwa bei der „Sektorenkopplung“, | |
lassen neue Geschäftsmodelle und damit auch Arbeitsplätze entstehen. | |
Beispiele für „gekoppelte Sektoren“, deren Bedeutung durch Digitalisierung | |
erhöht wird, sind ganzheitlich konzipierte Wohnquartiere (Sektoren Wohnen, | |
Energieversorgung, Mobilität, IT) oder übergreifende Mobilitätskonzepte in | |
der Stadt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das Zusammenführen von Gütern | |
und Dienstleistungen zu derartigen Leistungsbündeln führt zu zusätzlichen | |
oder gänzlich neuen Arbeitsplätzen. | |
Ein Zusammenwachsen von Produktions- und Wissensarbeit führt auch zu neuen | |
Arbeitsmodellen, wie etwa mobiler und interaktiver Arbeit. Diese neuen | |
Interaktionen resultieren gerade in Ballungsräumen zusammen mit neuen | |
Wertevorstellungen in einer anderen Arbeitsorganisation, der „urbanen | |
Produktion“. Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung rücken damit auch | |
Wohnen und Arbeit bzw. Produktion räumlich enger zusammen. | |
All diese [3][Entwicklungspotenziale] müssen in der künftigen | |
Arbeitsmarktpolitik berücksichtigt werden. Ihr darf nicht das alte | |
Arbeitsverwaltungssystem zugrunde liegen. Stattdessen müssen die Politik, | |
aber auch die Unternehmen selbst die Auswirkungen der Digitalisierung und | |
Globalisierung auf den Arbeitsmarkt verstehen und sie den Bürgern sowie | |
ihren Mitarbeitern vermitteln, um auf diese Weise geeignete Modelle und | |
Strategien bei der Entstehung und dem Erhalt nachhaltiger Arbeitsplätze zu | |
entwickeln. | |
Mit einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung | |
und Motivation der Mitarbeiter setzt, wird die Grundlage für ein | |
nachhaltiges Beschäftigungsniveau geschaffen. Sie vereint Methoden-, Fach- | |
und Sozialkompetenz, ermöglicht zügige Anpassungen auf veränderte | |
Anforderungen und sichert so die Wettbewerbsfähigkeit der menschlichen | |
Arbeit im digitalen Zeitalter. | |
25 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
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